Die Kapitalmarktexperten von Berenberg schauen optimistisch ins neue Jahr.
Vor allem die Rückkehr der USA zu einer ruhigeren Außen- und Handelspolitik unter Präsident Biden und ein sich abzeichnendes Abflauen der Corona-Pandemie im kommenden Frühling sollten dafür sorgen, dass die Weltkonjunktur nach einem noch dunklen Winter im Laufe des Jahres 2021 global anziehen kann. Steigende Unternehmensgewinne, eine lockere Geld- und Fiskalpolitik, negative Realzinsen und hohe Liquiditätsbestände sollten insbesondere die Aktienmärkte stützen. Allerdings könnte es zu Übertreibungen kommen, so dass auch für 2021 kein konstant ruhiges Fahrwasser an den Kapitalmärkten zu erwarten ist.
Nach Ansicht von Berenberg-Chefvolkswirt Dr. Holger Schmieding werden die Ampeln für die Weltkonjunktur spätestens im Frühjahr 2021 auf Grün springen – trotz der jüngsten Wirtschaftseinschränkungen infolge der steigenden Corona-Infektionen. Die Frühphase eines neuen Aufschwungs zeichne sich durch kräftiges Wachstum bei niedriger Inflation aus, so Schmieding. Auch schiebe die Wirtschaftspolitik die Konjunktur stärker an als je zuvor. So werde auch der Rückgang der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal weit weniger ausgeprägt sein als im März und April 2020, weil die Maßnahmen diesmal gezielter seien. Zudem präge Schmieding zufolge eine kräftige Nachfrage aus China die Lage der Industrie. Schmieding sagt: „Spätestens im Frühling dürfte sich die Situation dank wärmeren Wetters und medizinischer Fortschritte spürbar entspannen. Zwischen den beiden Wellen der Pandemie hatte die Eurozone im dritten Quartal 2020 fast die gesamten Verluste aus dem zweiten Quartal ausgleichen können. Das lässt vermuten, dass sich die Konjunktur im Frühling 2021 wieder kräftig vom aktuellen Rückschlag erholen kann.“ Auch das US-Wahlergebnis wertet der Ökonom als positiv für Europa. „Das Trump-Risiko eines echten US-EU Handelskrieges ist voraussichtlich vom Tisch“, so Schmieding.
Kurzfristig werde die Inflation bei noch hoher Arbeitslosigkeit niedrig bleiben, sollte aber auf Sicht von drei Jahren zunehmen, was FED und EZB auch zulassen würden. Sie wollten die Konjunktur möglichst lange stützen und würden wohl erst bei deutlich höherer Inflation gegensteuern. Für Konjunktur und Märkte sei dies positiv. Auch Prof. Dr. Bernd Meyer, Chefanlagestratege und Leiter Multi Asset im Wealth und Asset Management von Berenberg, teilt diese Ansicht: „Wir sind in weiten Teilen der Welt in der Frühphase eines kräftigen Aufschwungs. Die Inflation ist niedrig, Geld- und Fiskalpolitik unterstützen. Das ist eine gute Ausgangssituation. Die Rezession haben wir hinter uns.“
Auf der Anleiheseite erwartet Meyer, dass die Renditen sicherer Staatsanleihen im Aufschwung graduell steigen dürften. Unternehmensanleihen blieben attraktiver, aber es ist gut vorstellbar, dass sich 2021 sowohl Aktien als auch Rohstoffe besser entwickeln, da Risikoaufschläge bereits jetzt wieder unter ihren langfristigen Durchschnitten liegen, Unternehmensanleihefonds bereits deutliche Zuflüsse gesehen haben, und die Welle von Insolvenzen erst noch kommen dürfte. Die Jagd nach Rendite, weniger Angebot und die weiterhin hohen Käufe der Zentralbanken dürften Unternehmensanleihen jedoch vorerst weiter unterstützen. Der US-Dollar sollte weiter abwerten. Gold bleibe angesichts negativer Realzinsen und steigender Staatsverschuldungen mittelfristig unterstützt.
Laut Meyer ist vor allem die Ausgangssituation für Aktien sehr gut: Die Unternehmensgewinne dürften deutlich steigen und auch das Geldmengenwachstum sei stark. „Negative Realzinsen, lockere Geld- und Fiskalpolitik, hohe Liquiditätsbestände, und ihre relative Bewertung sprechen ganz klar für Aktien“, so Meyer. Insbesondere europäische Aktien und Titel aus Schwellenländern sollten von einer Erholung des globalen Wachstums profitieren. Auch Schwellenländer-Währungen dürften weiter zulegen. Allerdings könnte es insgesamt im Zuge der Konjunkturerholung zu deutlichen Übertreibungen an den Märkten kommen, die nachfolgend einer schmerzhafteren Korrektur bedürften. Deshalb sei für das Gesamtjahr nicht mit konstant ruhigem Fahrwasser zu rechnen. Zum Überraschungssieger 2021 können Meyer zufolge britische Aktien werden. Sie seien relativ günstig bewertet und bei Anlegern deutlich untergewichtet. Sollten sie die Brexit-Unsicherheit hinter sich lassen, sei hier mit einem Anstieg zu rechnen.
Belastend könnten sich Meyer zufolge Corona-Restrisiken auswirken, auch hätten die Märkte bereits einen Großteil dieser Entwicklung mit der starken Erholung seit März eingepreist. Insgesamt erwartet er für das Gesamtjahr weniger eine Gesamtmarktrallye, vielmehr sei Selektivität gefragt. Schon 2020 sei ein Jahr für Aktives Management gewesen, dies könnte auch 2021 auch so werden.
Vor diesem Hintergrund betont Matthias Born, Investmentchef und Leiter Aktien bei Berenberg, dass in einem Umfeld, das von einer Öffnung der Wirtschaft und damit einhergehenden Wirtschaftserholung geprägt ist, zyklischere Bereiche des Marktes und Nebenwerte profitieren sollten. In der Halbleiterbranche, der Luxusgüterindustrie oder auch im Industrie- und Chemiesektor ließen sich Qualitätsfirmen finden, die auch vom besseren Wirtschaftsumfeld profitieren.
Born führt weiter aus, dass die Corona-Krise und ihre Spätfolgen die existieren-den vorhandenen Trends wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung noch einmal beschleunigt hätten. Der Bedarf an Digitalisierung in Unternehmen, Behörden und Bildungseinrichtungen sei weiterhin sehr groß. Zudem werde sich auch das Konsumentenverhalten in Bezug auf den Online-Handel und bargeldloses Bezahlen weiter strukturell verändern und Wachstum für Firmen in diesen Segmenten erzeugen. Die Elektromobilität werde auch durch Förderprogramme weiter vorangebracht, aber auch das Bewusstsein bei den Konsumenten habe sich bezüglich Nachhaltigkeit verändert. Auch der Gesundheitssektor sollte weiterhin im Fokus stehen, zum Beispiel die Diagnostik, die eine höhere Aufmerksamkeit bekommen hat und in der Folge weitere Investitionen getätigt würden. Auf der anderen Seite sei fraglich, ob sich in manchen anderen Branchen wieder alles normalisieren wird – etwa im Markt für Geschäftsreisen oder im Immobiliensegment mit dem wohl niedrigeren Bedarf an Büro- und Einzelhandelsflächen „Wir fühlen uns mit unseren Investmentansatz basierend auf Unternehmen mit strukturellen Wachstumstreibern, hohen Markteintrittsbarrieren, herausragenden Management-Teams und exzellenten Bilanzen gut für die Zukunft aufgestellt. Eine Krise hat schon immer dazu geführt, dass gut aufgestellte Firmen weiter deutlich Marktanteile gewinnen konnten“, sagt Born.
Bastian Schiedat, Leiter des ECM Syndikats für Kontinentaleuropa bei Berenberg, ist auch für den IPO-Markt positiv gestimmt. Die Pipeline an Kandidaten sei lang und die Märkte auf Höchstständen. Er sagt: „Wir gehen von einem sehr positiven IPO Jahr für den deutschen Kapitalmarkt aus, da viele Kandidaten in den Startlöchern stehen oder sogar bereits aktiv den Schritt an die Börse vorbereiten.“
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