Nach einem verhaltenen Start überholte Silber 2020 Gold und die meisten Industriemetalle.
Silber erwies sich als Outperformer und legte 2020 um 47 % zu – zunächst schwamm es auf der defensiven Erfolgswelle von Gold mit und erhielt daraufhin Rückenwind aus seinen industriellen Eigenschaften. Zum Vergleich: Gold verzeichnete ein Plus von 24 %, Kupfer von 27 % und Nickel von 21 %. Der Hybridstatus von Silber leistete ihm 2020 gute Dienste und wir erwarten, dass sich diese Entwicklung 2021 fortsetzen wird. Wie wir im Artikel Goldausblick auf das vierte Quartal 2021: Am Scheideweg zwischen Hoffnung und Angst zur Sprache bringen, beginnen wir das Jahr 2021 mit der Hoffnung, dass die COVID-19-Impfstoffe einen Weg aus der Misere bieten werden, für die die Pandemie in Bezug auf die menschliche Gesundheit und die Volkswirtschaften, in denen wir agieren, gesorgt hat. Wie aber schon im Dezember 2020 völlig klar war, hält der Weg zu einer Erholung wohl zahlreiche Hindernisse bereit. Silber, das sowohl defensive als auch zyklische Rollen übernimmt, könnte sich dieses Jahr sehr gut entwickeln.
Der Hybridstatus von Silber ist den Investoren nicht entgangen. In Exchange Traded Products (ETPs) gehaltenes Silber stieg 2020 auf ein Allzeithoch und, was noch erstaunlicher ist, mit einer noch nie zuvor beobachteten Geschwindigkeit. 2020 flossen 275 Millionen Unzen Silber in Exchange Traded Commodities für Silber, wodurch in dem Jahr mehr als das Doppelte als im Jahr mit den nächsthöchsten ETP-Zugängen verzeichnet wurde (2009 betrug der Zuwachs 137 Millionen Unzen). Als Silber gegenüber Gold in der ersten Jahreshälfte 2020 noch unterbewertet wurde, bestand eine hohe Nachfrage. Die Käufe nahmen in der zweiten Jahreshälfte jedoch ab, als Silber zu Gold aufschloss.
Modell
In unserem Artikel „Gold and silver: similar, but different“ (Gold und Silber: ähnlich, aber anders) argumentierten wir, dass die Kursentwicklung von Silber zu 80 % mit Gold korreliert ist. Im Rahmen unserer Modellierung ist Gold deshalb der Faktor, der den Silberkurs am stärksten beeinflusst. Jedoch halten wir auch folgende Variablen für wichtige Einflussfaktoren:
- Erhöhung der Produktionstätigkeit – Silber findet zu mehr als 50 % in der Industrie Anwendungen (im Gegensatz zu Gold, bei dem dieser Anteil weniger als 10 % beträgt). Stellvertretend für die industrielle Nachfrage verwenden wir den Global Manufacturing Purchasing Managers Index (PMI).
- Erhöhung der Silberbestände – steigende Bestände signalisieren eine höhere Verfügbarkeit des Metalls und wirken sich deshalb negativ auf die Kurse aus. Stellvertretend verwenden wir die Bestände von Terminbörsen.
- Erhöhung der Investitionen im Bergbau (Capex) – je mehr Minen investieren, desto höher wird das potenzielle Angebot in Zukunft ausfallen. Deshalb rechnen wir für diese Variable eine 18-monatige Verzögerung ein. Angesichts der Tatsache, dass das meiste Silber ein Nebenprodukt beim Abbau anderer Metalle ist, beziehen wir den Investitionsaufwand (Capex) der wichtigsten 100 Bergbaugesellschaften mit ein (nicht nur auf Silber spezialisierte Bergbauunternehmen).
Goldausblick auf das vierte Quartal 2021: Am Scheideweg zwischen Hoffnung und Angst
Im Artikel Goldausblick auf das vierte Quartal 2021: Am Scheideweg zwischen Hoffnung und Angst legten wir unsere Prognosen anhand von drei Szenarien dar.
- Konsens – basierend auf den Konsensprognosen für den gesamten makroökonomischen Dateninput und der Annahme, dass sich die Anlegerstimmung im Hinblick auf Gold auf dem heutigen Niveau hält.
- Andauernde wirtschaftliche Unsicherheit – weitere geldpolitische Interventionen, möglicherweise durch die Steuerung der Zinsstrukturkurve – schränken die Renditen von US-Staatsanleihen ein und der US-Dollar verliert weiter an Wert, während sich die Anlegerstimmung gegenüber Gold verbessert.
- Härterer Kurs der Fed – die US-Notenbank (Fed) verfolgt trotz der Anpassung ihres Inflationsziels einen härteren Kurs und die Renditen von US-Staatsanleihen gehen deutlich nach oben, der US-Dollar legt wieder auf den Stand vom Juni 2020 zu und die Inflation bleibt deutlich unterhalb ihres Zielwerts. Da die Angst um eine Abwertung des US-Dollars nachlässt, sinkt die Positionierung in Gold-Futures.
In unserer Silberprognose konzentrieren wir uns auf das Szenario einer „andauernden wirtschaftlichen Unsicherheit“, bei dem der Goldpreis am Ende des Prognosehorizonts 2130 USD/oz erreichen wird.
Silberprognosen
Beim Wachstum könnte Silber Gold unseres Erachtens überholen und im vierten Quartal 2021 34 USD/oz erreichen (33,6 % gegenüber dem heutigen Stand gegenüber 13,3 % für Gold. Unten erläutern wir die anderen Faktoren, die in diese Prognose einfließen.
Weitere Erholung der Industrienachfrage
Die Manufacturing Purchasing Managers Indizes (PMIs) haben in den letzten paar Monaten stark zugelegt und verzeichnen nun einen Stand von über 50, was Wachstum signalisiert. Ausgehend von einer Phase mit strengen Lockdowns überrascht es nicht, dass die relative Erholung gegenüber den Ständen im Frühjahr 2020 für die PMIs hoch ausfiel, da die Lockdown-Bedingungen gelockert wurden. Erneute Lockdowns könnten einer Verbesserung vorübergehend Einhalt gebieten, doch im Allgemeinen werden viele Unternehmen – mit der Unterstützung durch ein geld- und finanzpolitisches Konjunkturprogramm – weiterhin Verbesserungen verzeichnen können. Wie bei den meisten früheren Erholungen, ist es wahrscheinlich, dass sie sich in der zweiten Hälfte des Jahres verlangsamen wird. Mit einem Höchststand von über 55 Punkten lassen die PMIs jedoch darauf schließen, dass genügend Nachfrage nach Silber aus der Industrie zu erwarten ist.
Angebot aus dem Silberabbau könnte 2021 steigen
In unserem Modellansatz verwenden wir die Investitionen in Minen als Ersatz für das zukünftige Silberangebot. Die Investitionen waren im vergangenen Quartal zwar rückläufig, da wir hierbei aber eine Zeitverzögerung einrechnen, sorgen die davor zu beobachtenden steigenden Investitionen in unserem Modellansatz bei den Silberpreisen für Gegenwind.
Wir wissen, dass viele Minen zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr 2020 aufgrund von Social Distancing nicht mit voller Kapazität betrieben werden konnten. Deshalb fiel die Produktion von Silberminen niedriger aus, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Angenommen, es kommt 2021 zu keinen weiteren Lockdowns, wird sich der Abbau von Silber höchstwahrscheinlich erholen.
Silberbestände der Börsen steigen wieder
Der Silberbestand in Comex-Lagerhäusern war Anfang 2020 rückläufig, da die Beschaffung von Metall angesichts der durch COVID-19 verursachten betrieblichen Hindernisse erschwert wurde (einschließlich des Lufttransports von Metall von Veredlern in Europa, was während des Lockdowns sehr schwierig war). Das Silberangebot an den Terminbörsen war jedoch immer reichlich und koppelte sich nicht so stark vom OTC-Kassamarkt ab, wie dies bei Gold der Fall war. In den letzten Monaten haben die Silberbestände an den Börsen ihren Aufwärtstrend wieder aufgenommen. Unseren Erwartungen zufolge wird sich dieser Trend fortsetzen und bei den Silberpreisen für einen gewissen Gegenwind sorgen.
Hierbei ist zu beachten, dass eine Unterscheidung zwischen registriertem und qualifiziertem Bestand besteht. „Qualifiziert“ bedeutet, dass das Metall die Anforderungen der Börse erfüllt, jedoch nicht als Sicherheit für eine Transaktion am Terminmarkt eingesetzt wird. „Registriert“ bedeutet, dass das Metall die Anforderungen erfüllt und als Sicherheit für Transaktionen am Terminmarkt eingesetzt wird. Qualifiziertes Metall kann leicht in registriertes Metall umgewandelt werden, weshalb wir die Gesamtmenge verwenden. Die meisten Zuwächse wurden in den letzten Jahren jedoch bei qualifiziertem und nicht bei registriertem Metall verzeichnet. Die Ursache dafür könnte einfach in einer verstärkten Lagerung in Comex-Lagerhäusern, anstatt in anderen Lagerhäusern liegen. Gleichwohl dämpft die größere Quelle sichtbarer Bestände den Preis von Silber. Wir erwarten, dass steigende Bestände auch in Zukunft diesen Effekt haben werden.
Silber ist nicht mehr so günstig wie noch 2020
Nach einem steilen Anstieg auf ein Hoch der modernen Ära im ersten Quartal 2020, liegt die Gold-Silber-Ratio heute nur knapp über ihrem historischen Durchschnitt seit 1990. In dieser Hinsicht ist Silber nicht so „günstig“ wie noch im ersten Quartal 2020. Wir erwarten aber trotzdem eine Outperformance von Silber gegenüber Gold und unsere aktuellen Prognosen (im Rahmen des Szenarios einer „anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit“) sehen die Gold-Silber-Ratio Ende 2021 bei 63, knapp unterhalb des historischen Durchschnitts von 68.
Fazit
Obwohl potenzielle Anstiege des Angebots bei Silber für Gegenwind sorgen könnten, sollte seine Korrelation mit Gold ihm starken Rückenwind geben. Außerdem wird es aufgrund seines Hybridstatus von einem Konjunkturaufschwung profitieren, sobald wir die „Hindernisse“ bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie überwinden. Silber hat 2020 besser abgeschnitten als Gold und sein historisch hoher Gold-Beta-Faktor könnte auch weiterhin stärker steigen als Gold, wenn Gold Kursgewinne verzeichnet.
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