Marktkommentar von Christian Bender, CEFA, Portfoliomanager bei der SIGNAL IDUNA Asset Management
Wenn wir in ein paar Jahren auf die vergangenen Wochen zurückblicken, werden wir vermutlich wissen, ob sie der Wendepunkt der sich über mehr als vierzehn Jahre hinziehenden Marktphase des „Whatever it takes!“ waren. Stand heute wissen wir nur, dass die Inflation in einem stärkeren Umfang präsent ist, als das die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank (FED) vorhergesehen und in ihre Zinspolitik einkalkuliert haben.
Reagiert haben die beiden über verbale Maßnahmen hinaus bislang nicht. Soll der US-Dollar auf Sicht der kommenden Monate stabil bleiben und so zumindest den importierten Teil der US-Inflation nicht weiter steigern, muss die FED die in Aussicht gestellten Zinsanhebungen umsetzen. Die Notenbanken einiger – zumindest wirtschaftlich – kleinerer Länder wie Großbritannien, Tschechien, Australien oder Brasilien haben hingegen bereits die Zinsen angehoben.
Der russische Einmarsch erhöht den Druck auf die EZB
Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ist für die EZB der Druck zu handeln nochmals gestiegen. Auf der einen Seite böte das vermutlich in der Folge sinkende Konsumentenvertrauen einen Anlass, bei der Liquiditätszufuhr nicht auf die Bremse zu treten. Andererseits würde ein in der Folge schwächelnder Euro den Einfluss steigender Energiepreise auf die hiesige Inflation verstärken.
Für die Akteure am Rentenmarkt ist die russische Aggression nach der Inflation ein weiterer Anlass, die Bewertungsniveaus, die sich in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten entwickelt haben, kritisch zu hinterfragen. Doch so lange die Notenbanken den Geldhahn nicht beginnen zuzudrehen, wird die Frage nicht ehrlich beantwortet werden.
Erinnerungen an die Jahrtausendwende werden wach
Ältere Marktteilnehmer könnte die Gemengelage aus Bewertungsverzerrungen, aufgeblähten Notenbankbilanzen und kriegerischem Konflikt an die Jahre 2000 bis 2002 erinnern. Sieht man in den aktuellen Ereignissen Vorboten einer möglicherweise ähnlichen Entwicklung, wird es in den kommenden Wochen darauf ankommen, verstärkt auf die Qualität des eigenen Portfolios zu achten.
Das schließt nicht aus, dass man weiterhin auch abseits der großen Währungsblöcke in Fremdwährungen erfolgreich unterwegs sein kann. Die eingangs erwähnten Währungen wie der brasilianische Real oder der Austral-Dollar sind attraktive Kandidaten. Doch während sich die Coupons in den Jahren zuvor durch den Einkauf von Kreditrisiken in höher verzinsten Währungen vermeintlich gefahrlos steigern ließen, ist die Bonität der jeweiligen Emittenten wieder ein verstärkt zu berücksichtigender Faktor. Denn steigende Einkaufspreise werden ihre Spuren in den Unternehmensbilanzen und damit mittelbar auch in den Staatshaushalten hinterlassen, was Anleihegläubiger über die allgemeinen Zinsänderungsrisiken hinaus aufmerken lassen sollte.
Mangelnde Krisenerfahrung macht Liquidität bedeutsamer
Mit der Bonität einhergehen sollte ein besonderer Fokus auf der Liquidierbarkeit der ins Auge gefassten Anleihen liegen. Zwar werden die Illiquiditätsprämien steigen und insofern eine Versuchung darstellen. Wer aber kein eigenes Geld investiert, sondern das Geld Dritter verwaltet, muss sich bewusst sein, dass außergewöhnliche Marktphasen auch die Nerven krisenerprobter Anleger strapazieren und damit dem Entzug der anvertrauten Mittel führen können.
Allerdings mussten sich Investoren in den vergangenen vierzehn Jahren glücklicherweise in kaum einer Krise erproben. Für jüngere Anleger wäre es demzufolge die erste. Entsprechend hoch könnten die Mittelabzüge ausfallen. Aber auch das werden wir in ein paar Jahren rückblickend besser beurteilen können.
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