Marktkommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im April 13,3 Prozent weniger Unternehmensinsolvenzen in Deutschland gemeldet als im Vorjahresmonat. Auch für das gesamte erste Halbjahr dürfte die Anzahl der Insolvenzen die Vorjahresfälle deutlich unterschreiten, obwohl viele Unternehmen im Zuge der Coronakrise in existenzielle Notlagen geraten sind. Laut einer Juni-Umfrage des ifo-Instituts bezeichnen 21 Prozent aller befragten deutschen Unternehmen die Corona-bedingten Beeinträchtigungen als existenzbedrohend. Im Segment der Dienstleistungen sind es sogar 27 Prozent. Besonders hart trifft es die Anbieter und Vermittler von Reisen, Hotels und Gaststätten, von denen bis zu 85 Prozent ihre Existenz bedroht sehen. Grund für die aktuell geringe Anzahl an Insolvenzanmeldungen ist die im März von der Bundesregierung beschlossene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende September. Dadurch sollen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Not geratene Unternehmen genügend Zeit zur Beantragung staatlicher Hilfen und geeigneter Sanierungskonzepte erhalten. Da die wirtschaftliche Erholung jedoch nicht innerhalb weniger Monate erfolgen wird, droht ab spätestens Herbst wieder ein deutlicher Anstieg der Insolvenzanmeldungen in Deutschland. Da steigende globale Unternehmenspleiten eine Folge der Krise sind, haben Banken weltweit bereits seit Monaten ihre Risikovorsorge angehoben. Wenn in dieser Woche einige große US-Banken über ihre Ergebnisse des zweiten Quartals berichten, wird man einen Eindruck davon gewinnen, wie stark dieser Effekt die Gewinne schon heute belastet. In der EZB-Ratssitzung am Donnerstag wird Christine Lagarde möglicherweise die Freigrenzen für Einlagen der Geschäftsbanken, auf die keine negativen Zinsen anfallen, anheben. Damit könnte den europäischen Instituten zusätzlich zu den derzeit unbegrenzten und extrem günstigen Refinanzierungsbedingungen der Rücken für die Zeit höherer Kreditausfälle gestärkt werden.
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