Durch einen neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung – offizieller Stand vom 14. Oktober 2020 – mit dem Ziel der präventiven Restrukturierung und Sanierung vor Eintritt der Insolvenz, müssen Vermieter befürchten, dass nunmehr auch außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens die kurzfristige Kündigung langlaufender Mietverträge möglich ist.
Der derzeitige Entwurf des „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“ (StaRUG-RegE) geht auch auf eine EU-Restrukturierungsrichtlinie 2019/1023 zurück, die eine Fortentwicklung und Ergänzung des Sanierungs- und Insolvenzrechts erfordert.
Auch die Covid-19-Pandemie und die Abmilderung ihrer wirtschaftlichen Folgen bewogen die Bundesregierung dazu, den Gesetzesentwurf schnell in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Ob es tatsächlich – wie bisherig anvisiert – schon am 01. Januar 2021 in Kraft treten soll, ist aufgrund der Kürze des noch verbleibenden Zeitraums zu bezweifeln.
Derzeit ist jedoch davon auszugehen, dass eine Mehrheit der Abgeordneten für den Gesetzesentwurf in der aktuellen Ausgestaltung stimmen könnte. Deshalb informieren wir Sie gerne bereits jetzt über die wichtigsten geplanten Regelungen, und insbesondere deren Auswirkungen auf befristete Mietverträge.
Kündigung vor Ende der Laufzeit bei Insolvenz
Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig und deswegen zwingend ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, kann der Insolvenzverwalter bisher schon die Kündigungsmöglichkeit des § 109 InsO nutzen. Er hat dadurch die rechtliche Möglichkeit, Mietverträge mit Festlaufzeiten ordentlich vor Ende der Laufzeit zu kündigen. Der insolvente Mieter kann seine finanziellen Lasten dadurch kurzfristig deutlich reduzieren.
Ende des Mietverhältnisses durch gerichtlichen Beschluss
Im Rahmen des StaRUG-RegE wird ein vergleichbares Instrumentarium in Form der Vertragsbeendigung nach § 51 ff. StaRUG-RegE implementiert. Auf Antrag des Schuldners kann das neue geschaffene Restrukturierungsgericht einen Mietvertrag durch einen gerichtlichen Beschluss (§ 52 StaRUG-RegE) beenden. Als Folge des Beschlusses endet das Mietverhältnis dann regelmäßig mit einer nur dreimonatigen Frist. Das Gericht kann aber über den Antrag des Mieters nur entscheiden, wenn er gleichzeitig mit einem Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans verknüpft ist. Die Entscheidung über die Vertragsbeendigung und die Bestätigung müssen zwingend in einem einheitlichen Beschluss ergehen.
Nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Mieters
Die Vertragsbeendigung ist von dem angerufenen Restrukturierungsgericht nur dann möglich, wenn der Mieter drohend zahlungsunfähig ist. Auch muss der Mieter zuvor den ernsthaften Versuch unternommen haben, den anderen Teil zu einer Vertragsanpassung oder Beendigung zu bewegen. Nur wenn der Vermieter zu erkennen gegeben hat, dass er eine solche Lösung verweigert, kann der Mieter die Beendigung des Vertrags erwirken.
Risiko der Verträge besteht schon lange
Was zunächst wie eine völlig neue Bedrohung der Mietverhältnisse wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein schon lange bestehendes Risiko der Verträge. Denn der Mieter könnte schließlich auch bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit aus eigenem Antrieb und freiwillig den Weg in ein formelles Insolvenzverfahren wählen, in welchem er die Vertragsbeendigung direkt über § 109 InsO erwirken kann. Da regelmäßig die besondere insolvenzrechtliche Spielart der Eigenverwaltung bei solch freiwilligen Insolvenzverfahren vom Insolvenzgericht bestimmt wird, kann der Mieter auch in Form seiner eigenen Geschäftsführung ohne Einschaltung eines Insolvenzverwalters über den Gebrauch des § 109 InsO entscheiden.
Vertragsanpassung oder gerichtliche Vertragsbeendigung
Im Rahmen eines gewählten Restrukturierungsverfahrens kann der Mieter den Vermieter aber dazu auffordern, dass entweder eine Vertragsanpassung stattfindet oder eine gerichtliche Vertragsbeendigung durch Beschluss erwirkt wird. Hierdurch erhält der Mieter eine gute Verhandlungsposition, die die Vermieterseite eher zu einer einvernehmlichen Lösung verleitet. Auch wird sich hierbei tatsächlich auswirken, dass die Vertragsbeendigung durch das Gericht nur dann nicht erfolgen kann, wenn das Restrukturierungskonzept, dass dem Restrukturierungsplan zugrunde liegt, offensichtlich nicht sachgerecht ist (§ 51 Abs. 2 StaRUG-RegE). Die Hürde ist dahingehend nicht allzu hoch gehängt, sofern das Gericht die Plausibilität des Vorgehens nicht grundsätzlich in Abrede stellt. Insbesondere bei einem Mietverhältnis, das die marktüblichen Mietzinsen überschreitet, besteht insofern dann ein erhöhtes Risiko für den Vermieter, dass er sich künftig hier früher kompromissbereit zeigt, sofern eine Fortsetzung des Vertrags gewünscht wird.
Mieterinteressen höher zu bewerten als die Vermieterinteressen
Auch durch diese Vertragsbeendigungsmöglichkeit weicht der Gesetzgeber den alten Rechtsgrundsatz auf, dass Verträge einzuhalten sind. Die Zielrichtung ist auch hier klar erkennbar, die Mieterinteressen sind in der Waagschale regelmäßig höher zu bewerten als die Vermieterinteressen, wenn die Zahlungsunfähigkeit schon nur droht. Der Gesetzgeber versucht durch den Alternativweg zur Insolvenz in Eigenverwaltung auch die höhere Kostenlast für den Mieter, die aus der Durchführung eines freiwilligen formellen Insolvenzverfahrens herrührt, zu vermeiden.
Sofern das Gesetzesvorhaben – in Form des Regierungsgesetzesentwurfs – parlamentarisch angenommen und ausgefertigt wird, besteht in Zukunft eine nicht zu unterschätzende Wahlmöglichkeit des Mieters zwischen der Durchführung eines formellen Insolvenzverfahren bzw. eines Restrukturierungsverfahrens. Inwiefern die Praxis dann tatsächlich von beiden Alternativen Gebrauch macht und ob die Vertragsbeendigung über die §§ 51 ff. StaRUG-RegE – insbesondere im Hinblick auf die Covid-19-geplagte Mieterschaft – Schule macht, bleibt abzuwarten.
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