In den USA klafft derzeit eine ungeheure Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Während die Börse boomt, kommt die Realwirtschaft noch nicht auf die Beine.

 

Die anhaltenden Proteste sind auch Ausdruck dieser Wahrnehmung – aber es kommt noch schlimmer: „Die Schulden der USA steigen so stark, dass sie das gesamte Land zu ersticken drohen“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH.

Die Nachrichtenlage aus den USA wurde in den vergangenen Wochen durch zwei gegensätzliche Themen dominiert. Die politischen Nachrichten zeigen ein Bild des gesellschaftlichen Aufbegehrens, Bilder von Massenprotesten und massiver Präsenz von Polizei und Militär auf den Straßen. „Die Aktienmärkte zeichnen dagegen ein Bild perfekter Harmonie, konnten zum Teil sogar ihre historischen Höchststände übertreffen“, sagt Mlinaric.

Aus wirtschaftlicher Sicht haben es die USA dabei mit ähnlichen Problemen zu tun wie auch Europa: Durch die notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie gibt es einen starken Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität. Dieser Rückgang muss zu einem großen Teil vom Staat in Form von Konjunkturprogrammen kompensiert werden. „Ein entscheidendes Problem und einen großen Unterschied stellt dabei die bereits vor der Krise sehr hohe Staatsverschuldung der USA dar“, so Mlinaric. Im Gegensatz zu den meisten Staaten der Eurozone haben die USA die vergangenen Jahre des wirtschaftlichen Wachstums nicht genutzt, um ihre Verschuldung zu reduzieren. Die Neuverschuldung stieg kontinuierlich schneller an als das BIP.

Da die Konjunkturprogramme historischen Ausmaßes angesichts sinkender Staatseinnahmen nur durch neue Schulden finanziert werden können, steigt die Staatsverschuldung nicht nur absolut, sondern auch relativ zum BIP in rekordverdächtige Höhen an. „Eine Staatsschuldenquote von mehr als 125 Prozent erscheint noch in diesem Jahr möglich und würde den wirtschaftlichen Gestaltungsspielraum der Politik in Zukunft deutlich einschränken“, sagt Mlinaric. „Eine solche Verschuldung gab es in den USA zuletzt infolge des zweiten Weltkriegs.“

Während die Realwirtschaft mit Problemen zu kämpfen hat, haussieren die Aktienmärkte. Berücksichtigt man deren Gesamtbewertung, so hat diese in den USA etwa das 1,5-Fache des jährlichen BIP erreicht. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes sind die Aktienmärkte fast so teuer wie zu Spitzenzeiten und deutlich teurer als vor Beginn der großen Wirtschaftskrise 2008/2009. Zum Vergleich: Der Gesamtwert des deutschen Aktienmarktes addiert sich nur auf etwa die Hälfte des jährlichen BIP.

„Die Tatsache, dass die Börsen sich von der Realwirtschaft entkoppeln, während der Staat im Rekordtempo im Schuldenberg versinkt, bedeutet ein steigendes Maß an Instabilität im System“, sagt Mlinaric. „Oder anders: So weit oben, wie die USA gerade ihre Luftschlösser bauen, wird die Luft immer dünner.“

 

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