Marktkommentar von Nico Baumbach, SIGNAL IDUNA Asset Management GmbH

 

Wem es im vergangenen Jahr noch an Weckrufen für ein Investment in Gold gemangelt hat, der sollte in den ersten Wochen des neuen Jahres fündig geworden sein – und das nicht mehr nur bei klassischen Indikatoren wie Inflation bzw. Realverzinsung, sondern leider auch auf der politischen Weltbühne.

Realverzinsung weiterhin auf dem Rückzug

Bereits seit April 2021 sind die Realverzinsungen beispielsweise in den USA, Deutschland und Japan – gemessen an der Differenz aus der Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe und dem Verbraucherpreisindex – aus ihren jeweiligen, bis dahin vergleichsweise stabilen Schwankungsbreiten ausgebrochen und haben sich mit kurzen Unterbrechungen immer weiter in den negativen Bereich vorgearbeitet.

Auch der in den vergangenen Wochen zu registrierende Anstieg der Anleiherenditen vermochte daran nichts zu ändern, da die Inflationsraten noch stärker zulegten. Insofern wurde der Goldpreis von den steigenden Zinsen nicht in Mitleidenschaft gezogen, sondern stieg seinerseits an. Daran werden auch die seitens der US-Notenbank (FED) für den weiteren Jahresverlauf avisierten Zinserhöhungen nichts ändern. Lediglich ein über den Markterwartungen liegender Anstieg des US-Dollar-Kurses könnte sich dämpfend auswirken. Per Saldo sollte keine Währungssicherung des eigenen Edelmetall-Investments notwendig sein.

Der Inflationstrend wird vermutlich anhalten, da zwar die von den Notenbanken gern zitierten Basiseffekte für die Januar-Werte eine leichte Entlastung mit sich gebracht haben, die Ursache des Preisanstiegs aber fortbesteht. Diese liegt – schulbuchmäßig – in der das Angebot übersteigenden Nachfrage. Dieser Nachfrageüberhang wird sich so schnell nicht auflösen. Auf der einen Seite leidet das Angebot einiger Produkte: In China ist das ein mittelbarer Effekt flächig verfügter Quarantänen. Im Energiebereich sind es bei den Anbietern fossiler Brennstoffe aktive Verknappungsstrategien. Auf der anderen Seite hält die durch niedrige Zinsen getriebene Investitionswelle die Nachfrage in vielen Sektoren, nicht zuletzt im Baubereich, hoch.

Die Inflation nährt die Inflation

Die Inflation selbst wird in den kommenden Wochen und Monaten ihr Übriges für die Nachfrage tun: Vor die Wahl gestellt, die eigene Kaufkraft dahinschmelzen zu sehen oder dann doch in eigentlich für aufschiebbar gehaltenen Konsum zu stecken, entscheiden sich Verbraucher zunehmend für Letzteres.

Die werden sich auch nicht durch die in Aussicht genommenen homöopathischen Zinsanhebungen der FED und schon gar nicht durch die Beschwichtigungen der Europäischen Zentralbank (EZB) beeinflussen lassen. Denn während Goethes Zauberlehrling zumindest erkannte, dass ihm der Geist, den er rief, infolge des vergessenen Zauberwortes außer Kontrolle geraten war, ist den Notenbanken das Zauberwort in Form von Zinsanhebungen und Liquiditätsverknappung durchaus präsent. Aber leider erweckt insbesondere der EZB-Rat den Eindruck, das unheilvolle Wirken des Geistes – vulgo: der Inflation – aus anderen Gründen nicht eindämmen zu können.

Die Alternative zum Konsum

In dieser Gemengelage wird auch die Nachfrage nach Gold steigen. Denn die Alternative zum Konsum ist die Kapitalanlage – zuvorderst in Sachwertanlagen, wozu neben Immobilien und Unternehmensbeteiligungen vor allem Edelmetalle zählen.

Für Gold sprechen dabei die Sentimentindikatoren und die Vermögensbewegungen. Während die Stimmung eher neutral ist – wie auch die Medien noch nicht zum Einstieg trommeln –, haben sich die Abflüsse in den großen ETCs stabilisiert.

Zusätzlich befördert werden könnte der Goldpreis im weiteren Jahresverlauf auf der Angebotsseite infolge der oben angesprochenen Preisentwicklung für fossile Brennstoffe. Denn Energie ist eine der wesentlichen Kostenpositionen eines jeden Minenbetreibers und wird deshalb tendenziell die Erschließung neuer bzw. die Ausbeutung bestehender Vorkommen abbremsen.

Geopolitik kann eine Preisexplosion verursachen

Vervollständigt wird dieses an sich schon perfekte Umfeld für Gold – leider – durch die geopolitische Großwetterlage. Der Aufmarsch offensiv einsetzbarer russischer Truppenkontingente entlang der ukrainischen Grenzen lässt einen militärischen Konflikt im Osten Europas täglich wahrscheinlicher werden. An der Börse jedoch ist der tatsächliche Ernstfall noch nicht eingepreist. Und insoweit ist das Läuten für einen Einstieg in das klassische Krisenmetall meines Erachtens nicht mehr zu überhören.

 

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