Die Inflationsraten in den Industrieländern klettern immer weiter, der Ukraine-Krieg nährt die Teuerung bei Rohstoffen, die Notenbanken reagieren.
In den USA stehen zahlreiche Zinserhöhungen an, auch die Eurozone könnte mittelfristig nachziehen. „In dieser Situation müssen Anleger einen kühlen Kopf bewahren“, sagt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM, und erklärt, was die aktuelle Lage für Währungen, Gold und festverzinsliche Wertpapiere bedeuten könnte.
Ursprünglich rechnete man für das laufende Jahr in den USA und in Europa mit einem deutlichen Rückgang der Teuerungsraten. Begründet wurde das mit auslaufenden Basiseffekten und besser funktionierenden Lieferketten. „Dieser Rückgang wird sich wohl deutlich verzögern“, sagt Gerlinger. Der Ukraine-Krieg lässt die ohnehin schon hohen Rohstoffpreise immer wieder überschießen und strukturell ist am US-Arbeitsmarkt bereits eine Lohn-Preis-Spirale zu beobachten.
Die US-Notenbank legt derzeit eine Teuerungsrate von 4,3 Prozent für das Gesamtjahr 2022 zugrunde. Um den Preisauftrieb zu bremsen, hat die Fed ihre Leitzinsen angehoben und weitere Zinserhöhungen angekündigt. Per Ende 2022 erwarten die Zentralbanker im Durchschnitt einen Leitzins von 1,9 Prozent. Für 2023 werden weitere Zinserhöhungen um insgesamt 100 Basispunkte erwartet. Die Europäische Zentralbank wiederum rechnet mit einer Inflationsrate von 5,1 Prozent im laufenden Jahr und mit 2,1 Prozent 2023. „Dennoch ist eine Zinserhöhung in diesem Jahr wahrscheinlich“, so Gerlinger. „Mittel- bis langfristig werden sich die Inflationsraten auf einem Niveau einpendeln, das ein gutes Stück über dem Niveau von vor Corona liegt“, prognostiziert Gerlinger. Für die USA ist ein Wert zwischen vier und fünf Prozent zu erwarten, in Europa dürften es zwischen drei und vier Prozent sein.
Auf der Währungsseite konnte der US-Dollar zuletzt von seinem Image als Krisenwährung profitieren und sich festigen. Stärkend wirkte zudem die Aussicht auf schneller und stärker steigende US-Leitzinsen – auch wenn gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit eines zeitlich früheren, restriktiveren EZB-Kurses zugenommen hat. „Der Dollar befindet sich nach wie vor in einem Spannungsfeld zwischen einer unverändert fundamentalen Überbewertung, einem steigenden US-Haushaltsdefizit und einer wahrscheinlich ausweitenden Zinsdifferenz“, erklärt Gerlinger. Er bleibt in der Tendenz stark unterstützt und könnte sich im Rahmen einer weiteren geopolitischen Eskalation kurzfristig noch weiter befestigen.
Auch der Goldpreis profitierte zuletzt vom Kriegsausbruch in der Ukraine. Zusätzlich stützten höhere Inflationserwartungen sowie negative Realrenditen das Edelmetall. „Gold stellt aktuell ein Hedge- beziehungsweise ein Diversifikations-Asset dar“, so Gerlinger.
Auf Zinsseite schwankten die Renditen der US-Staatsanleihen zuletzt stark: Inflationssorgen einerseits, mit Blick auf die Ukraine die Flucht in Safe Havens andererseits. Es wird ein weiterer Anstieg der Renditen in allen Laufzeiten erwartet, Richtung Jahresende 2022 mit einer Tendenz zur Verflachung der Zinsstrukturkurve. „Fundamental wäre ein weiterer Renditeanstieg im Hinblick auf die Inflationsentwicklung und der immer noch robusten konjunkturellen Lage gerechtfertigt“, sagt Gerlinger. Relativ gesehen bleiben US-Papiere aufgrund des absoluten Renditeniveaus im Vergleich attraktiv, das Zinsänderungsrisiko einmal ausgeblendet.
Bundesanleihen dagegen bleiben im Kontext wohl erst einmal unattraktiv. Lediglich im Risk-off-Modus sind sie ein sicherer Zufluchtshafen. Der Rentenmarkt bleibt durch das noch laufende Anleihekaufprogramm der EZB weiter verzerrt. Bei europäischen Unternehmensanleihen war zuletzt aufgrund des deutlichen Anstiegs der Inflation sowie der geopolitischen Lage eine zunehmende Spread-Ausweitung zu verzeichnen. Das Auslaufen des EZB-Kaufprogramms könnte bei den Corporates zu einer weiteren Spread-Ausweitung führen. Bei einer Beruhigung der geopolitischen Lage und nicht weiter steigenden Teuerungsraten ist eine neuerliche Spread-Einengung möglich. Attraktiv auch Schwellenländerpapiere: „Allen voran China wegen einer relativ niedrigen Inflation sowie einer expansiven Geldpolitik“, sagt Gerlinger.
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