Von Klaus Ostholt, Vorstand der A.S.I. Wirtschaftsberatung AG

 

Die Zahl der Versicherungsvermittler in Deutschland sinkt. Seit Jahresbeginn sind es wieder fast 2.000 Berater weniger, wie eine aktuelle Studie von Prof. Beenken belegt. Anders als oft beschrieben, dürfte die Ursache dafür nicht allein an den gestiegenen Zulassungsvoraussetzungen liegen.

Bei der Ursachenforschung lassen sich vielfältige weitere Gründe ausmachen. Auch die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown hat viele Beraterinnen und Berater vor Herausforderungen gestellt. Reaktionsschnelligkeit war neben den fachlichen Kompetenzen gerade zu Beginn der Pandemie gefragt. Mandanten erwarteten einen verlässlichen Partner, der den Überblick behält. Ausschlaggebend für ein erfolgreiches Krisenmanagement war vor allem das Aufrechterhalten der Kundenbeziehung. Diesen Test bestanden sicherlich nicht alle.

Die hohen Anforderungen an den Beruf und das sich ständig wechselnde Umfeld sind weitere Faktoren, die den Schwund der Vertreter erklären können. Eine fundierte Ausbildung in Finanz- und Versicherungsthemen ist elementar für eine erfolgreiche Kundenbetreuung. Diese ist allerdings zeitintensiv und umfangreich. Hinzu kommen ständige Fort- und Weiterbildungen, die über die Karriere hinweg anhalten. Ein Aufwand der immer mehr abschreckt. Weitere Faktoren für die sinkenden Vertreterzahlen sind die gestiegene Konkurrenz im Online-Geschäft und die zunehmende Eigenständigkeit der Zielgruppe. Nie war die Auswahl an Finanz- und Versicherungsprodukten so groß und deren Abschluss scheinbar so einfach. Das Verständnis für den Wert einer grundlegenden und individuellen Beratung scheint zu sinken.

Höhere Anforderungen schaffen auch eine höhere Attraktivität der Aufgabe Die gestiegenen Anforderungen können aber auch ein Grund sein, sich für den Beruf des Beraters zu entscheiden – vor allem dann, wenn ein echtes Interesse daran besteht, Menschen zu helfen und dabei die eigenen Kompetenzen umfassend einzubringen.

Deshalb liegt die Zukunft für Versicherungs- und Finanzexperten in der selbstständigen Tätigkeit. Banken und Versicherungen können dem breiten Expertenwissen der jungen Leute und erfahrenen Berater/innen oft nicht mehr gerecht werden, weil sie nur ein limitiertes Feld der Finanzberatung abdecken. Zu Vorgabenorientiert müssen sie arbeiten und zu eingeschränkt sind gut ausgebildete Berater/innen in ihren Möglichkeiten sich zu entfalten.

Angst vor der Selbstständigkeit?

Für einen sicheren Start braucht es die richtigen Anreize sowohl für junge als auch erfahrene Kandidaten. Eine etablierte Fachkraft aus einem Angestelltenverhältnis hat sicherlich andere Ansprüche an eine Stelle als eigenständiger Berater, als ein Studienabsolvent. Für beide Situationen gibt es geeignete Einstiegsmodelle – sowohl hinsichtlich der ergänzenden Ausbildung als auch für die Übernahme oder den Aufbau eines Mandantenstamms.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist auch die Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen. Mit einer Spezialisierung auf krisensichere Berufsgruppen lässt sich der Karriereweg absichern und die Attraktivität der eigenen Arbeit steigt.

Zudem ist nicht erst seit Corona klar, dass ein zukunftsfähiges Arbeitsmodell die Familie und Freizeit berücksichtigen muss. Die Balance aus Arbeit und Familie ist elementar und oft ein unterschätztes Kriterium. Als freier Vertreter obliegt die Zeiteinteilung einem selber.

Kernfaktor ist aber die Freiheit zur wirklich vollumfänglichen Beratung der Mandanten. Wer dabei die sprichwörtliche „Extrameile“ läuft, macht das für sich selbst und sieht auch den konkreten Erfolg.

Über allem steht immer auch der finanzielle Aspekt. Eine gute Unterstützung und ein erster Bestand an Kunden sorgt für Sicherheit bei der Umstellung auf eine selbstständige Tätigkeit. Außerdem kann ein klarer Karriereplan helfen, in dem Ziele, wie die Übernahme von Geschäftsgebieten, aufgezeigt werden.

Alles in Allem: Finanzberatung ist ein anspruchsvoller aber genau deswegen zukunftssicherer Beruf. Die Branche muss das nur offensichtlicher darstellen.

 

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