Die durch das Coronavirus ausgelösten wirtschaftlichen Verwerfungen sind immer noch spürbar.
Sie haben nicht nur die Kluft zwischen Industrie- und Schwellenländern vergrößert, sondern auch die Streuung innerhalb der Schwellenländer verbreitert. Lesen Sie im Folgenden einen Kommentar von Michael Wehrle, Evariste Verchere und Florence Birkett aus dem Investment Solutions-Team von BlueOrchard zu der Frage, weshalb das Umfeld in den kommenden Monaten zahlreiche Relative-Value-Chancen für aktive Portfoliomanager bieten sollte.
Breitere Streuung spricht für aktives Management
„Die durch das Coronavirus ausgelösten wirtschaftlichen Verwerfungen sind immer noch spürbar. Sie haben nicht nur die Kluft zwischen Industrie- und Schwellenländern vergrößert, sondern auch die Streuung innerhalb der Schwellenländer verbreitert“, sagt Michael Wehrle, Head of Investment Solutions bei BlueOrchard. „Unserer Ansicht nach hat die expansive Geldpolitik der vergangenen zwei Jahre die Märkte mit Liquidität überflutet und Unterschiede zwischen Marktsegmenten verringert. Angesichts der hohen Liquidität bestand für Kreditgeber ein Anreiz, Kreditnehmer aus dem gesamten Qualitätsspektrum zu unterstützen – und damit auch schwächeren Kreditnehmern Finanzierungen zu gewähren. Unserer Ansicht nach hat dieser Prozess die Kluft zwischen den unterschiedlichen Profilen der Kreditnehmer tendenziell verringert. Eine straffere Geldpolitik (auf Englisch: Tapering) dürfte jedoch den gegenteiligen Effekt haben, da es die im System verfügbare Liquidität wohl verringern wird. Infolgedessen erwarten wir für das kommende Jahr eine breitere Streuung zwischen den Emittenten, die sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen sollte.
Das Tempo des Impffortschritts ist in den einzelnen Schwellenländern unterschiedlich hoch. Klar ist, dass die Erholung der Weltwirtschaft in hohem Maße von der Geschwindigkeit abhängt, mit der Regierungen ihre Bevölkerung impfen können. Darüber hinaus hat das Exportvolumen 2021 Exportländern und insbesondere Rohstoffexporteuren enorme Vorteile gebracht. Kolumbien als rohstoffexportierendes Land hat beispielsweise in einer Zeit Zugang zum US-Dollar erhalten, als diese Währung stark war. Demgegenüber waren Länder mit einer eher dienstleistungsorientierten Wirtschaft, die stark vom Tourismus abhängig sind, im Laufe des vergangenen Jahres eher benachteiligt. Das ist zum einen auf die verhaltene Tourismusaktivität zurückzuführen, die das Wachstum belastete, und zum anderen auf den begrenzten Zugang zu US-Dollars. Problematisch ist weiterhin, dass Schwellenländer mit einer schwächeren wirtschaftlichen Ausgangslage ihre Geld- und Finanzpolitik bereits jetzt straffen, obwohl sich ihre Wirtschaft noch nicht vollständig von dem durch die Corona-Krise verursachten Abschwung erholt hat. Hinzu kommt, dass die politische Agenda vor
allem in Lateinamerika auch in den kommenden Monaten für Volatilität und Unsicherheit sorgen dürfte. Wir erwarten daher, dass sich die Streuung innerhalb der Schwellenländer in diesem Jahr verbreitern wird. In einem solchen Umfeld sind wir der Meinung, dass ein selektiver Ansatz und aktives Handeln 2022 entscheidend sein werden, um Mehrerträge gegenüber der breiten Marktrendite (Alpha) zu erzielen.“
Fremdfinanzierte Unternehmen am stärksten durch höhere US-Zinsen gefährdet
Florence Birkett, Portfoliomanagerin bei BlueOrchard, fügt hinzu: „Eine der großen Herausforderungen für Schwellenländermärkte wird 2022 wahrscheinlich der Straffungszyklus der US-Notenbank Fed sein. Für Emittenten, die einen Teil ihrer Schulden in US-Dollar finanzieren, dürften die Refinanzierungskosten steigen. Länder und Unternehmen, deren Schulden nicht auf US-Dollar lauten, dürften ebenfalls leiden. Denn höhere US-Zinsen werden vermutlich auch die Zinssätze in Schwellenländern nach oben treiben.
Der derzeitige Straffungszyklus in den USA unterscheidet sich jedoch drastisch von dem sogenannten Taper Tantrum 2013. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Schwellenländer in diesen Zyklus mit wesentlich solideren Fundamentaldaten gehen als vor fast einem Jahrzehnt. Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad und einer starken Abhängigkeit von Großkrediten dürften zwangsläufig am meisten von höheren Zinssätzen betroffen sein. Wir glauben daher, dass es im kommenden Jahr entscheidend sein wird, sich auf Emittenten mit angemessener Bonität zu konzentrieren.
In Industrieländern hängen die High-Yield-Ratings (Non-Investment Grade Rating) der Emittenten von Hochzinsanleihen in der Regel mit der hohen Verschuldung der Unternehmen zusammen. In Schwellenländern muss dies unserer Meinung nach jedoch nicht unbedingt der Fall sein. Unserer Ansicht nach gibt es viele Gründe, die dazu führen können, dass Unternehmen in Schwellenländern ein High-Yield-Rating erhalten – auch unbeachtet des Kreditprofils des Unternehmens. Sitzt beispielsweise ein Unternehmen mit solidem Kreditprofil in einem Land mit Hochzins-Rating, ist das Rating dieses Unternehmen sehr oft durch das Rating seines Heimatlandes eingeschränkt. Ein Beispiel dafür ist die IHS Holding, ein Betreiber von Sendemasten mit High-Yield-Rating, der in mehreren Schwellenländern tätig ist. Trotz guter Fundamentaldaten wird das Unternehmen durch Nigerias Rating von B- negativ beeinträchtigt und hat nur ein Rating von B+.
Unserer Ansicht nach werden sich 2022 attraktive Chancen in Schwellenländern bieten. Aktive Portfoliomanager werden in ausgewählte Hochzinsanleihen investieren und gleichzeitig ihr Engagement in Emittenten mit hohem Fremdkapitalanteil begrenzen können, die durch den US-Zinsstraffungszyklus besonderen Risiken ausgesetzt sein dürften. Schließlich sind wir der Meinung, dass ein Portfolio aus verschiedenen Anleihen, die idiosynkratische, unkorrelierte Risiken aufweisen, eine bessere Diversifizierung und attraktivere risikobereinigte Renditen bietet als ein Portfolio, das sich stark auf einige wenige Emittenten mit hohem Fremdkapitalanteil konzentriert.“
Festverzinsliche Wertpapiere wieder als Diversifizierungsinstrument eingesetzt
„Während der Corona-Krise bauten viele Zentralbanken weltweit auf eine expansive Geldpolitik, um ihre Volkswirtschaften zu stützen“, sagt Evariste Verchere, Portfoliomanager und Head of Public Debt bei BlueOrchard. „Dadurch sanken die Renditen festverzinslicher Wertpapiere, so wie beabsichtigt. In den vergangenen Jahrzehnten kamen Anleihen in Multi Asset-Portfolios als Instrumente zur Risikostreuung zum Einsatz. Dahinter stand die Überlegung, dass Anleihen und Aktien tendenziell negativ korreliert sind, ihre Kurse sich also in der Regel in entgegengesetzte Richtungen bewegen. 2020 sanken die Renditen für Anleihen jedoch so stark, dass diese ihre Diversifizierungsfunktion nicht mehr erfüllen konnten. Mit anderen Worten: Der Spielraum für weiter fallende Anleiherenditen, um eine Abwärtsbewegung der Aktienkurse auszugleichen, war begrenzt. Im Dezember 2021 sahen wir uns jedoch mit einem drastisch anderen Umfeld konfrontiert. Denn die US-Notenbank begann, ihr Anleihekaufprogramm zu drosseln, und die Märkte preisten für 2022 mehrere Zinserhöhungen ein. Anfänglich dürfte ein Anstieg der Renditen die Anleihekurse belasten. Durationsmanagement wird für den Schutz von Anleiheportfolios besonders wichtig sein. Wir sind jedoch der Ansicht, dass höhere Gesamtzinsen bei festverzinslichen Wertpapieren die Anlageklasse auf lange Sicht wieder als Diversifizierungsinstrument etablieren sollten.
Unserer Ansicht nach wird das Umfeld in den nächsten zwölf Monaten zahlreiche Relative-Value-Chancen für aktive Portfoliomanager bieten. Anleger werden vor allem dazu angehalten sein, noch stärker zwischen den Emittenten zu differenzieren. Die Fähigkeit, in ausgewählte Emittenten zu investieren und die Duration aktiv zu steuern, wird zentral sein, um 2022 solide, risikobereinigte Renditen zu erzielen.“
Über BlueOrchard
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