Zentralbanken hinkten Entwicklung hinterher – zu harte Maßnahmen können jedoch zu wirtschaftlichen Probleme führen
Die Märkte warten nicht. Sie sind der Fed quasi zuvorgekommen und haben strengere Finanzierungsbedingungen eingepreist, bevor die Zentralbank eine tatsächliche Anhebung vorgenommen hat. Dies zeigt sich an den Zinsmärkten, wo die Renditen für kurzfristige Anleihen in den letzten Monaten rapide angestiegen sind, die Hypothekenzinsen stark zugenommen haben und sich die Credit-Spreads aus Sorge um ein potenziell schwächeres Wachstum und geringere Liquidität ausgeweitet haben.
Die wichtigere Frage ist nun, ob der Markt das Ausmaß der Straffung richtig einschätzt. Die Märkte waren damals nach der Finanzkrise zu voreilig, wenn es darum ging, Zinserhöhungen einzupreisen. Dies erklärt, warum sie anfangs die These von der vorübergehenden Anhebung unterstützten. Doch in den letzten beiden Anhebungszyklen unterschätzte der Markt das Ausmaß der Zinserhöhungen zu Beginn. Da die Fed offenbar der Entwicklung hinterherhinkt, könnte sie versuchen, die Zeit aufzuholen. Der Markt betrachtet den Dot Plot vom Dezember bereits als veraltet und geht davon aus, dass die Fed den Leitzins Ende 2022 auf 1,5 % und Ende 2023 auf über 2 % anheben wird, prognostiziert aber, dass die Fed Ende 2024 ihren Kurs ändern und die Zinsen wieder senken wird.
Wo stehen wir also?
Wir gingen davon aus, dass die Inflation nur vorübergehend ansteigen würde. Gleichzeitig rechneten wir damit, dass die Inflation stärker als von der Fed prognostiziert steigen und beständiger bleiben würde. In Anbetracht verschiedener Faktoren passten wir unsere Einschätzung an. Es war klar, dass die steigenden Mietkosten zu einem weiterhin hohen Verbraucherpreisindex in den USA führen würden. Die Rohstoffpreise bleiben ungebrochen auf hohem Niveau, und der Konflikt in der Ukraine dürfte die hohen Energiepreise, die sich als wichtige Inputkosten auf die Kosten in anderen Wirtschaftsbereichen auswirken, weiter verteuern.
Obwohl der Konflikt die Risikoanlagen belasten dürfte, wird die Sorge um die hohe Inflation dominieren – auch wenn wir davon ausgehen, dass die Inflation in den nächsten Monaten ihren Höhepunkt erreichen wird. In nächster Zeit werden die Zentralbanken sehr darauf bedacht sein, dass man ihr Handeln wahrnimmt, daher ihr geldpolitischer Schwenk. Angesichts der hohen Inflation und der niedrigen Arbeitslosigkeit wäre es unseres Erachtens für die Glaubwürdigkeit der Fed zu riskant, wenn sie im März erneut umschwenkt und die Zinsen nicht anhebt. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Die Bank of England und die neuseeländische Zentralbank sind der Fed bei der Anhebung der Zinssätze in den Industrieländern bereits voraus. Die Schwellenländer sind sogar noch weiter. China ist hier die große Ausnahme. Das Land scheint eine Lockerung der Kreditbeschränkungen anzustreben, nachdem es im vergangenen Jahr zu einer starken Abschwächung der Immobilienmärkte gekommen war. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss weiterhin die Bedürfnisse von Volkswirtschaften in unterschiedlichen Konjunkturphasen ausgleichen. Während die Inflation in der gesamten Eurozone Anlass zur Sorge gibt, bedeuten die Entwicklungen in der Ukraine und die hohen Energiekosten in ganz Europa, dass die EZB zögern könnte, die Wirtschaft mit höheren Finanzierungskosten zu bestrafen. Daher könnten Zinserhöhungen für 2022 vom Tisch sein.
Die Inflation bleibt jedoch eine Belastung für die Wirtschaft, sodass wir einige Bedenken hinsichtlich der zukünftigen Stärke der Weltwirtschaft haben. Wir sind der Meinung, dass eine sinkende Inflation im Jahresverlauf 2022, wenn sich die Basiseffekte auswirken, zusammen mit den Anzeichen für eine Wachstumsabschwächung die Fed und andere dazu veranlassen könnte, von ihrer hawkishen Rhetorik abzurücken. Es würde uns nicht überraschen, wenn die Renditen für Staatsanleihen mit mittlerer Laufzeit im weiteren Jahresverlauf zurückgehen würden. Gerade im Vorfeld oder im Umfeld von rhetorischen Änderungen der Zentralbanken, und seien sie auch noch so gering, können aktive Anleger versuchen, Fehlbewertungen auszunutzen.
Auslöser einer Rezession?
Die Zentralbanken waren bestrebt, die Erholung von Corona zu nutzen, selbst wenn dies bedeutete, eine höhere Inflation in Kauf zu nehmen. Jetzt wird befürchtet, dass die Zentralbanken, nachdem sie der Entwicklung hinterhergelaufen sind und die Geldpolitik möglicherweise zu stark gelockert haben, Gefahr laufen, die Wirtschaft durch eine zu aggressive Straffung in eine Rezession zu stürzen. Es ist ein vorsichtiger Balanceakt, der durch die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Russland-Ukraine-Konflikt noch erschwert wird. Angesichts der nach wie vor vorherrschenden Inflationssorgen ist es derzeit schwer vorstellbar, dass der Konflikt die Zentralbanken der Industrieländer von einer Straffung der Geldpolitik abbringen könnte – sofern es nicht zu einer größeren Eskalation kommt. Wie das folgende Schaubild zeigt, gingen frühere Kombinationen von Inflation und höheren Zinsen in der Regel nicht gut aus, obwohl die Wirtschaft unter diesen Bedingungen über längere Zeiträume wachsen kann. Es wäre ungewöhnlich, so kurz nach einer vorangegangenen Rezession in eine weitere zu geraten, wenngleich die frühen 1980er Jahre die Ausnahme von der Regel darstellten.
Die Märkte sind nervös, dass die Fed zu stark an der Zinsschraube drehen wird. Die Abflachung der Renditekurve in den USA, wo die kurzfristigen Zinssätze steigen, die mittel- bis langfristigen Zinssätze jedoch relativ unbewegt bleiben oder sinken, deutet darauf hin, dass die Märkte nicht davon überzeugt sind, dass die Fed in der Lage sein wird, den Zinssatz in Richtung ihres langfristigen Gleichgewichts von 2,5 % zu erhöhen. Wir vermuten, dass der neutrale Zinssatz – d. h. der Zinssatz, der mit Vollbeschäftigung, Trendwachstum und stabilen Preisen vereinbar ist, d. h. weder akkommodierend noch restriktiv wirkt – unter 2,5 % liegt, nicht zuletzt wegen des höheren Schuldenstands im System.
Abflachung der Renditekurve – nicht überall
Es ist leicht, die Welt aus dem Blickwinkel der USA zu betrachten. Während sich die Renditekurve in den USA deutlich abgeflacht hat, ist die Renditekurve in Deutschland so steil wie seit drei Jahren nicht mehr. Dies spiegelt die Einschätzung wider, dass die EZB die Zinsen im Jahr 2022 kaum anheben wird. Die Straffung – oder geringere Lockerung – in der Eurozone soll zunächst durch die Beendigung der Programme zum Ankauf von Vermögenswerten erfolgen. Die Schwäche des Geldmengenwachstums könnte die EZB jedoch dazu veranlassen, die Reduzierung der quantitativen Lockerung zu verschieben.
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