Synchronisierte Geld- und Fiskalpolitik führt zu Rekordverschuldung

 

Laut den Experten von J.P. Morgan Asset Management wird der im Zuge der Pandemie begonnene neue Konjunkturzyklus durch die umfangreichen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen besonders geprägt sein. In einer umfangreichen Analyse gehen sie der Frage nach, welche Auswirkungen die Maßnahmen der Regierungen und Zentralbanken zur Bewältigung der COVID-19-Krise auf Volkswirtschaften und Kapitalmärkte haben werden. Während sich die langfristigen Wachstums- und Inflationsprognosen kaum ändern, sinken die Renditeerwartungen für die Anleihen- und Aktienmärkte deutlich, weshalb Anleger gefordert sind, neue Ertragsquellen zu erschließen. „Um das neue Jahrzehnt erfolgreich zu meistern, wird es für Investoren notwendig, ihr Portfolio neu auszurichten. Wenn traditionelle ‚sichere Anlagehäfen‘ keine Erträge mehr generieren, gilt es umzudenken und eine breitere Diversifizierung, beispielsweise in alternative Anlagekassen, in Betracht zu ziehen. Investoren müssen die Chancen auf Portfolioebene erweitern und versuchen, verschiedene Risikoprämien zu monetarisieren“, erläutert Jens Schmitt, Leiter Institutional Sales in Deutschland und Österreich bei J.P. Morgan Asset Management.

Dies ist eine der zahlreichen Erkenntnisse des aktuell veröffentlichten langfristigen Kapitalmarktausblicks (Long-Term Capital Market Assumptions – kurz LTCMA) von J.P. Morgan Asset Management. Seit nunmehr 25 Jahren wird für diese umfangreiche Publikation die Expertise der globalen Investment- und Strategieteams gebündelt und ein Blick über einen Anlagehorizont von zehn bis 15 Jahren in die Zukunft geworfen. In den Researchprozess fließen quantitative und qualitative Analysen sowie Erkenntnisse von mehr als 30 Experten ein. Basierend auf diesen Annahmen werden die langfristigen Kapitalmarkt- und Risikoerwartungen für 200 Anlageklassen und Strategien festgelegt, die dazu beitragen, strategische Asset Allokation von J.P. Morgan Asset Management und den Investoren zu unterstützen.

Wachstumsprognosen leicht positiv

Die aktuelle 25. Auflage der LTCMA zeigt sich deutlich geprägt durch die Pandemie, die nicht nur für die heftigste Rezession, sondern für die schnellste Erholung aller Zeiten sorgte. Der neue Konjunkturzyklus sei nun durch eine einmalige synchronisierte Geld- und Fiskalpolitik gekennzeichnet. „Angesichts der niedrigeren Ausgangswerte infolge der von COVID-19 verursachten Rezession konnten wir den meisten BIP-Wachstumsprognosen einen kleinen konjunkturbedingten Bonus hinzufügen. Unsere Wachstumsprognosen für Schwellenländer übertreffen dabei weiterhin die der Industrieländer, da sich die Produktivität der Schwellenländer allmählich dem Niveau der Industrieländer annähert”, führt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, aus.

So fallen die Erwartungen für das reale globale Wachstum dieses Jahr etwas optimistischer aus und die Prognose für das globale Wachstum liegt mit 2,4 Prozent für die nächsten zehn bis 15 Jahre um zehn Basispunkte (Bp.) höher als in der Vorjahresschätzung. Grund ist die Anhebung der Prognose für die Industrieländer um 0,1 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent. Diese spiegelt wiederum vollständig den zyklischen Wachstumsvorteil wider, den die Experten von J.P. Morgan Asset Management den Volkswirtschaften zuschreiben, die sich aus der Rezession befreien und ihre Produktionslücken schließen. Die Prognose von J.P. Morgan Asset Management für die Schwellenländer liegt unverändert bei 3,9 Prozent. Der leichte Rückgang des Trendwachstums wird durch einen zyklischen Bonus ausgeglichen.

Ähnlich wie die Wachstumsprognosen haben sich auch die Inflationsprognosen kaum geändert. Der Ausblick für die globale Gesamtinflation bleibt mit 2,2 Prozent intakt. Die meisten der Inflationsprognosen für Industrieländer sind unverändert, und die Prognose für Schwellenländer bewegt sich trotz geringfügiger Abwärtskorrekturen für einige Länder mit 3,3 Prozent ebenfalls seitwärts.

Für die kommende Dekade erwarten die Experten allerdings aktivere Maßnahmen zur Konjunkturbelebung als sie jemals in der modernen Finanzgeschichte in Friedenszeiten gesetzt wurden. Die Finanz- und Geldpolitik dürfte sich dabei synchron in die gleiche Richtung bewegen, um die gesetzten wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. „Dies bedeutet eine deutliche Veränderung gegenüber den letzten Jahrzehnten, in denen eine expansive Zentralbankpolitik häufig durch Haushaltskonsolidierungen oder staatliche Sparprogramme ausgeglichen wurde. Höhere Staatsausgaben sind im nächsten Zyklus unvermeidlich. Wir begrüßen diese Entwicklung vorsichtig, in dem Bewusstsein, dass eine schlecht umgesetzte finanzpolitische Expansion verheerende Sekundäreffekte haben kann“, führt Tilmann Galler aus.

Als Folge der bisher nie gesehenen Hilfspakete dürfte das Umfeld mit erhöhter Verschuldung voraussichtlich noch einige Zeit erhalten bleiben. „Die Zentralbanken haben kaum eine andere Wahl, als sich weniger auf die Eindämmung der Inflation und vermehrt auf die Bewahrung der Finanzstabilität zu konzentrieren. Dies ist eine bedeutende Änderung, und die Anreize der Zentralbanken werden sich möglicherweise zunehmend stärker an Emittenten als an Inhaber von Schuldtiteln richten“, erläutert Galler.

Ertragsprognosen der Anlageklassen machen Umdenken der Investoren erforderlich

Aktien: Die Auswirkungen erhöhter Bewertungen sind bei US-Large-Caps am stärksten ausgeprägt. Hier wird die langfristige Ertragsprognose um 1,5 Prozentpunkte auf 4,1 Prozent gesenkt. Dies bedeutet einen Rückgang der globalen Aktienrenditen um 1,2 Prozentpunkte auf 4,8 Prozent. Parallel wird die Prognose für globale Aktien außerhalb der USA um 0,7 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent gesenkt, trotz eines Renditezuwachses in einigen Märkten außerhalb der USA.

Anleihen: Unternehmens- und Schwellenländeranleihen bleiben ein Lichtblick. Angesichts der extrem niedrigen Anfangsrenditen ist jedoch zu erwarten, dass die meisten Staatsanleihen in den nächsten zehn bis 15 Jahren negative Realrenditen erzielen werden. Die Schätzungen der Gleichgewichtsrenditen bleiben für den Geldmarkt und 30-jährige Anleihen in den meisten Währungen unverändert, sind jedoch im 10-jährigen Bereich etwas niedriger, um eine höhere strukturelle Nachfrage im „Bauch“ der Kurve zu berücksichtigen, wenn die Bilanzen der Zentralbanken wachsen. „Da die globalen Zentralbanken für einen längeren Zeitraum niedrige Zinssätze festgeschrieben haben, erwarten wir eine Normalisierung der Zinssätze frühestens im Jahr 2024. Sobald die Zinssätze jedoch angehoben werden, dürften sie rasch steigen, vor allem wenn infolge der fiskalischen Anreize eine gewisse Reflation eingetreten ist“, betont Galler.

Alternative Anlagen: Bei den „Real Assets“ haben sich die Erträge bemerkenswert gut behauptet. Die Prognosen für Kernimmobilien in den USA und im asiatisch-pazifischen Raum steigen um 0,1 Prozentpunkte auf 5,9 beziehungsweise 6,6 Prozent, während die Kernimmobilien in Europa (ohne Großbritannien) unverändert bei 5,0 Prozent liegen. Insbesondere die Sektoren Infrastruktur und Transport bieten Anlegern langfristig herausragende Erträge: So stiegen die Renditeprognosen für Core-Infrastruktur bei der diesjährigen Betrachtung um 0,1 Prozentpunkte auf 6,1 Prozent und für die neu in diesem Jahr aufgenommene Anlageklasse Core-Transport auf 7,6 Prozent.

Die Prognosen für Private Equity werden um 1,1 Prozentpunkte auf 7,7 Prozent gesenkt. Gründe hierfür sind höhere Bewertungen und der Wettbewerb unter potenziellen Käufern sowie eine Verlangsamung der Mittelbeschaffung und zunehmende Marktverwerfungen. Dem gegenüber steht eine leichte Verbesserung der Alpha-Erwartungen basierend auf der Fähigkeit, Liquiditätsreserven in einer aus den Fugen geratenen Wirtschaft und zur Umschichtung in wachstumsstärkere Sektoren produktiver einzusetzen.

Die Prognosen für Hedgefonds-Strategien wurden in diesem Jahr angesichts des niedrigeren Ertragspotenzials an den öffentlichen Kapitalmärkten gesenkt. Wir glauben jedoch, dass sich die Bedingungen für die Alpha-Generierung derzeit verbessern, was die Bedeutung der Managerauswahl erhöhen wird.

Die Ertragserwartungen für ein 60/40 Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen fallen für Euro-Investoren deutlich von 3,2 Prozent auf 2,7 Prozent. Die Effizienzgrenze zwischen Aktien und Anleihen ist in diesem Jahr ebenfalls auf ein sehr niedriges Niveau gefallen. So lautet Jens Schmitts Fazit: „Bisher ging es im frühzyklischen Stadium weitgehend um eine Ausdehnung des Risikoengagements, um Erträge abzuschöpfen. Heute stehen Investoren vor dem strukturellen Problem niedriger Renditen verbunden mit erhöhten Bewertungen. Sie müssen unangenehm hohe Marktrisiken in Kauf nehmen, um eine akzeptable Rendite zu erzielen. Doch es mag effizientere Wege geben, das Risiko-Ertragsspektrum des Portfolios auszunutzen. Erfahrene externe Partner können helfen, den Blick auf neue Anlageklassen und alternative Marktsegmente zu richten, um Wege aus dem Dilemma des neuen Zyklus zu finden.“

 

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