Aktuelle Markteinschätzung von Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ

 

Substanz- oder Wachstumswerte? Was medial oft zu einer Glaubensfrage gemacht wird, ist in Wirklichkeit keine. Wieso? Beide Bereiche haben durchaus ihre Berechtigung – es kommt allerdings immer auf das jeweilige Marktumfeld an. Bevor der Krieg in der Ukraine die Märkte erfasst hat, hatten Substanzwerte Aufwind. Über viele Jahre waren diese Repräsentanten der klassischen Industrie vernachlässigt worden und standen im Schatten vielversprechender Technologie-Unternehmen, die mehr Wachstum und eine gehörige Portion Zukunft versprachen.

Turbulente Märkte halten uns den Spiegel vor

Doch dann näherte sich die Zinswende. Wenn die Zinsen in absehbarer Zeit wieder steigen, verteuert das die Refinanzierung von Wachstumsunternehmen. Substanz, also Werte, die im Hier und Jetzt Geld verdienen, sind wieder gefragt – und zwar aus guten Gründen. So erzielen sogenannte Value-Unternehmen in der Regel nicht nur höhere Margen, sie weisen auch Gewinne auf. Die Abhängigkeit vom Kapitalmarkt ist bei vielen Substanzwerten, wie etwa aus den Bereichen Telekommunikation oder Energieversorgung, geringer. Folglich sorgte die Zinsfantasie, gepaart mit der jahrelangen Vernachlässigung von Substanztiteln, für deren Comeback.

Doch dann kam der schreckliche Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die Aussicht auf neuerliche Lieferschwierigkeiten rund um dringend benötigte Kabel für die Autoindustrie, höhere Energiepreise und andere Vorprodukte versetzte wiederum Substanzwerte, die schon heute handfeste Produkte oder Dienstleistungen erbringen, einen Dämpfer. Vereinzelt profitierten gar wieder Zukunftstitel. Doch welchen Sinn hat es, das Hin und Her zwischen Substanz- und Wachstumswerten mit zu verfolgen und nachträglich zu versuchen, die Gründe zu analysieren? Keinen!

Die aktuelle Marktphase zeigt klar, dass es bei Investments nicht um Glaubensfragen gehen soll, sondern darum, Titel zu identifizieren, die Stabilität und Wachstum versprechen. In manchen Marktphasen fallen eher Wachstumswerte in diese Kategorie, in anderen eher Substanztitel. Niemals jedoch verläuft die Trennlinie eindeutig. Das liegt unter anderem daran, dass es viele Unternehmen gibt, die mit Wachstum und Substanz gleichermaßen punkten. Beispiele sind etwa die großen IT-Unternehmen aus den USA oder auch Vertreter der klassischen Industrie, die sich gerade ein neues Geschäftsfeld rund um Themen wie Elektromobilität oder Wasserstoff aufbauen.

Diskussion Value vs. Growth: Vergessen Sie die Synthese nicht!

Statt sich über theoretische Fragen den Kopf zu zerbrechen, sollten Anleger je nach Marktlage Akzente setzen, ohne zu dogmatisch zu sein. Die Wahl von unterbewerteten Substanzwerten macht angesichts steigender Preise und einer nahenden Zinswende durchaus Sinn – sofern Geschäftsmodelle stimmen und auch mit Blick in die Zukunft robust sind. Man könnte auch von Substanz mit Zukunft sprechen. Im umgekehrten Fall können auch Wachstumsunternehmen, die langfristige Perspektive auf Gewinne aufweisen, Beachtung geschenkt werden. Man könnte auch von Wachstum mit Substanz sprechen. Wahrscheinlich bietet der Bereich, in dem sich Substanz und Wachstum überlappen, langfristig sogar die besten Chancen. Um diese Bereiche zu identifizieren, müssen Anleger die alte Glaubensfrage zwischen Growth und Value ergebnisoffen und keinesfalls polemisch diskutieren. Das Beste aus beiden Welten hat Anleger letztlich noch immer am meisten nach vorn gebracht. Zudem sollten in einem breit diversifizierten Depot nicht nur verschiedene Growth und Value-Titel enthalten sein. Andere Assetkassen wie Anleihen, Rohsotffe, Immobilien und Alternative Investments stellen neben der weiteren Streuung ebenfalls interessante Investitionsmöglichkeiten dar.

 

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