Legaler Betrug in der Lebensversicherung als deutscher Exportschlager

 

Solvabilitätsberichte sollen Aufschluss darüber geben, wie sicher und stabil sich die Versicherungsunternehmen darstellen und mit welchen Kennzahlen sie aufwarten. Seit 2017 analysiert der Bund der Versicherten e. V. (BdV) – Europas größter Verbraucherschutzverein für die Rechte der Versicherten – gemeinsam mit der Zielke Research Consult GmbH die jährlichen SFCR-Berichte der deutschen Lebensversicherer. Erstmals wurden nun gemeinsam mit dem europäischen Dachverband BETTER FINANCE auch ausgewählte europäische Lebensversicherer unter die Lupe genommen. Analysiert wurden jeweils die 10 größten Lebensversicherungsunternehmen aus Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und den Niederlanden. „Es gibt große Unterschiede in den Lebensversicherungsmärkten dieser fünf EU-Mitgliedstaaten und auch Anlass zur Besorgnis“, sagt Axel Kleinlein, Präsident von BETTER FINANCE und Vorstand des BdV. So ist der legale Betrug, mit dem deutsche Versicherer ihren Kund*innen durch Rechentricks Geld vorenthalten, neuerdings auch in Frankreich festzustellen. Deutschland und Frankreich weisen einige Parallelen auf, insbesondere was die Solvenz angeht. In beiden Ländern wird die Solvenz vielfach durch Übergangsmaßnahmen, Sonderberechnungen oder den Griff in die Kundenguthaben überhaupt nur möglich.

Bei der Hälfte der Unternehmen ist die Solvenz in Gefahr.

Die Unternehmen reagieren zwar mit einer vergleichsweise ertragsreicheren aber auch riskanteren Kapitalmarktpolitik – aber dadurch ist die Politik gefordert, Kundengelder zu sichern, damit sie nicht zum Spielball unternehmerischer Interessen werden. Anders stellt sich die Situation in Italien und Spanien dar. Die hohen Solvenzquoten der spanischen und italienischen Versicherer stützen sich zum Teil in besorgniserregend hohem Maße auf inländische Staatsanleihen. Mit dieser schlechten Diversifikation der Kapitalanlagen sind die Unternehmen damit besonders von der Geld- und Fiskalpolitik der jeweiligen Staaten und der EZB abhängig.

Die untersuchten niederländischen Lebensversicherer zeigen sich zwar solvent, doch die dort übervorsichtige Kalkulation ist ein Anzeichen dafür, dass sie den erwirtschafteten Mehrwert nicht so an die Kund*innen weitergeben wie sie es könnten. Das ist aus Verbraucherschutzsicht bedenklich. Ein weiterer Aspekt der Untersuchung ist die Transparenz der Berichte. Besonders Spanien und Italien, aber auch Frankreich und die Niederlande, sind hier stark verbesserungsfähig. Wie es gehen kann, zeigt die deutsche Branche: „Unsere Untersuchungen der Vorjahre haben die deutschen Lebensversicherer diesbezüglich sehr diszipliniert“, freut sich Kleinlein. „Das wünschen wir uns auch für die Versicherer der anderen EU-Staaten.“

Eine Forderung geht an die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA: Die Gelder der Kund*innen dürfen nicht als Solvenzmittel angesetzt und damit in Gefahr gebracht werden. Deutschland begeht diesen Fehler schon seit Jahren und nun hat sich Frankreich anstecken lassen. „Dieser legale Betrug darf kein EU-Exportschlager werden und sich nicht auf Länder mit ähnlichen Märkten ausbreiten. EIOPA muss als EU-Aufsichtsbehörde dieser Abzocke einen Riegel vorschieben“, so Kleinlein.

Eine weitere Forderung gilt dem Aufbau einer frei zugänglichen einheitlichen EU-weiten Datenbank. „Hier kann EIOPA für echte Transparenz sorgen, wenn alle relevanten Solvenzdaten aggregiert zur Verfügung gestellt werden“, so Dr. Carsten Zielke. Geschäftsführender Gesellschafter der Zielke Research Consult GmbH. Zusätzlich fordert er ein Überdenken der Systematik und regt an, Elemente aus dem Bewertungssystem IFRS 17 auch in die Solvenzregeln zu übernehmen.  „Die länderübergreifenden Vergleiche haben gezeigt, dass gerade bei der Ermittlung der Höhe der Versicherungsverpflichtungen Uneinheit herrscht. Der Bezug auf einen international anerkannten Rechnungslegungsstandard, so wie ursprünglich in der Solvency II-Direktive vorgesehen, scheint mir dringender als je. Zudem würde er der Abbildung des Geschäftsmodells der Versicherer gerechter werden und eine Kohärenz zum Risikoansatz der Banken (Basel 3) herstellen, um Aufsichtsarbitrage zu vermeiden.“

Die vollständige Analyse steht auf der Website des BdV zum Download bereit. Zur leichteren Verständlichkeit sind die Ergebnisse nach einem Ampelsystem gegliedert. So ist mit einem Blick erkennbar, ob bei einem Versicherungsunternehmen aus Verbrauchersicht Handlungsbedarf besteht (rot), Verbesserungspotenzial vorhanden ist (gelb) oder Entwarnung gegeben wird (grün).

 

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