‘k-mi’ beobachtet regelmäßig die Entwicklung des Finanzdienstleistungsmarktes in Großbritannien.
Gilt dieser doch laut Verbraucherschützern nach der Einführung eines Provisionsverbotes als das neue ‘gelobte Land’ für Privatanleger und damit als Vorbild für Deutschland (vgl. ‘k-mi’ 17/17). Anhand einer aktuellen Statistik der EU-Wertpapieraufsicht ESMA haben wir dies aber unlängst widerlegt. Neben den zahlreichen empirischen Belegen für das Vorhandensein einer ‘Beratungslücke’ nach Einführung des Provisionsverbotes schneiden laut ESMA z. B. ausgerechnet Investmentfonds in UK bei der Performance für britische Anleger EU-weit deutlich unterdurchschnittlich ab (vgl. ‘k-mi’-Special 16/20).
Aktuelle Daten der britischen Finanzaufsicht FCA gießen nun weiteres Wasser in den ideologischen Argumentations-Wein der Verbraucherschützer:
Nach den letzten sog. ‘Retail Investments Product Sales Data (PSD)’ der FCA ist in Großbritannien die Beratungsquote z. B. bei Investmentfonds von 57 % im Jahr 2006 auf 10 % im Jahr 2019 gefallen! Auch wenn sich hier ggf. noch andere langfristige Trends widerspiegeln (mehr Selbstentscheider und höhere Beratungskosten durch Regulierung), ist in der entsprechenden Grafik klar abzulesen, dass die Schere zwischen ‘Advised Sales’ und ‘Non-Advised Sales’ erst mit der Einführung des Provisionsverbots ab 2013 aufgeht. Dies ist ein klarer Beleg für das Entstehen einer Beratungslücke in UK durch das Provisionsverbot!
Aktuell hat die FCA weitere Statistiken vorgelegt zum ‘The retail intermediary market 2019’, eine Erhebung, die seit 2016 in England erfolgt. Eine der wesentlichen Erkenntnisse, die die britische Aufsicht selbst hervorhebt: Der Anteil der Honorare (Initial advice charges) am Gesamtumsatz von Beratern sinkt permanent, allein im Jahr 2019 um 14 % gegenüber dem Vorjahr. Mittlerweile führt dies dazu, dass der Anteil der laufenden Servicegebühren (ongoing adviser changes) auf 70 % steigt (+16 % in 2019).
Die Welt in England ist also viel komplizierter, als Verbraucherschützer die Politik Glauben machen wollen: Die Haupteinnahmequelle von Beratern in UK sind da-mit nicht Honorare, sondern (inzwischen) mit großem Abstand laufende Servicegebühren! Der Mythos von der von Interessenkonflikten klinisch gereinigten Honorarwelt in Großbritannien ist damit hinfällig. Denn nach der ‘reinen Lehre’ der Honorarberatung sind Servicegebühren umstritten, sie gelten als ‘Honorarberatung light’: Zwar partizipieren Berater dadurch auch vom Anlageerfolg ihrer Kunden, aber eben auch, wenn diese größere Summen investieren, worauf die FCA explizit hinweist.
Der Siegeszug der Servicegebühren bedeutet aber eben auch, dass sich viele Kunden Upfront-Honorare nicht leisten können (oder wollen) und Berater nicht davon leben können. Dies bestätigen nun die Zahlen aus England: Anders als in der naiven Traumwelt manches Verbraucherschützers können (die meisten) Honoraberater – auch angesichts der immer schneller anwachsenden Regulierungskosten – nicht nur von ‘Laufkundschaft’ leben, die für eine Beratung ‘reinschneit’ und Cash dalässt auch ohne Abschluss. Die Langfristigkeit einer Kundenbeziehung ist auch für Honorarberater entscheidend, und da kommen die Servicegebühren und Abschlüsse ins Spiel, wodurch sich die Unterschiede zwischen den Vergütungssystemen hinsichtlich Interessenkonflikten deutlich nivellieren.
‘k-mi’-Fazit: Die Daten und Fakten aus England entlarven die ideologischen Parolen für ein Provisionsverbot als Irrweg, der vor allem sozial Schwächere ausschließt. Die Ausrichtung nach den realen Bedürfnissen der Verbraucher wird in Zukunft im Retailsegment immer stärker in Form der (ggf. friedlichen) Koexistenz von – im Wesentlichen fünf – Vertriebswegen bzw. Absatzmärkten geschehen: Dies sind ++ die Provisionsberatung ++ die Honorarberatung ++ die klassischen Selbstentscheider sowie im ‘unteren’ Retailsegment ++ automatisiererte Fintech-Angebote bzw. Robo-Advisor mitsamt Mischformen sowie schließlich zu einem gewissen Anteil auch ++ die gewerbliche und kostenpflichtige Verbraucher-‘Beratung’ durch Verbraucherzentralen in Finanzthemen. Ausgerechnet Letztere ist jedoch für die Verbraucher, die sich an eine Verbraucherzentrale wenden (müssen) und damit am schutzbedürftigsten sind, gesetzlich und aufsichtsrechtlich völlig unreguliert vor allem hinsichtlich Kosten, Dokumentation, Sachkunde und Versicherungspflicht.
‘k-mi’ wird in der nun anstehenden Reformierung von BaFin und Aufsichtsstrukturen die längst überfällige Regulierung der Versicherungs- und Finanz-‘Beratung’ durch Verbraucherzentralen, die unerklärlicherweise die letzte Grauzone und eine Wettbewerbsverzerrung im Markt darstellt, bei der Politik einfordern!
Verantwortlich für den Inhalt:
kapital-markt intern Verlag GmbH, Grafenberger Allee 337a, 40235 Düsseldorf, Tel: +49(0)211 6698-199, www.kapital-markt-intern.de