Bain-Benchmarking europäischer Retail-Banken
Nur wenige Retail-Banken schaffen es, mit ihren Digitalisierungsbemühungen ihre Kunden zu begeistern und die angestrebten Kostenvorteile zu realisieren. Wie groß die Unterschiede zwischen digitalen Vorreitern und Nachzüglern sind, belegt ein aktuelles Benchmarking von 50 führenden Retail-Banken in Europa, darunter zehn aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der dazugehörigen Studie “How Digital Done Right Pays Off for Retail Banks” zeigt die internationale Unternehmensberatung Bain & Company, was die besten Banken auszeichnet.
Corona-Krise forciert digitalen Bankbetrieb
“Der Lockdown und die fortwährenden Kontaktbeschränkungen beschleunigen den Wandel im Retail-Banking in einem bislang kaum gekannten Tempo”, stellt Bain-Partner Dr. Dirk Vater fest, Co-Autor der Studie und Leiter der Praxisgruppe Financial Services in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA). “Nur mit einer umfassenden Digitalisierung können die Kreditinstitute die Erwartungen ihrer Kunden, Beschäftigten und Eigentümer erfüllen.”
Anhand von 150 Kriterien aus Kunden- sowie interner Bankensicht ermittelt das Bain-Benchmarking, wie weit die Digitalisierung der beteiligten Geldhäuser fortgeschritten ist. Das Ergebnis ist ernüchternd – zumindest für die DACH-Region. Mehrere Banken aus der Schweiz müssen sich mit hinteren Rängen begnügen. Und keiner Bank aus dem deutschsprachigen Raum gelingt der Sprung in die Spitzengruppe (Abbildung).
Besseres Kundenerlebnis, geringere Kosten
Ein Vergleich der Spitzengruppe mit der Konkurrenz macht es möglich, die Vorteile einer gezielten Digitalisierung zu quantifizieren. So liegt die mit dem Net Promoter Score® (NPS®) messbare Kundenloyalität bei den digitalen Vorreitern unter den traditionellen Banken mit 21 Prozent signifikant über der des Wettbewerbs. Noch besser schneiden reine Onlinebanken ab. Sie überzeugen ihre Kunden unter anderem mit niedrigen Gebühren.
Die digitalen Vorreiter begeistern nicht nur ihre Kunden, sondern werden auch von ihrer Belegschaft deutlich positiver bewertet. Das gilt für die Weiterempfehlungsbereitschaft als Arbeitgeber ebenso wie für die Beurteilung der Zukunftsaussichten des Unternehmens aus Sicht der Mitarbeitenden.
Und auch die Eigentümer profitieren. Die bestplatzierten traditionellen Kreditinstitute erzielen im Schnitt eine Eigenkapitalrendite von 8,7 Prozent und liegen damit 2,5 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert der Konkurrenz. Zudem ist ihre Cost-Income-Ratio deutlich niedriger. “Mit der richtigen Digitalstrategie steigt der Automatisierungsgrad einer Bank, ohne dass das Kundenerlebnis leidet. Im Gegenteil: Durch schnellere und einfachere Interaktionen wird dieses immer besser”, betont Dr. Jens Engelhardt, Bain-Partner sowie Co-Autor der Studie und Digitalisierungsexperte. “Damit verbunden ist eine nachhaltige Kostensenkung. Und die wiederum bietet gerade den Kreditinstituten im deutschsprachigen Raum einen Ausweg aus ihrer strukturellen Renditefalle.”
Digitalisierung konsequent vorantreiben
Was eine erfolgreiche Digitalstrategie ausmacht, zeigt die Studie anhand von zahlreichen Praxisbeispielen auf. Entscheidend sind sieben Elemente:
- Strategie, Ziele und Roadmap. Bei der Umsetzung ihrer Strategie fahren die besten Banken in der Regel zweigleisig. Einerseits digitalisieren sie ihr bestehendes Geschäft und erweitern es regelmäßig um digitale Innovationen. Andererseits bauen sie neue Geschäftsmodelle auch abseits ihres Kerns auf.
- Produktportfolio. Digitale Vorreiter setzen entweder auf ein einfaches, standardisiertes Produktportfolio oder auf ein breiteres, dann aber modular auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden ausgerichtetes Leistungsspektrum.
- Kundenerlebnis. Die Verlagerung des Vertriebs in digitale Kanäle gelingt, wenn Banken systematisch sämtliche Kontaktpunkte entlang der Kundenreise digitalisieren. Haben Kreditinstitute mehr als 80 Prozent ihres Angebots digitalisiert, laufen nahezu drei Viertel der Verkäufe über digitale Kanäle.
- Moderne Kanäle. Alle Zugangswege der Top-Banken im Benchmarking sind extrem nutzerfreundlich. Sie entsprechen dem, was der Kunde von anderen Digitalunternehmen gewohnt ist und heute erwartet. Den Top-Instituten gelingt es, ihre Kunden in die digitale Welt zu migrieren – zunächst mit sanften Methoden wie Werbekampagnen, gefolgt von härteren Maßnahmen wie höheren Preisen etwa für Filialdienstleistungen.
- Kundenloyalitätssystem. Digitale Vorreiter erfassen regelmäßig das Feedback ihrer Kunden bis hinunter auf Einzelinteraktionsebene. Auf dieser Basis verbessern sie ihre Abläufe und Angebote systematisch und kontinuierlich.
- Betriebsmodell. Führende Banken brechen Silodenken auf und richten ihre Organisation konsequent entlang der Kundenreise aus. Abteilungsübergreifende agile Teams sind dafür genauso unentbehrlich wie ein Talentmanagement, durch das die benötigte Digitalexpertise aufgebaut und weiterentwickelt wird.
- Technologie und Daten. Viele traditionelle Banken haben mit einer unflexiblen, veralteten IT-Architektur zu kämpfen. Durch die Entkopplung der eingesetzten Systeme und die Einführung agiler Arbeitsweisen lassen sich Geschwindigkeit und Flexibilität deutlich erhöhen. Defizite gibt es vielerorts auch bei der Nutzung von Daten. Deren Verfügbarkeit und Qualität sicherzustellen ist ein kritischer erster Schritt.
Aus Sicht von Bain-Partner Vater führt für Kreditinstitute kein Weg mehr an der Digitalisierung vorbei, wollen sie eine Zukunft haben: “Mit der richtigen Digitalstrategie entsteht Schritt für Schritt eine Bank, die Kunden wie Mitarbeiter begeistert und eine attraktive Rendite erwirtschaftet.” Und er ergänzt: “Aufzuholen wird jeden Monat schwieriger. Deshalb ist es Zeit, die Digitalisierung jetzt zügig und konsequent voranzutreiben.”
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