von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Rechtsanwalt (Of Counsel, Sitz in Berlin)

 

Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 20.01.2021 sollen in Zukunft – erstmals im deutschen Recht- Verbraucher*innen unlauter handelnde Unternehmen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können (§9 Abs. 2 UWG – E). Dies könnte für Versicherer und Vermittler zu völlig neuen Fragen führen, jedenfalls dann, wenn man den Verstoß gegen die Wohlverhaltensregeln des am 23.02.2018 inkraft getreten §1 a VVG zugleich als unlautere geschäftliche Handlung i.S.d. neuen UWG einordnet. Dann nämlich hätten die VN bei Verstoß gegen §1 a VVG einen Schadensersatzanspruch, der zum Beispiel zur Rückgängigmachung des Vertrages führen könnte oder auch zum Ausgleich des durch Fehlberatung oder fehlerhafte Schadensbearbeitung entstandenen finanziellen Nachteils. Da das novellierte UWG in Kürze in Kraft treten wird, soll hier die Frage untersucht werden, welche Auswirkungen der neue Schadensersatzanspruch auf die Haftung von Versicherern und Vermittlern im Rahmen des §1 a VVG haben könnte.

 

  1. DIE VERTRIEBSTÄTIGKEIT DER VERSICHERER NACH § 1 A VVG

1 a VVG wurde mit Wirkung 23.02.2018 durch das IDD-Umsetzungsgesetz eingeführt.[1] Die Norm setzt Art. 17 Abs. 1 IDD um. Dort sind Versicherungsvertreiber verpflichtet, stets ehrlich, redlich und professionell zu handeln. Die gleichen Grundsätze gelten für Versicherungsvermittler (§ 59 Abs. 1 VVG). Der Richtlinie folgend werden, so heißt es in der deutschen Gesetzesbegründung, die unbestimmten Rechtsbegriffe „ehrlich“, „redlich“ und „professionell“ verwendet.[2] Mit dieser Regelung, so heißt es weiter, ist allenfalls eine geringfügige Änderung des deutschen Rechts verbunden. Bereits nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die das deutsche Zivilrecht beherrschen, muss in vertraglichen Beziehungen weitgehend entsprechend gehandelt werden, auch wenn möglicherweise keine völlige Deckungsgleichheit zwischen den Grundsätzen, die auf der Basis des § 242 BGB entwickelt worden sind, und der Regelung des Art. 17 Abs. 1 IDD besteht.[3]

Berücksichtige man ferner, dass nach §§ 6 Abs.1, 61 Abs.1 VVG die Verpflichtung bestehe, dass die Wünsche und Bedürfnisse des VN zu erfragen sind und ein darauf abgestimmter Rat zu erteilen sei, lasse sich sagen, dass auch jetzt schon ehrlich, redlich und professionell beraten werden müsse. Eine nicht ehrliche, unprofessionelle und unredliche Beratung wäre mit den Vorgaben des geltenden VVG kaum vereinbar, sie könnte zu Schadensersatzansprüchen nach § 6 Abs. 5 VVG (und nach § 63 VVG für die Vermittler) führen. [4] Darüber hinaus muss nach § 1 a Abs. 1 VVG die Vertriebstätigkeit gegenüber den VN in deren bestmöglichem Interesse erfolgen. Damit greift der deutsche Gesetzgeber einen Gedanken aus dem Erwägungsgrund 46 der Richtlinie (EU) 2016/97 auf.[5]

Ferner müssen alle Informationen im Zusammenhang mit der Vertriebstätigkeit einschließlich Werbemitteilungen, die der VR an den VN richtet, redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Damit wird Art. 17 Abs. 2 IDD umgesetzt, der für den Versicherungsvertrieb Sonderregelungen über unlautere Geschäftspraktiken vorsieht.[6] Die Rechtsfolgen bei der Verletzung von Pflichten aus § 1 a VVG ergeben sich bei fehlerhaften Beratungsverhältnissen aus § 6 Abs. 5 VVG oder bei fehlerhafter Schadensbearbeitung aus § 280 Abs. 1 BGB[7]. Daneben können sich Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs.2 BGB ergeben, da § 1 a VVG ausdrücklich zum Schutz der Verbraucher in der EU eingeführt wurde, um Versicherte vor Schäden zu bewahren. Damit hat das Gesetz das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und den Kreis der geschützten Personen hinreichend bestimmt.[8]

Darüber hinaus wird in der Literatur angenommen, dass es sich bei § 1 a VVG um eine Marktverhaltensregel, im Sinne von § 3 a UWG handelt.[9] Für die Einordnung von § 1 a VVG, als Marktverhaltensregel spreche die inhaltliche Nähe zu den §§ 6, 61 VVG, die ihrerseits unter § 3 a UWG fallen.[10] Verstöße gegen Marktverhaltensregeln lösen Beseitigungs-, Unterlassungs-, und Schadensersatzansprüche der Mitbewerber nach §§ 8, 9 UWG aus.

 

  1. DAS ZUKÜNFTIGE SCHUTZKONZEPT DES UWG

Daneben schützt das UWG ausdrücklich Verbraucher vor unlauteren Handlungen, die nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen (§ 3 Abs. 2 UWG). Die unternehmerische Sorgfalt ist in § 2 Nr. 7 UWG definiert. Gemeint ist der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält.

Haben Unternehmen die ihnen auferlegte unternehmerische Sorgfalt in der Vergangenheit verletzt, so blieb ihr Verhalten im Verhältnis zu den Verbrauchern sanktionslos. Das UWG wies nämlich den Verbrauchern keine eigenständigen Beseitigungs-, Unterlassungs-, oder Schadensersatzansprüche zu. Dies soll sich in Zukunft, in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 vom 27.11.2019 grundlegend ändern. Verbraucherinnen und Verbrauchern soll der Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen eröffnet werden.[11]

Dies bedeutet, dass man in Zukunft wird fragen müssen, ob Verstöße gegen § 1 a VVG zugleich Verstöße gegen § 3 UWG sind mit der Folge, dass die Verbraucher nach § 9 Abs. 2 UWG n.F. Schadensersatz verlangen können.

 

III. DAS NEUE SCHADENSERSATZKONZEPT DES UWG FÜR VERBRAUCHER*INNEN

Der neue § 9 Abs. 2 UWG – E setzt Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie (EU) 2019/2161 um. Dort heißt es in Art. 11 a:

„Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, haben Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens, sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrages. Die Mitgliedstaaten können die Voraussetzungen für die Anwendung und die Folgen der Rechtsbehelfe festlegen. Die Mitgliedstaaten können gegebenenfalls die Schwere und Art der unlauteren Geschäftspraktiken, den dem Verbraucher entstandenen Schaden, sowie weitere relevante Umstände berücksichtigen“.

Die Vorgaben der Richtlinie setzt der deutsche Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 UWG-E wie folgt um:

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, ist den Verbrauchern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3 a , 4 und 6“.

Dies bedeutet, dass Verbrauchern in Zukunft zwar bei unlauteren geschäftlichen Handlungen ein Schadensersatzanspruch eingeräumt wird. Sie sollen aber keinen Schadenersatzanspruch haben, wenn etwa ein Versicherer gegen eine Marktverhaltensregelung, zum Beispiel § 61 VVG oder § 1 a VVG verstößt. Ob dies mit Art. 11 a UGP-RL vereinbar ist, erscheint zweifelhaft, denn Verbraucher*innen sind Marktteilnehmer. Zu ihrem Schutz wurden Marktverhaltensregelungen, wie etwa §§ 61, 1 a VVG geschaffen.[12] Wenn Verbraucher*innen bei einem Verstoß gegen sie schützende Marktverhaltensregelungen keinen angemessenen und wirksamen Rechtsbehelf haben, dürfte die Vorgabe der Richtlinien nicht hinreichend umgesetzt sein. Dem wird man kaum entgegenhalten können, dass Verbraucher*innen bei geschäftlichen Handlungen, die nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen, in Zukunft einen Schadensersatzanspruch haben werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zuwiderhandlungen gegen eine Marktverhaltensregel (§ 3 a UWG) nicht in jedem Falle die tatbestandlichen Voraussetzungen der Unlauterkeit nach § 3 Abs. 2 i.V.m § 2 Nr. 7 UWG erfüllen. Nur dann, wenn dies der Fall ist, haben Verbraucher*innen in Zukunft einen eigenständigen Schadensersatzanspruch.

Der deutsche Gesetzgeber gewährt den Verbraucher*innen – wie erwähnt – zwar einen Schadensersatzanspruch. Den Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung nach § 8 UWG erstreckt er hingegen nicht auf die Verbraucher*innen. Ob dies zu Schutzlücken führen kann, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls ist die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht von dem Bestreben gekennzeichnet, die in der Literatur seit Jahrzehnten immer wieder geforderte Anspruchsberechtigung für Verbraucher*innen im geringstmöglichen Maße im deutschen Recht umzusetzen. immerhin geht der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass: „für jeden Verstoß gegen die Richtlinie ein individueller Anspruch der Verbraucher*innen auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens vorgesehen sein muss“. Im Übrigen können, so heißt es in der Gesetzesbegründung, die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen, Anwendungen und die Rechtsfolgen der Ansprüche frei bestimmen, solange die eingeräumten Ansprüche und Rechte die Verbraucher*innen wirksam schützen.

Außerdem, so betont die Begründung, besteht für Verbraucher*innen aus dem bürgerlichen Recht bereits ein weitgehender, aber aus Sicht der Richtlinie nicht lückenloser Schutz. Insbesondere sei bisher nicht hinreichend sichergestellt, dass Verbraucher*innen gegen unlauter handelnde Unternehmen einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn zwischen ihnen kein Vertragsverhältnis entstanden ist. Der Gesetzgeber verweist auf Anlockfälle, also Irreführungen über die Verfügbarkeit einer als besonders günstig beworbenen Ware.

Fragen dieser Art können sich aber auch nach § 1 a VVG, stellen, etwa wenn es um die Beratung oder die Vorbereitung von Versicherungsverträgen oder um Werbemitteilungen geht. In diesen Fällen wäre es für die Verbraucher*innen hilfreich, wenn der Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflichten des § 1 a VVG als solcher bereits einen Schadensersatzanspruch auslösen würde, sodass im Einzelfall nicht mehr zu überprüfen wäre, ob die Verletzung des § 1 a VVG zugleich gegen die unternehmerische Sorgfalt im Sinne der §§ 3 Abs. 2; 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG verstieß.

Immerhin weist die Gesetzesbegründung ausdrücklich daraufhin, dass die Verbraucher*innen in Zukunft auch bei aggressiven geschäftlichen Handlungen nach § 4 a UWG einen eigenständigen Schadensersatzanspruch nach den UWG haben, weil der Schutz durch das BGB nicht lückenlos sei.[13] Der neue Schadensersatzanspruch umfasst nicht nur unlautere geschäftliche Handlungen, die vom Vertragspartner, sondern auch von Dritten ausgehen. So haben Verbraucher*innen bei schuldhafter, irreführender Werbung nunmehr einen Anspruch auf Ersatz des durch die schuldhaft irreführende Werbeäußerung entstandenen Schadens[14].Dieser Schadensersatzanspruch steht in freier Anspruchskonkurrenz zu den bereits bestehenden Ansprüchen des bürgerlichen Rechts. Dies bedeutet, die Verbraucher*innen können bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen frei entscheiden, ob sie gegen den Schädiger den Schadensersatzanspruch aus § 9 Abs. 2 UWG-E oder einen ebenfalls bestehenden Gewährleistungs-, oder außervertraglichen Haftungsanspruch geltend machen.[15] Diese Ergänzung des UWG soll, so heißt es weiter, nichts daran ändern, dass die Vorschriften des UWG mit Ausnahme der Strafnorm des § 16 UWG grundsätzlich keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, wie es auch bisherigem Verständnis entspricht.[16] Der Anspruch, so heißt es in der Gesetzesbegründung weiter, richtet sich regelmäßig nur auf das negative Interesse. Dies bedeutet, dass Verbraucher*innen vom Schädiger so zu stellen sind, als wäre die unlautere geschäftliche Handlung nicht vorgenommen worden.[17] Ob diese Einschränkung einen angemessenen und wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 11 a UGP-RL darstellt, insbesondere bei Verstößen gegen § 1 a VVG, wird die Diskussion in der Zukunft erst noch zeigen. Jedenfalls wären Verträge, bei Wegfall der unlauteren geschäftlichen Handlungen in aller Regel nicht geschlossen worden, d. h. das negative Interesse umfasst auch den Anspruch auf Naturalersatz (Aufhebung des Vertrages).

Nicht ganz unwichtig ist, dass im Anhang zu § 3 Abs.3 UWG bestimmte geschäftliche Handlungen als stets unzulässig eingeordnet werden.

Dazu gehört auch die Verhinderung der Durchsetzung vertraglicher Rechte im Versicherungsverhältnis (Nr. 31). Danach handelt ein Versicherer unzulässig, wenn er zum Nachweis des Anspruchs des VN die Vorlage von Unterlagen verlangt, die nicht erforderlich sind. Das Gleiche gilt, wenn er systematisch Schreiben zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs nicht beantwortet. In diesen Fällen, die bisher im bürgerlichen Recht unter dem Stichwort strategisch-systematische Verzögerung der Schadensregulierung diskutiert wurden[18], sorgt der Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG-E nunmehr für eine klare Rechtslage, die allerdings die Frage aufwirft, warum die Verbraucher*innen sich mit dem negativen Interesse begnügen müssen. Es gibt keinen erkennbaren Sachgrund dafür, den Schädiger in diesen Fällen vom Ersatz des positiven Interesses, zum Beispiel des entgangenen Gewinns, weil das Schmerzensgeld am Kapitalmarkt nicht angelegt werden konnte, zu entlasten.

Die Begrenzung des Schadenersatzanspruchs auf das negative Interesse ist in Art. 11 a UGP-RL nicht enthalten. Der neue § 9 Abs. 2 UWG sollte richtlinienkonform dahin interpretiert werden, dass auch das positive Interesse umfasst ist. Nur auf diese Weise wird für den von der Richtlinie geforderten angemessenen und wirksamen Rechtsbehelf gesorgt.

 

  1. DAS VERHÄLTNIS VON § 1 A VVG ZUR UNTERNEHMERISCHEN SORGFALT DES § 2 ABS. 1 NR. UWG

Im Folgenden soll es um die Frage gehen, ob ein Verstoß gegen die Wohlverhaltensregelungen in § 1 a VVG immer zugleich auch die unternehmerische Sorgfalt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG verletzt mit der Folge, dass in diesen Fällen die Verbraucher*innen in Zukunft einen Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG-E haben.

Die unternehmerische Sorgfalt nach § 2 Abs. 7 UWG meint ein Verhalten des Unternehmers gegenüber Verbrauchern in seinem Tätigkeitsbereich „nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten“. Das entspricht nahezu dem Wortlaut von Art. 2 h UGP-RL. Dort ist von beruflicher Sorgfalt die Rede unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten und /oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich. Auf diese Weise sind einheitliche Beurteilungsmaßstäbe innerhalb der EU für das Verhalten von Unternehmern gegenüber Verbrauchern seit 2008 entstanden.[19] Dies bedeutet § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ist richtlinienkonform am Maßstab des Art. 2 h UGP-RL auszulegen.[20] Die Formulierung im deutschen UWG entspricht im Großen und Ganzen den Vorgaben des Art. 2 h UGP-RL, die auf das Handeln „gemäß dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben/oder den anständigen Marktgepflogenheiten“ abstellt. Auf diese Weise wird klargestellt, dass es nicht auf Marktgepflogenheiten im Sinne einer Branchenüblichkeit, sondern auf rechtlich anerkennenswerte oder missbräuchliche Gepflogenheiten ankommt.[21] Letztlich kommt es auf die tatsächlichen Marktgepflogenheiten und darauf an, dass diese dem kaufmännischen Anstand endsprechen.[22] Lassen sich anständige Marktgepflogenheiten nicht ermitteln, wie etwa bei neuen Absatzstrategien, so kommt es allein auf den Grundsatz von Treu und Glauben an.[23]

Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die Wohlverhaltensregeln der Versicherer und Vermittler bei der Vertriebstätigkeit nach §1 a VVG. Diese Norm ist am 23.02.2018 in Kraft getreten und diente der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97[24]. Der Norm geht es darum, das Vertrauen der Kunden zu stärken und die Verbraucher in der Europäischen Union einheitlich besser zu schützen als zuvor.[25] Der Versicherer muss bei seiner Vertriebstätigkeit, ebenso wie der Vermittler, gegenüber VN stets ehrlich, redlich und professionell in derer bestmöglichem Interesse handeln. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe entsprechen, so heißt es in der Gesetzesbegründung, weitgehend den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB)[26]. Damit sei „allenfalls eine geringfügige Änderung des deutschen Rechts“ verbunden. Bereits nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die das deutsche Zivilrecht beherrschen, muss in vertraglichen Beziehungen weitgehend entsprechend gehandelt werden.[27]

Dies bedeutet, der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 1 a VVG davon aus, dass die anständigen Marktgepflogenheiten bei Anbahnung und Abschluss von Versicherungsverträgen durch die Grundsätze von Treu und Glauben, auch schon vor dem 23.02.2018, geprägt waren. Das heißt auch, vor diesem Zeitpunkt mussten die Unternehmen ehrlich, redlich, professionell und im bestmöglichen Interesse der VN handeln. Dies bedeutet, der Gesetzgeber ging und geht davon aus, dass § 1 a VVG die anständigen Marktgepflogenheiten für nationale Versicherer und Vermittler abbildete und auch heute abbildet. Diese Annahme entspricht zugleich den Vorgaben der europäischen Vermittlerrichtlinie (IDD). Daraus wiederrum folgt, dass § 1 a VVG letztlich den Begriff der unternehmerischen Sorgfalt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. UWG konkretisiert. Ein VU/Vermittler handelt in diesem Sinne sorgfältig, wenn die Vertriebstätigkeit ehrlich, redlich, professionell und im bestmöglichen Interesse der VN ausgeübt wird. Dabei gehören zur Vertriebstätigkeit die Beratung, die Vorbereitung und der Abschluss von Versicherungsverträgen sowie die Mitwirkung bei Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadensfall. Außerdem gebietet es die unternehmerische Sorgfalt, Werbemitteilungen, die der Versicherer an VN oder potentielle VN richtet, redlich und eindeutig so zu gestalten, dass sie nicht irreführend sind (§ 1 a Abs. 3 VVG).

Nach alledem kann festgehalten werden, dass § 1 a VVG die Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt der Versicherer/Vermittler im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG konkretisiert. Wird mit anderen Worten die unternehmerische Sorgfalt durch Verstoß gegen § 1 a VVG verletzt, so ist dies nach § 3 Abs. 2 UWG unlauter und nach §3 Abs. 1 UWG zugleich unzulässig. Infolgedessen haben Verbraucher in Zukunft immer dann einen Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG-E, wenn ein Versicherer/Vermittler seine Wohlverhaltenspflichten nach § 1 a VVG verletzt, da diese Verletzung zugleich die nach dem UWG geschuldete unternehmerische Sorgfalt gegenüber den VN verletzt. Anders formuliert, der Begriff der unternehmerischen Sorgfalt in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ist mit den Anforderungen an die Wohlverhaltensregeln des § 1 a VVG deckungsgleich.

Ausgehend von diesem Befund, werden Verbraucher*innen nach Inkrafttreten des § 9 Abs. 2 UWG-E immer dann einen individuellen Anspruch auf Schadensersatz gegen Versicherer/Vermittler haben, wenn ihnen gegenüber nicht ehrlich, nicht redlich, nicht professionell und/oder nicht im bestmöglichen Interesse gehandelt wurde. In diesen Fällen ist nicht nur eine Marktverhaltensregel (§ 3 a UWG) verletzt, sondern das Verhalten ist, weil es die unternehmerische Sorgfalt verletzt, zugleich unlauter und damit unzulässig. Praktische Bedeutung kann diese Erkenntnis dann gewinnen, wenn es sich um Verhaltensweisen von Versicherern/Vermittlern handelt, die möglichweise im Vorfeld der Anbahnung von Verträgen oder auch im Rahmen der Schadensregulierung geschuldet wurden. Dies würde in diesen Fällen zu einer Anspruchskonkurenz zwischen §§ 311 , 280 BGB und § 9 Abs. 2 UWG-E führen.

 

  1. ANWENDUNGSBEISPIEL BAYRISCHE LÖSUNG

Mit Blick auf die Fragen, die unter dem Stichwort Bayrische Lösung diskutiert werden, würde dies dazu führen, dass das Verhalten der beteiligten Versicherer zugleich im Sinne des UWG unlauter war und zu einem Schadenersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG-E führen würde. Bei der Bayrischen Lösung geht es um einen Vergleich, den Versicherer ihren VN, die über eine Betriebsschließungsversicherung verfügten, im ersten Lockdown (April/Mai 2020) anboten. Die Versicherer hatten die Bayrische Lösung im Vorfeld mit der Bayrischen Staatsregierung, dem DEHOGA-Verband Bayern, der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e. V., dem GDV sowie der Versicherungskammer Bayern, der Allianz und der Haftpflichtkasse VVaG verhandelt und in einer Presseerklärung vom 03.04.2020 veröffentlicht. Den Kunden, die über eine Betriebsschließungsversicherung verfügten, wurde mittgeteilt, dass gemäß den Versicherungsbedingungen kein Versicherungsschutz bestehe. Man habe unter Einbeziehung staatlicher Stellen und deren Interessenverbänden sowie dem GDV zahlreiche Gespräche geführt und eine gemeinsame Lösung gefunden. Als Lösung boten die Versicherer 15 % der vereinbarten Tagesentschädigung für die Dauer der versicherten Schließungszeit (maximal für 30 Tage) an. Alle betroffenen VN sollten gleich behandelt werden, d. h. Nachverhandlungen im Einzelfall wurden ausgeschlossen. Die Annahme dieses Angebotes wurde auf spätestens drei Wochen nach Zugang des Angebotes befristet. Die Abfindungserklärungen lauteten, dass alle Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit dem Corona-Virus abschließend erledigt sind. Dies galt auch für etwaige zukünftige Entwicklungen im direkten oder indirekten Zusammenhang mit dem Corona-Virus.

Mit diesem Angebot erweckten die Versicherer den Eindruck, dass Einbußen für die VN über die Betriebsschließungsversicherung nicht versichert waren. Es entstand der Eindruck als stünde diese Erkenntnis quasi objektiv fest. Um diesen Eindruck zu unterstreichen wiesen die Versicherer darauf hin, dass zahlreiche Gespräche unter Einbeziehung staatlicher Stellen und ihrer Interessensverbände geführt worden waren.

Aus der Perspektive eines durchschnittlichen, verständigen VN konnte dies nur bedeuten: Die Bayrische Staatsregierung und wichtige Wirtschaftsverbände waren und sind sich mit der Versicherungswirtschaft einig: Für vorsorgliche Betriebsschließungen durch Corona gab und gibt es in der Betriebsschließungsversicherung keine Deckung.

Dies war eine objektive Aussage, die nur so verstanden werden konnte, als stünde sie quasi unanfechtbar fest.

Diese Art der scheinbar auf objektiven Fakten beruhenden Information war im Sinne des § 1 a VVG unredlich, nämlich zumindest missverständlich. Die Versicherer hätten darauf hinweisen müssen, dass die Frage, ob Corona in der Betriebsschließungsversicherung mitversichert ist, damals zumindest umstritten war und auch heute noch ist. Sie haben genau das Gegenteil getan und damit ihre überlegenen Sach- und Fachkenntnisse zum Nachteil der VN ausgenutzt. Dies war auch schon vor Inkrafttreten des § 1 a VVG, nach der Rechtsprechung des BGH, unzulässig.[28] Die Versicherer haben, letztlich den Eindruck erweckt, dass quasi objektiv kein Versicherungsschutz besteht, so dass es sich nicht lohnen würde, Rechtsstreite über diese Frage zu führen.

Tatsächlich lag eine unklare Rechtlage vor, so dass die VN ausreichend auf die strittigen Punkte hinsichtlich des Deckungsschutzes hätten hingewiesen werden müssen.[29] Damit haben die Versicherer zugleich nicht im bestmöglichen Interesse der VN gehandelt. Im bestmöglichen Interesse der VN hätte es gelegen, ihnen zu raten, einen Vergleich im Sinne der Bayrischen Lösung nicht zu akzeptieren. Es hätte im bestmöglichen Interesse der Kunden gelegen, ihnen einen solchen Vergleich gar nicht erst anzubieten, denn die Kunden haben durch diesen Vergleich 85 % des möglicherweise zu 100 % bestehenden Anspruchs gegen die Versicherer verloren. Bei Kunden die mehr als 30 Tagessätze, in ihrer Police vereinbart hatten, dürfte der Verlust durch Annahme des Vergleiches eher bei 95 % gelegen haben. Ein Vergleich, bei dem ein Kunde 80-95 % eines möglicherweise zu 100 % bestehenden Anspruch verliert, kann und darf nur dann geschlossen werden, wenn geradezu sicher ist, dass der Kunde bei Nichtannahme quasi leer ausgehen würde. Genau das haben die Versicherer auch suggeriert und deshalb sind diese Vergleiche angenommen worden.

Nach heutiger Betrachtung ist es aber völlig abwegig anzunehmen, dass die Kunden mit Blick auf die typischerweise geschlossenen Betriebsschließungsversicherungen mit aller Sicherheit leer ausgehen. Im Gegenteil, inzwischen liegen eine Vielzahl von Urteilen vor, in denen den Kunden 100% ihrer Ansprüche zugewiesen wurden.[30] Dies alles gilt auch dann, wenn man den Begriff des bestmöglichen Interesses im Sinne des  das deutsche Schuldrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben interpretiert. Zwar ist keine Partei vertraglich verpflichtet eigene Interessen gegenüber dem anderen Teil grundsätzlich zurückzustellen[31]. Es geht aber in der Bayrischen Lösung nicht darum, dass die Versicherer ihre eigenen Interessen hätten zurückstellen müssen, sondern es geht nur darum, dass sie ehrlich und redlich ihre Kunden, so wie es Treu und Glauben verlangt, auf die bestehenden Zweifel und Unsicherheiten beim Deckungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung hingewiesen hätten. Sie hätten nicht den Eindruck erwecken dürfen, als stünde es quasi objektiv fest, dass keine Leistung aus diesen Verträgen zu erwarten war. Das konnten die Versicherer den VN in redlicher Weise nicht übermitteln, weil es weder damals noch heute feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Fragenkreis gibt.

Die Kunden, die die Bayrische Lösung akzeptiert haben, können heute somit geltend machen, dass ihnen gegenüber § 1 a VVG verletzt wurde. Sie haben Schadensersatzansprüche nach §§ 280, 249 BGB und nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 a VVG.

In Zukunft, wenn das neue UWG in Kraft getreten sein wird, könnten sie ihren Schadensersatzanspruch aber auch auf § 9 Abs. 2 UWG stützen, weil das Verhalten der Versicherer ihnen gegenüber die unternehmerische Sorgfalt nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG verletzte. Die Versicherer hätten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten nicht den Eindruck erwecken dürfen, als stünde es quasi objektiv fest, dass die VN aus der Betriebsschließungsversicherung im ersten Lockdown keine Leistung zu erwarten hatten. Das Gegenteil war und ist richtig.,

 

  1. BERATUNG OHNE EINBEZIEHUNG DER DIN-NORM 77230

Die DIN-Norm 77230 wurde vom Arbeitsausschuss NA 159-07-01 AA „Finanzanalyse für den Privathaushalt“ im DIN-Normenausschuss Dienstleistungen (NADL) erarbeitet. Ausgangspunkt waren Berichte, die sich Anfang der 2000er Jahre über Vermögensschäden häuften, die Privathaushalten u. a.  durch fehlerhafte Finanz- und Versicherungsberatung entstanden. Die Ursachen waren vielfältig. Sie reichten von mangelnder Ausbildung der Berater (sowohl auf der Versicherungs- wie auch auf der Bankenseite) über die Vermittlung von für den Kundenbedarf ungeeigneten Produkten bis hin zu intransparenten Beratungsprozessen. Aus diesem Grunde hat sich eine repräsentative Gruppe von Markteilnehmer*innen, Wissenschaftler*innen und Verbraucherschützern sowie weiterer interessierter Kreise mit dem Ziel zusammengefunden, sich auf freiwilliger Basis in einem Normungsverfahren diesem komplexen Themenbereich anzunehmen. Ziel war es, im Konsens, einen objektivierbaren, reproduzierbaren und transparenten Analyseprozess zu entwickeln, der im Rahmen einer Basisfinanzanalyse eine ganzheitliche Betrachtung der finanziellen Situation von Privathaushalten ermöglicht.

Mit anderen Worten: Die DIN-Norm liefert Grundlagen für die mögliche sich anschließende Finanzberatung für den Privathaushalt. Differenziert  werden bis zu 42 Risiken und Notwendigkeiten aus den Themenbereichen Absicherung, Vorsorge und Vermögensplanung. Es geht es u.a. um die Altersvorsorge oder um den Verlust der Arbeitskraft (Berufsunfähigkeit). Ziel ist es den finanziellen Grundbedarf abzusichern und den Lebensstandard zu erhalten oder zu verbessern. Da Privathaushalte nicht über unbegrenzte Mittel verfügen, ist es notwendig eine Reihenfolge für zum Beispiel Haftungsrisiken, Krankheit oder Berufsunfähigkeit festzulegen. Differenziert wird zwischen subjektiven Bedürfnissen und objektiven Bedarfen. Die Norm geht davon aus, dass die objektiven Bedarfe vorrangig vor den subjektiven Bedürfnissen betrachtet werden sollten. Die Festlegung der Reihenfolge ist von vier Prinzipien geleitet.

(1) Gegenwärtige Risiken vor zukünftigen Risiken

(2) Risiken mit hohen wirtschaftlichen Auswirkungen (in der Regel existenzbedrohend) vor Risiken mit niedrigen wirtschaftlichen Auswirkungen (in der Regel nicht existenzbedrohend)

(3) Unvermeidbare Risiken vor vermeidbaren Risiken

(4) Versicherungspflichtige Risiken vor nicht versicherungspflichtigen Risiken

Das Krankheitskostenrisiko steht in der Rangfolge an Platz (1), gefolgt vom allgemeinem Haftungsrisiko und dem Grundschutz für den Verlust der Arbeitskraft. Am Ende der Rangfolge stehen Risiken aus der Beschädigung von Fahrzeugen (Nr. 40) und die  Schaffung von Eigenkapital für den Erwerb von Wohneigentum (Nr. 41) sowie weitere individuelle Ziele (Nr. 42).

Das Besondere an der DIN 77230 ist, dass sie sich weder an einen Produktanbieter noch an bestimmte Versicherungsprodukte bindet, sondern völlig unabhängig davon, den Analyse- und Beratungsprozess angemessen und sachlich zutreffend strukturiert.

Alles in allem kann man festhalten, dass diese nach wissenschaftlichen und praktischen Bedürfnissen entwickelte DIN-Norm ein professionelles Handwerkzeug für beratende Versicherer und Vermittler darstellt. Eine bessere Strukturierungs- und Orientierungshilfe für den Gesamtberatungs- und Risikoanalyseprozess gibt es derzeit im Markt nicht. Das bedeutet, die Norm ist „state of the art“. Sie entspricht dem aus dem englischen Recht bekannten Beratungsansatz best advice. Sie verkörpert zugleich Grundsätze, die ein professioneller Berater deshalb zu beachten hat, weil § 1 a VVG seit dem 23.02.2018 dazu rechtlich verpflichtet.

Anders formuliert: Ein Beratender, der seinem Beratungsprozess für einen Privathaushalt die DIN-Norm nicht zugrunde legt, handelt unprofessionell und verletzt folglich § 1 a VVG.

Jedenfalls für Makler*innen wird es kaum möglich sein, ohne Zugrundelegung der DIN-Norm zu beraten einfach deshalb, weil Makler*innen Sachwalter*innen der Kunden sind und deshalb in ihrem bestmöglichen Interesse nach § 1 a VVG zu handeln verpflichtet sind.

Genau besehen, gilt dies allerdings auch für Versicherer und gebundene Vermittler. Denn im Regelfall liegt die Beratung unter Zugrundelegung der DIN 77230 dem wohlverstandenen, also bestmöglichem Interesse des VN im Sinne des § 1 a VVG. Wie schon betont, kann es nur in seltenen Ausnahmefällen Gründe geben, in denen es nicht sinnvoll wäre, die Norm zugrunde zu legen. Ganz sicher ist dies der Fall, wenn der VN keine Beratung wünscht, also eine Versicherung execution only vermittelt bekommen möchte. Auch dann, wenn ein VN zwar nicht sicher ist, welches Produkt das für ihn geeignete und beste ist, aber doch weiß, dass es ihm ausschließlich um einen bestimmten Produkttypus, etwa eine private Haftpflicht, eine Hausrat- oder eine Gebäudeversicherung geht, wird der Vermittler auf die Zugrundelegung der Norm verzichten können, solange hinreichend dokumentiert ist, dass die Wünsche und Bedürfnisse des VN ohne Zugrundelegung der DIN 77230 angemessen und sachgerecht erfüllt werden konnten. Die Dokumentation sollte diesen Hinweis enthalten, damit für alle Seiten, auch im Falle eines späteren Streites klar ist, warum auf die Zugrundelegung einer professionellen Beratungsstruktur verzichtet wurde.

Ausgehend von diesen Grundsätzen wird man in Zukunft von Versicherern und Vermittlern erwarten können und dürfen, dass sie zumindest den Zugang zur DIN 77230 für sich eröffnet haben, sodass sie im Einzelfall, nach den Wünschen und Bedürfnissen der VN auf diese, die Beratung und die Risikoanalyse strukturierende Norm zugreifen können. Versicherer und Vermittler, die den Zugang zur DIN 77230 verweigern, handeln unprofessionell und verletzen deshalb § 1 a VVG. Sie handeln zugleich nicht im bestmöglichen Interesse der VN und verstoßen auch aus diesem Grunde gegen § 1 a VVG. Die daraus resultierende weitere Konsequenz ist, dass Versicherer und Vermittler, die sich Vorwürfe dieser Art machen lassen müssen, zugleich die unternehmerische Sorgfalt nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG verletzen und damit nach § 3 Abs. 2 UWG unlauter handeln. In Konsequenz dessen wird der Verbraucher, der ohne DIN 77230 beraten wurde, in Zukunft einen Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG-E haben. Dieser Anspruch wird entweder darauf gerichtet sein, den Zustand wiederherzustellen, der ohne die schädigende Handlung bestand. Das könnte der vertragslose Zustand sein. Möglicherweise kommt aber auch Geldersatz für überflüssige oder zu teure Beratungen oder fehlerhafte Produkte in Betracht.

 

VII. WESENTLICHE ERGEBNISSE

Das Schutzkonzept des zukünftigen UWG wird erstmals Schadensersatzansprüche für Verbraucher in § 9 Abs. 2 UWG-E enthalten.

Bei Verletzung der unternehmerischen Sorgfalt nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ist das Verhalten der Unternehmen nach § 3 Abs. 2 UWG unlauter und unzulässig. Die Verbraucher werden deshalb gegen die Unternehmen einen Schadensersatzanspruch nach § 9 Abs. 2 UWG-E haben.

Ein Verstoß gegen die Wohlverhaltensregeln für den Versicherungsvertrieb nach § 1 a VVG beinhaltet immer zugleich einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG und führt deshalb automatisch zu einem Schadensersatzanspruch (Beispiel: Bayrische Lösung nach § 9 Abs. 2 UWG-E.

Das bedeutet beispielsweise, dass Versicherer und Vermittler für unredliches, irreführendes Verhalten bei der Schadensregulierung in Zukunft nicht nur nach den Grundsätzen des BGB sondern auch nach § 9 Abs. 2 UWG-E auf Schadensersatz haften.

Das Gleiche gilt für Versicherer und Vermittler, die den Beratungsprozessen für Privathaushalte die DIN-Norm 77230 nicht zugrunde legen, zum Beispiel deshalb, weil sie sich den Zugang zu dieser Norm nicht eröffnet haben. Ein solches Verhalten wäre unprofessionell und verstieße gegen das bestmögliche Interesse der VN.

[1] BGB l 2018 I S. 2789.

[2] BT-Drucks. 18/11627, S. 42.

[3] So BT-Drucks. 18/11627, S. 42.

[4] BT-Drucks. 18/11627 S. 42.

[5] BT-Drucks. 18/11627, S. 42.

[6] BT-Drucks. 18/11627, S. 43

[7] BT-Drucks. 18/11627, S. 42; Pölss/Martin Armbrüster, VVG 31. Aufl. § 1 a Rn. 9; Langheits/Rixecker/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 1 a, Rn.1; HK-VVG/Brömmelmeyer, 4. Aufl, § 1 a, Rn.18.

[8] BGH vom 17.11.1963 – V ZR 201 / 21; OLG Hamm, Beschluss v. 07.02.2014 – I-9 U 224 / 13; Palandt/Sprau, 80. Aufl., § 823, Rn. 58.

[9] Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 1 a. Rn.9. ,

[10] So OLG München v. 06.04.2017 – 29 U 3139/16, NJOZ 2017,1603; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 1 a Rn. 9.

[11] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht v. 20.01.2021, S. 1.

[12] OLG-München v. 06.04.2017 – 29 U 3139/16, NJOZ 2017, 1603.

[13] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht v. 20.01.2021, S. 18/19, 42ff.

[14] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht v. 20.01.2021, S. 19, 42.

[15] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht v. 20.01.2021, S. 19, 42, 43.

[16] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht v. 20.01.2021, S. 19, 42, 43 unter Hinweis auf BT Drucks 15/1487, S .22.

[17] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht v. 20.01.2021, S. 43.

[18] Dazu vertiefend Schwintowski. Der Anspruch auf Ersatz des Schadens durch (verzögerte) Schadensregulierung, FS Lothar Jäger zum 75. Geb. S. 421 – 435.

[19] Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 2, Rn. 127 m.w.N.

[20] Köhler, a.a.O, Rn. 130 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des EuGH  zur Auslegung der UGP-RL vgl. EuGH v. 19.12.2013 – C-281/12, GRUR 2014, 196, Rn. 26 Trento Sviluppo.

[21] So in der älteren Rechtsprechung BGH v. 18.03.1959 – IV ZR 182/58, BGHZ 30, 7, 29 Caterina Valente; BGH v. 30.03.1971 – I ZR 130/69, GRUR 1971, 320, 321 Schlankheitskur.

[22] Köhler, a.a.O., Rn. 136.

[23] Vertiefend Köhler, a.a.O., Rn. 139.

[24] v. 20.01.2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze v. 20.07.2017. BGBl I 3798, 2803.

[25] Erwägungsgrund 10 der RL (EU 2016/97).

[26] So BT-Drucks 18/11627, S. 42.

[27] BT-Drucks 18/11627, S. 42.

[28] BGH v. 15.02.2017 – IV ZR 280/15, r+s 2017, 368 ff; zuvor schon BGH v. 07.02.2007 – IV ZR 244/ 03, NJW-RR 2017, 753.

[29] Wie hier Fortmann, Betriebsschließungsversicherung- ein Update, r+s 2020, 665, 673.

[30] Beispiele bei Fortmann, Betriebsschließungsversicherung- Ein Update, r+s 2020, 656 in Fn. 1.

[31] BGH LM § 455 Nr. 21 B 12, § 252 (Be) Nr. 36.

 

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