An der Konjunkturfront sind dunkle Wolken aufgezogen:
Das Wirtschaftswachstum lässt deutlich nach. Gleichzeitig klettern die Preise rasant. Schon wird vor „Stagflation“ gewarnt, also vor Stagnation + Inflation. Doch zur Panik besteht kein Anlass. „Die Kräfte, die derzeit die Preise treiben und die Konjunktur dämpfen, dürften schon bald nachlassen“, sagt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM. Einer Jahresendrallye steht nichts im Wege.
Die Märkte zeigen sich bislang recht robust, trotz einiger bekannter Probleme wie der Debatte um das US-Schuldenlimit, den Zahlungsausfällen des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande und der anziehenden Inflationsraten. Das ist kaum überraschend. Schließlich steht die US-Regierung trotz des Schulden-Streits nicht vor der Pleite. Niemand zweifelt daran, dass Peking Evergrande retten könnte, wenn es will. Und auch die Inflation ist weniger bedrohlich, als sie scheint.
Zunächst wirken die jüngsten Zahlen beunruhigend: Im Oktober hat die Inflationsrate in Deutschland 4,5% erreicht, in der Euro-Zone waren es 4,1%. Maßgeblich war allerdings die starke Verteuerung für Energieprodukte. Dazu kamen die Lieferengpässe: Knappheit an Rohstoffen und Vorprodukten lassen die Preise schneller klettern. Die teure Energie dürfte die Inflationsrate im November abermals erhöhen.
Lieferengpässe und Rohstoffknappheit belasten derzeit auch das Wirtschaftswachstum. Nachholeffekte beim Konsum ermöglichten im 3. Quartal 2021 der deutschen Wirtschaft noch ein Plus von 1,8%, die Euro-Zone schaffte sogar 2,2%. Für das 4. Quartal sieht es jedoch nicht so gut aus, zumal die anrollende Herbst-Corona-Welle die Konjunktur zusätzlich bremsen dürfte. Mit den Stimmungsindikatoren ging es daher zuletzt abwärts. Das Gespenst der „Stagflation“ geht um.
Es dürfte bald jedoch wieder verschwinden. In Deutschland wie in der Euro-Zone erreicht die Inflationsrate gegen Jahresende wohl ihren Höhepunkt. „Mit der Normalisierung der Konjunktur erholt sich die Angebotsseite“, erklärt Gerlinger, „Knappheit und Engpässe werden schrittweise überwunden.“ Im Verlauf des kommenden Jahres wird die Inflationsrate daher sinken, auch weil der Ölpreis seinen Höhenflug beenden dürfte. Zudem entfallen einige Sondereffekte wie die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland. Zentrales Risiko wäre eine Lohn-Preis-Spirale im Zuge deutlicher Lohnerhöhungen. Doch danach sieht es an den Arbeitsmärkten derzeit nicht aus. Laut Survey of Professional Forecasters der EZB wird derzeit für 2022 eine Inflationsrate von 1,9% erwartet, für 2023 sind es nur noch 1,7%.
Löst sich der Material- und Lieferstau auf, drückt dies nicht nur auf die Preisentwicklung, sondern stärkt auch die Konjunktur – insbesondere in Deutschland, wo die Unternehmen auf prall gefüllten Auftragsbüchern sitzen. Nach einem schwachen Schlussquartal 2021 dürfte die Industrieproduktion in Kombination mit einem starken Konsum für höhere Wachstumsraten im Verlauf des kommenden Jahres sorgen. Auch in den USA ist derzeit nicht mit einem Ende des Aufschwungs zu rechnen, weswegen die US-Zentralbank die geldpolitischen Zügel bald anziehen wird.
Im Endeffekt dürften wir derzeit also keine langanhaltende Stagflationsphase erleben, sondern lediglich eine Delle im Aufschwung, die ihre Ursachen im Post-Corona-Boom hat. „Eine Jahresend-Rallye an den Märkten ist daher nicht ausgeschlossen“, so Gerlinger.
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