Marktkommentar von Stefan Breintner, stellvertretender Leiter Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG

 

Goldanlagen zählen 2020 zu jenen Investments, die insgesamt vom Ausbruch der Covid-19-Pandemie profitierten: trotz eines Einbruchs der historisch gesehen wichtigsten Nachfragekomponente – der Schmuckindustrie – um 40,5 Prozent auf 910,3 Tonnen. In den ersten neun Monaten 2020 konnte der Goldpreis um ca. 20 Prozent auf 1.827 US-Dollar pro Unze (oz) zulegen. In Euro gerechnet lag das Kursplus aufgrund des gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung abwertenden US-Dollar bei ca. 11 Prozent.

2020: Rekordjahr für Gold als Investment

Treiber des Goldpreisanstiegs 2020 war die Investmentnachfrage – vor allem nach mit Gold hinterlegten Indexfonds (ETFs). Von Januar bis November standen trotz eines größeren Abflusses im November insgesamt Zuflüsse von 916 Tonnen zu Buche, ein historischer Rekordwert. Somit kompensierte die ETF-Nachfrage den Rückgang auf der Schmuckseite. Auch die Nachfrage nach Barren und Münzen entwickelte sich im bisherigen Jahresverlauf sehr gut und erreichte mit ca. 627 Tonnen in etwa das Niveau aus dem Jahr 2009, als Gold aufgrund der Finanzkrise stark gefragt war. 2020 stellt damit auf der Gold-Nachfrageseite eine absolute Ausnahmesituation dar. Es ist das Jahr, in dem die Investmentnachfrage erstmals die Schmucknachfrage als traditionell wichtigste Nachfragekomponente deutlich übertreffen sollte, was nicht einmal im Krisenjahr 2009 der Fall war.

Im November 2020 kam es beim Goldpreis zum stärksten Monatsrückgang seit vier Jahren. Der Grund hierfür waren vor allem Nachrichten über die Wirksamkeit von potenziellen Covid-19-Impfstoffen und damit verbundene Hoffnungen über eine Eindämmung der Pandemie im kommenden Jahr. Der Goldpreisrückgang im November ging einher mit ETF-Abflüssen. Nachdem die ETFs zuvor acht Monate hintereinander Zuflüsse verbuchten, kam es im November aufgrund der temporären Impfstoff-Euphorie zu Abflüssen. Die gute Marktstimmung trug dazu bei, dass zyklische Rohstoffe wie Öl und Industriemetalle stärker nachgefragt wurden und Gold als sicherere Anlage dagegen verkauft wurde. Nach Daten des World Gold Councils flossen im November 107 Tonnen mit einem Wert von ca. 6,8 Mrd. US-Dollar ab. Dies war der erste Monatsabfluss seit einem Jahr und in US-Dollar gerechnet der zweithöchste seit Beginn der Datenreihe.

Covid-19 geht, Geldschwemme und Staatsschulden bleiben

Die entscheidende Frage im Hinblick auf die Goldpreisentwicklung im kommenden Jahr dürfte sein, ob die ETF-Nachfrage auf hohem Niveau bleiben wird oder ob Anleger wieder Gold aus den ETFs abziehen. Die ultra-lockere Geldpolitik der Notenbanken dürfte sich auch im Falle eines durchschlagenden Erfolgs der Impfstoffe und einer graduellen Normalisierung der Wirtschaft erst einmal nicht ändern. EZB-Präsidentin Lagarde hat sich bereits dahingehend geäußert, dass ein Impfstoff kein „Game-Changer“ sei. Die Covid19-Pandemie hat zu einem in der Geschichte beispiellosen Anstieg von Notenbankbilanzsummen und Staatsschulden geführt. So entsprechen beispielsweise seit Ausbruch der Pandemie die Netto-Käufe von Staatsanleihen durch die EZB den Netto-Anleiheemissionen der Euro-Staaten.

Die amerikanische Notenbank hat seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie Anleihen im Umfang von rund 3.000 Mrd. US-Dollar erworben. Die EZB hat mit ihren Anleihekäufen von rund 2.000 Mrd. Euro allein seit dem Frühjahr 2020 die Neuverschuldung der Euro-Staaten voll finanziert. Zum Vergleich: Der Wert der Gold-Jahresproduktion aller weltweiten Minen in Höhe von 3.464 Tonnen entspricht ca. 204 Mrd. US-Dollar. Der insgesamte Wert des jemals geförderten Goldes beträgt aktuell ca. 12.000 Mrd. US-Dollar. Ein Ende des Gelddruckens von EZB und FED ist nicht in Sicht. Noch weniger ist aus heutiger Sicht an eine Rückführung dieser kaum rückzahlbaren Schulden zu denken. Gold sollte hiervon als wertstabile Anlage profitieren und demzufolge dürfte die Investmentnachfrage im kommenden Jahr weiter hoch, aber wohl nicht auf den Rekordniveaus des Jahres 2020 liegen.

Schmucknachfrage dürfte 2021 wieder anziehen

Im kommenden Jahr ist konjunkturbedingt aber mit einer besseren Schmucknachfrage zu rechnen – insbesondere aus den beiden wichtigsten Ländern China und Indien. Beide verzeichneten in den ersten neun Monaten historische Einbrüche von 43 Prozent auf 274 Tonnen bzw. 57 Prozent auf 171 Tonnen. Damit erscheint die Prognose, dass 2021 die zusätzliche Schmucknachfrage einen möglichen Rückgang der Investmentnachfrage kompensieren kann, nicht abwegig. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 fragten die Schmuckverarbeiter Chinas und Indiens 637 bzw. 545 Tonnen nach und machten damit 56 Prozent der weltweiten Goldnachfrage der Schmuckindustrie von 2.107 Tonnen aus. Die jüngst kräftige Erholung der chinesischen Wirtschaft von der Corona-Pandemie spricht auch für eine bevorstehende Erholung der chinesischen Schmucknachfrage. Insgesamt könnte 2021 damit die gesamte Gold-Nachfrage das Angebot durchaus übertreffen – was natürlich vorteilhaft für die Preisentwicklung wäre.

Niedrigzinsen: auch 2021 positiver Treiber für Gold

Die US-Geldmenge M1 wächst aktuell als Folge der ultra-lockeren Geldpolitik der Notenbank gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50 Prozent. Aus heutiger Sicht wird sich daran vorerst nichts ändern, da die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der CoronaPandemie weiter bekämpft werden müssen. Angesichts weiterhin hoher Corona-Neuinfektionen, die schärfere Lockdowns zur Folge haben, wächst aktuell der Druck auf die Politik nochmals zusätzliche Stimulierungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Ein Ende des Gelddruckens von EZB und FED ist damit zunächst weiter nicht in Sicht. Gold sollte hiervon als wertstabile Anlage in einer Papiergeldwelt profitieren. Zu einer Änderung der Notenbankpolitik in den USA dürfte es erst dann kommen, wenn die Inflation über einen längeren Zeitraum über zwei Prozent liegt und gleichzeitig Vollbeschäftigung herrscht. Beide Kriterien zusammen waren in den letzten 20 Jahren nur selten erfüllt. Zinserhöhungen erscheinen daher weiter auf absehbare Zeit unrealistisch. Die Geldschwemme sollte perspektivisch zu mehr Inflation führen und die Realrenditen (Zinsen abzüglich Inflationsrate) von Anleihen weiter in den negativen Bereich drücken.

Zusätzliche schuldenfinanzierte Konjunkturhilfen würden die Inflationserwartungen voraussichtlich steigen lassen und die Realzinsen ebenfalls drücken. Negative Realzinsen sind ein sehr starkes Argument für einen steigenden Goldpreis, denn das große Gegenargument gegen die Goldanlage ist, dass sie keinen laufenden Ertrag (Zinsen oder Dividenden) abwirft. Insgesamt sollten die Zinsen in den USA und Europa wohl noch für lange Zeit auf sehr niedrigem Niveau verharren und daher Gold als zinslose Anlage keine Konkurrenz machen. Man muss sich bei dieser Betrachtung auch stets vor Augen halten, dass aktuell laut Bloomberg das Volumen aller ausstehenden Anleihen mit derzeitiger Negativverzinsung bei fast 18.000 Mrd. US-Dollar liegt – also dem 1,5-fachen des Wertes des jemals geförderten Goldes. Solange an den Rentenmärkten solche Konstellationen herrschen, wird auch der Aufwärtstrend bei Gold anhalten.

Goldangebot aus Minenproduktion könnte strukturell fallen

Generell folgt die Preisfindung auch auf den Edelmetall- und Rohstoffmärkten den Gesetzen von Angebot und Nachfrage. Die weltweite Goldminenproduktion steht für ca. 73 Prozent des jährlich neu hinzukommenden Goldangebots – der Rest entfällt auf die Altgoldaufbereitung. Bereits 2018 könnte die Goldminenproduktion mit 3.509 Tonnen (Wert ca. 206 Mrd. US-Dollar) einen Höhepunkt erreicht haben. In den ersten neun Monaten in 2020 fiel die weltweite Goldminenproduktion vor allem aufgrund der zahlreichen Covid-19 bedingten Minenschließungen im 2. Quartal um 5,4 Prozent auf 2.456 Tonnen. Im 2. Quartal lag der Rückgang sogar bei -10 Prozent. 2021 sollte sich die Produktion wieder erholen, aber generell dürfte das Goldangebot aus laufender Produktion in den kommenden Jahren strukturell fallen. Dies ist vor allem auf kaum mehr nennenswerte Goldfunde in den letzten Jahren, den generell abnehmenden Goldgehalt im Gestein, sowie die in den letzten Jahren geringe Explorationstätigkeit zurückzuführen.

Während die Geldmengen also weltweit wegen der Anleihekäufe der Zentralbanken mit einem enormen Tempo steigen, fällt das Goldangebot. Der Wert des in einem Jahr neu hinzukommenden Goldes kann die neu hinzukommenden Schulden in den USA oder im Euroraum keineswegs aufwiegen. Auch das sämtliche in den Gold-ETFs gehaltene Gold hat aktuell nur einen Marktwert von rund 240 Mrd. US-Dollar. Das ist nur ein Bruchteil bzw. ca. 12 Prozent der Marktkapitalisierung von Apple. Von einer zu starken Positionierung der Anleger in Gold kann daher nicht gesprochen werden.

Fazit: Weiteres Aufwärtspotenzial für Goldpreis in 2021

Von dem Anfang August verzeichneten Rekordniveau – 2.075 US-Dollar pro Unze – hat sich Gold in US-Dollar rund 12 Prozent verbilligt. Die Chancen, dass der Goldpreis seinen im Herbst 2020 unterbrochenen Aufwärtstrend in 2021 wieder aufnimmt, sind angesichts der weiter ultra-lockeren Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken und weiterhin tiefen bzw. negativen Realzinsen gegeben. Auf der Nachfrageseite sollte sich die Investment-Komponente in 2021 zwar schwächer entwickeln, aber dies sollte durch eine anziehende Schmucknachfrage und eine wieder bessere Zentralbanknachfrage kompensiert werden. Auf der Angebotsseite ist mit einem weiteren Rückgang zu rechnen und auch die Markttechnik gibt derzeit eher Kauf- als Verkaufssignale.

 

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