Mit Urteil vom 10.07.2020 hat das LG Karlsruhe die Klage des P&R-Insolvenzverwalters gegen einen P&R-Investor abgewiesen.
Der Insolvenzverwalter der Kanzlei Jaffé hatte vor dem LG Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend gemacht – und zwar in Höhe aller Zahlungen, die der Anleger in den vier Jahren vor der P&R-Pleite erhalten hatte. Zu den Hintergründen dieser sog. ‘Pilotklage’ hatten wir in ‘k-mi’ 42/19 berichtet.
Im Oktober 2019 teilte die Kanzlei Jaffé auf ‘k-mi’-Anfrage dazu folgendes mit: “Um etwaige Anfechtungsansprüche rechtssicher prüfen zu können (…), war es von Anfang an beabsichtigt (…) nur wenige Pilotprozesse zur Klärung der Rechtslage zu führen. Deshalb sind jetzt einzelne Anleger, die für ein solches Pilotverfahren in Betracht kommen, weil sie repräsentativ für eine Vielzahl von Anlegern stehen, im Vorfeld angeschrieben worden (…) Dabei handelt es sich durchweg um solche Anleger, die heute keine Forderung in den Insolvenzverfahren haben, da ihre Anlage vor der Insolvenz in voller Höhe zurückgeführt wurde. Die Rückforderungssumme ergibt sich dabei aus der Summe der Zahlungen, die die betroffenen Anleger von P&R in den letzten vier Jahren vor Insolvenzantragstellung erhalten haben (Mietzahlungen & Rückkauf) und beläuft sich dabei in der Regel auf einen Betrag zwischen 9.000 und maximal 30.000 Euro, wobei gezielt Anleger ausgesucht wurden, die aller Voraussicht nach in der Lage sind, eine entsprechende Klage auch führen zu können“ (vgl. ‘k-mi’ 42/19).
Mittlerweile sind acht Pilotprozesse hierzu anhängig. Mit dem Urteil des LG Karlsruhe liegt nun eine erste Entscheidung vor. Zum Hintergrund des Verfahrens: Nach § 134 Insolvenzordnung ist eine unentgeltliche Leistung anfechtbar, sofern sie vier Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Solche Rückforderungen sind grundsätzlich auch für sog. ‘Scheingewinne’ bei ‘Schneeballsystemen’ möglich. Hierzu gibt es eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes z. B. zum Fall ‘Phoenix Kapitaldienst’. ‘k-mi’ hatte ebenso wie bei P&R (ab 1994) frühzeitig vor Phoenix (ab 1995) gewarnt. Inwiefern nun die u. a. an Phoenix herausgebildete BGH-Rechtsprechung auf P&R übertragbar ist, wird nun zur großen Frage.
Der Insolvenzverwalter, so der BGH seinerzeit zu Phoenix, “kann die Auszahlung von in ‘Schneeballsystemen’ erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten.” Allerdings sagte der BGH auch: “Bei der Bestimmung der unentgeltlich ausgezahlten Scheingewinne ist die ursprüngliche Einzahlung in voller Höhe von den Auszahlungen abzuziehen und nicht nur der nach Ansicht des Klägers noch vorhandene Teil der Einlage” (z. B. BGH Az. IX ZR 18/10, IX ZR 60/10). Der Insolvenzverwalter kann also nicht nachträglich irgendwelche (fiktiven) Gebühren oder Verluste von der Einlage in Abzug bringen, um den Rückforderungsbetrag zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Pilotklage des P&R-Insolvenzverwalters im Grunde schon systemwidrig, da dieser dort alle Zahlungen im Vier-Jahreszeitraum vor der P&R-Insolvenz zurückfordert, unabhängig davon, ob es sich um Gewinne oder den Rückkauf handelt.
Hier wird es dann allerdings schon kompliziert, da bei einem Container-Investmentprogramm zunächst unklar ist, was Einlage und was Gewinnauszahlungen sind. Direktinvestments mit fester Rückkaufzusage gelten aus steuerlicher Sicht als ein Finanzierungsgeschäft bzw. eine Kapitalüberlassung. Mietzahlungen und Rückkaufpreis setzen sich steuerlich aus Tilgung und Zinsen zusammen und enthalten somit aus steuerlicher Sicht Kapitalrückzahlungen auf eine Einlage. Der Tilgungsanteil entspricht dem gezahlten Kaufpreis und die Zinsanteile unterliegen der Abgeltungsteuer. Dies trifft aber zum überwiegenden Teil nicht auf die Angebote bspw. von Magellan und P&R zu, die konzeptionell keine verbindliche Rückkaufzusage in festgelegter Höhe hatten: Diese galten aufsichtsrechtlich bis Ende 2016 nicht als Vermögensanlagen und aus steuerlicher Sicht als ‘Sonstige Einkünfte’ nach § 22 Nr. 3 EStG, samt planmäßigen Abschreibungen auf die Container.
Vor dem Hintergrund dieser juristischen Gemengelage durfte man gespannt sein, wie eine Einzelrichterin am Landgericht Karlsruhe den komplexen Fall, bei dem es um den Kauf von neun Containern durch den Investor ging, behandelt. Um es vorwegzunehmen: Ausgezeichnet! Das LG Karlsruhe argumentiert u. E. souverän, warum der Insolvenzverwalter keinen Anspruch darauf hat, Zahlungen von den P&R-Investoren zurückzufordern: ++ Der Anleger hat “zu keinem Zeitpunkt Eigentum an neun Seefrachtcontainern des Typs HC1233GC erworben” ++ Der Kauf- und der Verwaltungsvertrag sind einheitlich zu betrachten ++ Anhaltspunkte dafür, “dass der vereinbarte Kaufpreis für die angegebenen Container unangemessen war und bereits die kaufvertraglichen Vereinbarungen einen unentgeltlichen Anteil enthalten haben, bestehen nicht”.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen kommt das LG Karlsruhe zu dem Ergebnis, dass die vom Insolvenzverwalter behauptete “Unentgeltlichkeit” der Leistungen bzw. Zahlungen nicht feststeht. Zur Begründung legt das Gericht die Verträge unabhängig von der Eigentumsfrage folgerichtig als ‘Kapitalüberlassung’ aus und führt dazu wie folgt aus: “Die Zahlung des Garantiemietzinses gegen Kaufpreiszahlung ist nach dem hier vorliegenden vertraglichen Konstrukt zudem mit dem Versprechen einer gewinnunabhängigen Einlagenverzinsung bei einer Kommanditbeteiligung oder einer fest verzinsten Darlehensgewährung vergleichbar, welche ebenfalls als entgeltlich anzusehen sind (…) Die Verpflichtung zur Zahlung des garantierten Mietzinses war unabhängig von der sachenrechtlichen Individualisierung der Container, dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs sowie – bei dem Parteiwillen entsprechender Auslegung – auch unabhängig davon, ob ein initialer Eigentumsübergang tatsächlich rechtlich erfolgreich vollzogen wird, vereinbart. Den Parteien kam es für die weiteren Verpflichtungen der Insolvenzschuldnerin erkennbar im wesentlichen auf die Zahlung des Kaufpreises durch den Beklagten an. Diese war primär mit dem Anspruch auf Zahlung des Garantiemietzinses verknüpft.”
Die Eigentumsfrage tritt auch deshalb in den Hintergrund, da in der P&R-Vertragsgestaltung ein jederzeitiger Austausch der konkreten Container möglich war und somit im Grunde eine Kapitalüberlassung vorliegt: “Der Schwerpunkt der vertraglichen Verpflichtungen der Insolvenzschuldnerin lag in dem Einsatz des durch den Beklagten zur Verfügung gestellten, ‘Kaufpreis’ genannten Betrages im Seecontainergeschäft und der Zahlung des vereinbarten Garantiezinses, wobei der Insolvenzschuldnerin in der Verwaltung weitgehende Freiheiten eingeräumt waren (…) Die Insolvenzschuldnerin war also ermächtigt, jederzeit und ohne Abstimmung mit dem Beklagten, Container zu veräußern oder auszutauschen, ohne dass dies Einfluss auf die sonstigen vertraglichen Verpflichtungen der Parteien, insbesondere die Zahlung des garantierten Mietzinses, haben sollte.” Durch den “untrennbaren Zusammenhang” der Verträge ist dies nicht nur auf die ‘Mieten’, sondern analog auch auf die Zahlung des Rückkaufpreises anzuwenden.
“Gemeinsam mit unserem Mandanten bin ich sehr erfreut über das Urteil”, so Alexander Pfisterer-Junkert, Rechtsanwalt und Partner bei BKL Fischer Kühne + Partner Rechtsanwälte Steuerberater mbB/München, gegenüber ‘k-mi’: “Die Entscheidung macht auch über 54.000 geschädigten Investoren Hoffnung. Sollte das Urteil über den Instanzenzug Bestand haben, müssten sie neben dem bereits zu befürchtenden massiven Kapitalverlust durch die Insolvenz nicht auch noch die bereits auf vertraglicher Basis vereinnahmten Zahlungen wieder herausgeben. Ein Umstand, der sonst bei vielen Investoren zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen könnte. Dr. Stephan Schulz und ich haben das Verfahren von Beginn an gemeinsam bearbeitet und sind zuversichtlich, denn schließlich ist das Gericht unserer Argumentation in weiten Teilen gefolgt. Es hat mit seinem dezidiert begründeten Urteil den vermeintlichen Anspruch des Insolvenzverwalters deutlich zurückgewiesen.”
‘k-mi’-Fazit: Die Entscheidung des LG Karlsruhe ist sehr sorgfältig begründet und damit schon sehr revisionsfest. Dies ist eine gute Nachricht für die meisten P&R-Investoren. Erklärter Wille des Insolvenzverwalters ist natürlich eine höchstrichterliche Entscheidung. Sofern beide Parteien übereinstimmen, ist eine direkte Sprungrevision zum BGH möglich. Hier werden die Karten natürlich neu gemischt, auch weil der Insolvenzverwalter neue Argumente vortragen könnte. Bislang hatte dieser sich auf die Eigentumsfrage und die damit behauptete Unentgeltlichkeit gestützt sowie darauf, dass die beklagten Anleger Gewinne zulasten späterer P&R-Investoren erzielt haben sollen. Wir halten Sie über die weitere Entwicklung auf dem laufenden!
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