Aktienmarkt bietet trotz hoher Bewertungen noch Chancen

 

In China soll im März der neue Fünfjahresplan vom Nationalen Volkskongress verabschiedet werden. Mit Blick auf Wirtschaft und Kapitalmarkt kann die Führung zufrieden sein – China ist das einzige G20-Land mit positivem Wirtschaftswachstum 2020 und der heimische Aktienmarkt legte im vergangenen Jahr kräftig zu. „Es ist nicht vermessen zu konstatieren, dass Chinas Position im Vergleich zu den anderen großen Wirtschafts¬mächten noch nie so stark war wie heute“, stellt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, fest. Diese Entwicklung war nur möglich durch die erfolgreichen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie, wodurch ab dem 2. Quartal 2020 die Wirtschaft stufenweise und nachhaltig geöffnet werden konnte. Für Investoren stellt sich die Frage, wie lange diese Entwicklung wohl weitergeht. Nach Ansicht von Tilmann Galler stehen die Chancen für eine weitere positive Entwicklung gut, doch sollte man gleichzeitig auch einige mögliche Risiken im Auge behalten.

Offene „Baustellen“: Hohe Verschuldung und weiteres Konfliktpotenzial mit den USA

Um die Wirtschaft im Krisenmodus zu stützen, setzte die chinesische Regierung vor allem auf Steuersenkungen für Unternehmen sowie Ausgaben in Infrastruktur. Dies hat jedoch das Fiskaldefizit nach Schätzungen des IWF von 6,3 Prozent im Jahr 2019 auf 11,8 Prozent im Jahr 2020 ansteigen lassen. Die Staatsverschuldung Chinas ist dadurch auf 62 Prozent zum BIP gestiegen – das ist zwar niedriger als die 98 Prozent in der Eurozone oder 131 Prozent in den USA, doch in der Summe mit dem hochverschuldeten Unternehmenssektor und den Privathaushalten steigt die Gesamtverschuldung der Wirtschaft auf 278 Prozent. Bei aktuell 3 Prozent Zinsen ist der Schuldendienst nach Einschätzung von Tilmann Galler deshalb in China ein größeres Problem als in den USA mit 0,7 und der EU mit 0 Prozent. „Die Fiskalpolitik dürfte in den kommenden Jahren eher konsolidierend als expandierend sein. Damit könnte sich der chinesische Wachstumsvorsprung gegenüber den anderen großen Volkswirtschaften verringern – vorausgesetzt, dass die globalen Impfkampagnen erfolgreich sind“, stellt der Kapitalmarktexperte fest.

Daneben könnte sich die Beziehung zu den USA weiter eintrüben. Die wiedererstarkte chinesische Wirtschaft vermeldete in der zweiten Jahreshälfte 2020 einen wahren Exportboom, wodurch der Handelsbilanzüberschuss 2020 in die Nähe alter Höchststände kletterte. In der Folge konnte China die Vereinbarung mit den USA über die Ausweitung der US-Importe nicht erfüllen. „Dieser Umstand und der stärkere Fokus der Regierung Biden auf Nachhaltigkeit und Menschenrechte dürfte auch weiterhin einiges an Konfliktpotenzial zwischen den beiden Nationen bereithalten“, schätzt Tilmann Galler.

Chinesische Anleihen attraktiv und der Aktienmarkt bietet trotz hoher Bewertungen noch Chancen

Der chinesische Kapitalmarkt bietet nach Ansicht von Tilmann Galler weiterhin gute Investmentchancen. Zwar ist das KGV des CSI 300 Index, der die beiden Börsen Schanghai und Shenzhen abbildet, im vergangenen Jahr von 11,5x auf 16x gestiegen – und damit auf ein ähnlich hohes Bewertungsniveau wie 2015 in der letzten Überhitzungsphase des Marktes. Doch im Vergleich zu den Industrieländeraktien ist das immer noch ein Bewertungsabschlag von knapp 25 Prozent. „Das kann durchaus gerechtfertigt sein, da die Gewinnerwartungen für chinesische Aktien für die kommenden zwei Jahre niedriger sind. Aber man darf nicht vergessen, dass der Ausblick in China aufgrund der besseren COVID-Situation stabiler ist als in den Industrieländern“, erläutert der Experte. Gleichwohl sollten sich Anleger bewusst machen, dass nach dem kräftigen Anstieg der Kurse und der Bewertungen die zukünftigen Ertragserwartungen deutlich niedriger seien als noch vor einem Jahr.

Der chinesische Anleihenmarkt gewinnt nach Meinung von Tilmann Galler weiter an Attraktivität. Im Vergleich zum Nullzins in Europa böten Renminbi-Investment-Grade-Anleihen eine Rendite von über 3 Prozent bei relativ soliden Fundamentaldaten. Insgesamt gelte es für Investoren, die Störfaktoren Verschuldung, Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung sowie politische Risiken im Blick zu halten. Das weiterhin kräftige Wachstum könnte sich daher in eher moderaten Kursentwicklungen niederschlagen.

 

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