Liebe Mandantinnen und Mandanten,
liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler,
Die „bloßen“ zivilrechtlichen Streitigkeiten ums liebe Geld können als Exzess dann auch schon mal bei den Strafrichtern zur Prüfung landen! Sowohl beim Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB), aber auch bei dem „kleinen Bruder“ der Nötigung (§ 240 StGB) stellt sich zunächst die Rechtsfrage, ob jemand mit einem empfindlichen Übel droht? Dann könnte eine solche rechtswidrige Drohung einer (unberechtigten) außerordentlichen Kündigung zumindest als strafrechtlich relevante Nötigung angesehen werden, wenn die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Vielleicht empfinden genau so Kunden der Continentale Sachversicherung AG, die sich durch ein „Muster-Schreiben“ in strafrechtlich relevanter Weise erpresst und genötigt fühlen? Nach unserer Auffassung ist das verfasste Schreiben der entscheidenden Mitarbeiter bei der Continentale Sachversicherung AG sogar als versuchte Erpressung im Sinne des § 253 StGB anzusehen. Bei denjenigen Kunden, die daraufhin das Angebot akzeptiert haben, liegt sogar vollendete Erpressung vor, wenn die Kunden glaubten, keine andere Wahl gehabt zu haben.
Denn die Continentale Sachversicherung AG (Conti) und auch andere Versicherer, wie die Mannheimer Verischerung AG üben in Sachen der Betriebsschließungsversicherung (BSV) erheblichen Druck über die Versicherungsmakler und auch direkt auf die BSV-versicherten Kunden aus. Wer den „Vergleich“, besser das 15 %-Angebot nicht annehmen möchte, der wird eine Ablehnung des gemeldeten Schadenfalls zur Betriebsschließungsversicherung erhalten und auch eine außerordentliche (und hilfsweise ordentliche) Kündigung seines Betriebsschließungsversicherungsvertrages. Was hat das eine aber mit dem anderen zu tun? Ist diese Verknüpfung nicht verwerflich?
An die Vertriebspartner hat die Continentale Sachversicherungs AG folgendes Rundschreiben verfasst: https://kanzlei-michaelis.de/wp-content/uploads/2020/06/2020_Anleitung_vm-VEP_end.pdf
Als Anlage war diesem Rundschreiben dann das angekündigte Schreiben an die BSV-Versicherungsnehmer beigefügt, die das 15%ige Angebot noch nicht angenommen haben.
Das Schreiben an diese Kunden mit Betriebsschließungsversicherung bei der „Conti“ finden Sie vom Wortlaut hier.
Nach unserem anwaltlichen Dafürhalten ist die Androhung der rechtswidrigen außerordentlichen Kündigung des Versicherungsvertrages in der heutigen Zeit als empfindliches Übel anzusehen. Auch ist diese Androhung rechtswidrig und es fehlt vollkommen der Zusammenhang zwischen dem „15% Vergleichsschicksal“ und der Vertragsbeendigung. Hieraus ergibt sich die Verwerflichkeit.
a.
Unter rechtlichen Gesichtspunkten kann ein Versicherer nur dann außerordentlich kündigen, wenn ein Versicherungsfall unstreitig eingetreten ist. Dies wird seitens des Versicherers gerade in dem Schreiben in Abrede gestellt. Daher kann sich der Versicherer dann nicht auf ein außerordentliches Kündigungsrecht berufen. Dann hätte er schon den Versicherungsfall anerkennen müssen. Dies ist aber nicht offensichtlich geschehen. Diese Rechtsauffassung ist die herrschende Meinung (a.A. nur Müko).
b.
Ferner sind wir der Auffassung, dass nach den uns vorliegenden BSV-Versicherungsbedingungen der Continentale Sachversicherung AG diese nach überwiegender Wahrscheinlichkeit zu 100 % leistungspflichtig ist. Wird hingegen in verwerflicherweise suggeriert, es bestünde überhaupt kein Leistungsanspruch, obwohl dieser durchaus bestehen könnte, so ist es offensichtlich das (verwerfliche) Ziel, das Vermögen des Versicherungsnehmers zu seinem Nachteil zu reduzieren. Denn nach den Versicherungsbedingungen ist sein vertraglicher Leistungsanspruch als Vermögensbestandteil berechtigt, erhält er jedoch nur 15 %, so ist der Versicherungsnehmer um 85 % entreichert.
Der Versicherungsnehmer wird geradezu „genötigt“, eine Vergleichsregelung unverzüglich zu akzeptieren, weil sonst ja die Kündigung folgt und nach einem Monat kein Versicherungsschutz mehr besteht. Das man heutzutage zumeist keine vergleichbare BSV Versicherung mehr abschließen kann, ist auch klar. Die Kündigung des existenzsichernden Versicherungsschutzes lässt sich also nur vermeiden, wenn die Kunden unverzüglich das „freiwillige“ Angebot des Versicherers annehmen, der ja ohnehin der (rechtsirrigen) Meinung sei, dass eine Leistungspflicht dem Grunde nach nicht bestünde.
Die Anwälte der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte bewerten dies allerdings anders. Wir vertreten schon die Auffassung, dass gerade auch die Continentale Sachversicherung AG zu den Versicherern zählt, die aufgrund des Versicherungsvertrages nach unserer Rechtsauffassung eher vollständig leistungspflichtig sind. Vielleicht sollten Sie als Maklerin oder Makler diese fachliche Einschätzung Ihren Kunden kommunizieren.
Überdies sind wir der klaren Rechtsauffassung, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund überhaupt nicht besteht. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Versicherer mit einer Frist von einem Monat sich von dem Vertragsvertragsverhältnis lösen könnte. Diese Rechtsauffassung des Versicherers lässt sich offensichtlich nicht halten! Denn das außerordentliche Kündigungsrecht besteht nur dann, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist, vgl. § 92 VVG. Der Versicherer schreibt aber selbst, dass nach seiner Auffassung gerade kein Versicherungsfall eingetreten ist. Dann kann er sich auch nicht auf ein außerordentliches Kündigungsrecht beziehen. Innerhalb der Branche gibt es glaube ich keinen, der zu diesem Thema eine andere Rechtsmeinung vertritt.
Gerade aber die Ankündigung einer rechtswidrigen außerordentlichen Kündigung, die rechtlich vollkommen unbegründet ist und den Versicherungsnehmer zu einer schnellen Entscheidung drängen soll, ist verwerflich. Außerdem fehlt es auch an einem Zusammenhang zwischen der angedrohten außerordentlichen Kündigung und dem Angebot, 15 % zahlen zu wollen, obwohl nach Auffassung des Versicherers keine Leistungspflicht bestünde.
Diese rechtliche Bewertung der Verwerflichkeit ändert sich nicht einmal dann, wenn der Versicherer mit einer rechtmäßigen ordentlichen Kündigung drohen würde. Auch hier ist der innere Zusammenhang gleichwohl verwerflich. Die Androhung einer Kündigung, die erfolgen soll, wenn ein Vergleich oder „Angebot“ nicht akzeptiert wird, ist stets als verwerflich anzusehen. Insbesondere, wenn über das „Angebot“ auf theoretische mögliche Versicherungsleistungsansprüche verzichtet werden soll. Dies erfüllt dann auch den Tatbestand der versuchten Erpressung.
Diese sachfremde Argumentation und Verknüpfung mit dem offensichtlichen Behaupten eines außerordentlichen Kündigungsgrundes, den es offensichtlich nicht gibt, ist doch gerade das besonders Verwerfliche an dem Verhalten des Versicherers. Der strafrechtliche Aspekt, weshalb wir dies jedenfalls als Nötigung erachten, haben wir in einem Musterschreiben ausführlicher dargelegt.
Hier finden Sie die konkrete rechtliche Argumentation, die wir gegenüber der Staatsanwaltschaft oder der Polizei in einem ersten Schritt vortragen würden.
Wir erklären uns auch damit einverstanden, dass dieses Musterschreiben von betroffenen Kunden unserer Makler gegenüber der Continentale Sachversicherung AG genutzt werden kann, um bei der für sie zuständigen Staatsanwaltschaft oder Polizeidienststelle Strafanzeige zu erstatten. Denn aus unserer Sicht geht es hier nicht mehr nur noch um die zivilrechtliche Auseinandersetzung, ums Geld. Es geht vielmehr darum, dass hier ein Versicherer im großen Stil die Rechtsordnung missachtet und einzelne – ohnehin stark geschädigte Versicherungsnehmer – in einer derartig rechtswidriger Weise unter Druck setzt, welches schlichtweg von unserer Rechtsordnung nicht toleriert werden kann. Hier ist offensichtlich eine Grenze des Zulässigen überschritten. Vermutlich ist es also die Aufgabe des Versicherungsmaklers, auf diese Themen die betroffenen Kunden hinzuweisen. Daher haben wir für die Versicherungsmakler, die von uns betreut werden gleich die erforderliche Hilfestellung mitgeliefert. Natürlich sind wir auch der Rechtsmeinung, dass derartig geschlossene Vergleiche aufgrund dieses geschilderten Verhaltens des Versicherers rechtswidrig und nichtig sind. Wir verweisen auf unser ausführliches Interview mit Herrn Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski.
Fazit:
Es wird also in irreführender Weise die falsche Rechtsansicht behauptet, ein außerordentliches – kurzes – Kündigungsrecht würde bestehen um die Ausnutzung dieser Zwangslage dann innerhalb von einem Monat keinen neuen vergleichbaren Betriebsschließungsversicherer zu finden, ist doch zudem gerade eine Kombination, die die Offensichtlichkeit des „Drohen mit einem empfindlichen Übel“ offenbaren lässt.
Überdies sollte ein Versicherer aber nie die Androhung einer Kündigung aussprechen, wenn eine „Vergleichsvereinbarung“ nicht akzeptiert wird. Diese beiden Dinge – Kündigung und Leistungsregulierung – miteinander als Bedingung zu verbinden, ist vermutlich stets rechtswidrig. Die Androhung der Kündigung, insbesondere einer unberechtigten außerordentlichen Kündigung, ist sodann auch als verwerflich anzusehen. Folglich ist ein solches Verhalten strafbar.
Es ist aber nicht unsere Aufgabe, als Rechtsanwälte eine etwaige Strafanzeige selbst zu stellen. Es ist aber unsere Aufgabe, unseren Vermittlern und Maklern zu erklären, dass ein solches Verhalten der Continentale Sachversicherung AG nicht im Einklang mit der Rechtsordnung steht. Sie sollten auch hierüber Ihre Kunden unbedingt informieren.
Im Ergebnis betrachten wir das Verhalten des „Versicherers“ als versuchte Erpressung und versuchte Nötigung und sind unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten der Auffassung, dass die Continentale Sachversicherung AG nicht nur zu 15 % leistungspflichtig ist, sondern eher vollumfänglich! Auch etwaige Vergleiche, die aufgrund dieser Aktion der Continentale entstanden sind, sind vermutlich nichtig. Fordern Sie also beider Conti die volle Versicherungsleistung für Ihre Kunden.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Kunden weiterhin alles Gute und lassen Sie sich von Versicherern nicht unverhältnismäßig unter Druck setzen!
Ihr,
Stephan Michaelis LL.M. , Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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