Weltweit sind die Schuldenberge durch Corona noch einmal stark gewachsen. Welche Wege führen aus der Schuldenfalle?
Antworten geben Jean-Marie Mercadal, Head of Investment Strategies, und Eric Bertrand, Chief Investment Officer bei OFI Asset Management:
„In puncto staatlicher Ausgaben hat ein Umdenken stattgefunden – angetrieben durch die neue US-Regierung. In Anbetracht der Höhe der Staatsverschuldung müssen die Regierungen neue Wege einschlagen. Die Verschuldungsquoten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind inzwischen viel zu hoch für eine „simple“ Sparrunde. In anderen Worten: Es würde viel zu lange dauern, um zu akzeptablen Verhältnissen zurückzukehren, insbesondere bei dem derzeitigen aufgeheizten sozialen Klima in vielen Ländern.
Ein neuer Weg könnte darin bestehen, dass Regierungen weiterhin massiv investieren, um die Schuldenquote durch ein erhöhtes Wachstum zu verbessern. Schwerpunkte sollten die (grüne) Infrastruktur, Energiewende und neue Technologien sein. Im Gegenzug dazu würden jedoch wahrscheinlich die Steuern steigen.
Die USA haben diesen Weg bereits eingeschlagen: Die geplanten Konjunkturpakete in Höhe von mehr als 6.000 Milliarden US-Dollar entsprechen fast 30 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts. Joe Biden hat zudem einen Vorschlag für eine weltweite Mindeststeuer von 15 Prozent für multinationale Unternehmen eingebracht – die Mitglieder des G7-Gipfels Anfang Juni in London haben diesen Schritt bereits beschlossen. Die G20-Staaten werden darüber auf ihrem Gipfeltreffen Anfang Juli in Venedig abstimmen.
Die Länder der Eurozone zögern noch, denselben Weg wie die USA zu gehen. Wie so oft bestehen große Divergenzen zwischen Deutschland und den südeuropäischen Ländern, insbesondere Frankreich. Das hat natürlich auch mit der großen Kluft in der Finanzlage zutun, die den Handlungsspielraum deutlich beeinflusst. Frankreichs Schulden betragen rund 120 Prozent des BIP, in Deutschland liegt die Marke nur bei 75 Prozent.
Die Zentralbanken werden in dem Prozess der Staatsschuldensanierung so oder so eine entscheidende Rolle spielen. Sie könnten einen Anstieg der Inflation tolerieren und die realen Zinssätze im negativen Bereich belassen. Das würde den Staatshaushalten zu Gute kommen. Die Renditen der Anleiheinvestoren würden dann jedoch völlig untergraben. Ein längeres Festhalten an der sehr lockeren Geldpolitik – niedrige Zinsen und die Fortsetzung der Wertpapieraufkaufprogramme – würde einer Form der Zinskurvensteuerung gleichkommen. Ein Phänomen, das es in Phasen hoher Verschuldung bereits in der Vergangenheit gab.
Die Frage nach Unabhängigkeit und Mandat der Zentralbanken wurde schon oft gestellt und wird wohl auch in den kommenden Monaten eine der größten Sorgen der Märkte sein. Die Märkte haben solche Szenarien bereits berücksichtigt. Der erneute Ansturm auf Sachwerte und Kryptowährungen überrascht uns daher nicht.“
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