Ein Marktkommentar von Christian Steiner, Portfoliomanager bei der Bayerische Vermögen Management AG.

 

Erst der Tech-Crash, der genau genommen schlimmstenfalls eine Marktkorrektur war, und jetzt auch noch die Gerüchte rund um den Wasserstoff-Pionier Nikola – wer dieser Tage einen starken Fokus auf Technologiewerte aus den USA hat, schläft vermutlich unruhig. Doch wie so oft, sollten Anleger die jüngsten Ereignisse nicht überbewerten und darin kein Crash-Signal sehen. Vielmehr ist zu erwarten, dass der Markt langsam aber sicher Vernunft walten lässt. Doch der Reihe nach.

Das Pendel schwingt zurück

Über viele Jahre dominierten Aktien wie Facebook, Microsoft, Apple oder auch Alphabet die wichtigen Indizes. Die Gewichtung der großen Tech-Titel im marktbreiten S&P 500 wuchs teils auf über 25 Prozent. Trotz des bestehenden Megatrends der Digitalisierung und der zu Recht guten Aussichten für Tech-Unternehmen spricht nun einiges dafür, dass sich die zuletzt große Divergenz zwischen Tech und klassischen Branchen wieder einengt. Mit der fundamentalen Perspektive von Unternehmen wie Apple oder Facebook hat das weniger zu tun, als mit Markttechnik und Psychologie.

Nachdem der Markt die großen Technologietitel über Jahre bevorzugt hat, dürfte jetzt eine Phase der Normalisierung bevorstehen. Die jüngsten Daten aus dem verarbeitenden Gewerbe zeigen, dass auch klassische Industrieunternehmen nach der Krise wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Hinzu kommt, dass die ambitioniert bewerteten Tech-Titel vor der US-Präsidentschaftswahl riskanter erscheinen, als zu Beginn einer Amtsperiode. Dass sich Donald Trump und die liberalen Vertreter der Tech-Konzerne aus Kalifornien nicht ganz „grün“ sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn politische Börsen bekanntermaßen kurze Beine haben, dürfte das Wahlkampf-Getöse in den USA zuletzt bestimmt den ein oder anderen potenziellen Investor von Twitter und Co. abgehalten haben.

Gerade Tech-Anleger brauchen Stabilität

Zwar ist die gute Perspektive der großen Tech-Titel unbestritten, doch sollten Investoren marktbreiter agieren. Starke Marken etablierter Unternehmen, wie etwa Nestlé, Coca-Cola oder auch Unilever dürften sich während einer Phase volatiler Marktbewegungen als Stabilitätsanker im Portfolio erweisen. Selbst eine Korrektur erscheint vor den US-Präsidentschaftswahlen nicht unwahrscheinlich. Indizes wie der Nasdaq 100 dürften dann mit am deutlichsten einbüßen, da sie zuvor auch stärker gestiegen sind.  Statt sich in einer Zeit der Unsicherheit und der wachsenden politischen Risiken in einer der ältesten Demokratien der Welt vom Aktienmarkt zu verabschieden, sollten tech-affine Anleger auf Substanzwerte setzen. Derart aufgestellt, kann es auch während turbulenten Marktphasen gelingen, dem Aktienmarkt treu zu bleiben. So viel ist sicher: Aktien bleiben alternativlos – sie sind aber immer weniger ein Selbstläufer.

 

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