von RA Stephan Michaelis LL.M. Kanzlei Michaelis

 

Vor Abschluss eine Versicherungsvertrages sind Kunden meist an einer Beratung interessiert und wollen detaillierte Informationen darüber erhalten, welches Produkt sie am ehesten abschließen sollten, damit es am besten zu ihren individuellen Bedürfnissen passt.

Nach Abschluss des Vertrages kann es jedoch sein, dass seitens der Versicherungsnehmer kein Interesse mehr an einer durchgängigen Beratung besteht und sie sich durch eine fortwährende Kontaktaufnahme durch den Makler eher bedrängt oder gestört fühlen. Es stellt sich daher die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn eine Kontaktierung nach Vertragsabschluss unerwünscht ist?

Der Ausschluss nachvertraglicher Beratungspflichten mag als Lösung dieses Problems naheliegend erscheinen. Um nachvertraglichen Beratungspflichten gerecht zu werden, ist es schließlich zumindest auch erforderlich, in einen gewissen Umfang einen Überblick über die Verhältnisse der versicherungsnehmenden Personen zu haben. Kenntnisse von Veränderungen in den Verhältnissen der versicherten Person können jedoch wiederum nur durch eine Kontaktaufnahme mit jener erlangt werden. Dies kann unter Umständen mit größerem Aufwand einhergehen und gegebenenfalls wirtschaftlich wenig sinnvoll sein.

Doch ist es für Versicherungsmakler überhaupt möglich, nachvertragliche Beratungspflichten wirksam auszuschließen? Kann sich sogar ein neues Geschäftsmodell dahingehend entwickeln, dass lediglich bei Vertragsschluss beraten wird und danach kein Kontakt mehr zu Kunden gehalten wird; also „lediglich“ Versicherungsverträge abschlossen werden?

Gesetzlich geregelte Maklertypen

Die Rechtsfigur einer ausschließlich als Abschlussmakler tätigen Person wird vom Gesetz nicht explizit vorausgesetzt.

In § 652 Abs. 1 S. 1 BGB werden lediglich die als Nachweismakler und die als Vermittlungsmakler tätige Personen aufgeführt.

Nachweismakler schulden gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB den „Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags“. Das bedeutet, sie müssen gegenüber der beauftragenden Partei den Nachweis erbringen, dass die Möglichkeit bestanden hat, mit einer am Versicherungsprodukt interessierten Person einen Vertrag zu schließen[1]. Zu einem tatsächlichen Vertragsschluss muss es dabei nicht kommen.

Vermittlungsmakler schulden dahingegen gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB „die Vermittlung eines Vertrags“. Das bedeutet, dass es nicht ausreicht, dass der Vertragsschluss lediglich möglich gewesen wäre, sondern es muss zu einem Vertragsschluss kommen, der auf die Tätigkeit der Vermittlungsmaklerin oder des Vermittlungsmaklers zurückzuführen ist[2].

Als Abschlussmakler ist im Gegensatz dazu eine Person zu qualifizieren, die vorvertraglich als Versicherungsmakler auftritt und auch am Vertragsschluss teilnimmt und hierfür auch eine Maklerprovision erhält[3]. Nachvertragliche Tätigkeiten hingegen würde sie nicht schulden.

Bestehende Beratungspflichten und deren Ausschlussmöglichkeit

  1. Gesetzlich normierte Beratungspflichten

Versicherungsmaklern sind prinzipiell zur Beratung verpflichtet[4]. Dies resultiert daraus, dass sie als Sachwalter der versicherungsnehmenden Personen agieren[5]. Durch die vorvertragliche Beratungspflicht soll es Menschen, die am Abschluss einer Versicherung interessiert sind, ermöglicht werden, eigenverantwortlich zu entscheiden, welcher Versicherungsvertrag ihren Bedürfnissen am besten entspricht. Auch nach dem Vertragsschluss sind Versicherungsmakler prinzipiell weiterhin verpflichtet, die Versicherungsnehmenden zu beraten[6].

Auch bei einem etwaigen Versicherungsfall sollen Versicherungsvermittler ihre Kunden mittels fortdauernder Beratung, Betreuung und Unterstützung die bestehenden Erfahrungs- und Wissensdefizite der Versicherungsnehmenden gegenüber dem Versicherer ausgleichen[7].

Die Beratung stellt daher keine Nebenpflicht eines Versicherungsmaklervertrages dar[8]. Die laufende Beratung der Versicherungsnehmer durch die  Versicherungsmakler ist vielmehr eine der zentralen, zu erbringenden Leistungen, eine sog. Kardinalpflicht[9]. Die Bedeutsamkeit der Beratung wird auch dadurch deutlich, dass Versicherungsnehmern sogar die Beratungsdokumentation in Textform gem. § 62 Abs. 1 VVG zu übermitteln ist, sodass diese die in der Beratung ausgesprochenen Empfehlungen und deren Gründe besser nachvollziehen können[10].

Wird die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung verletzt, kann ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB i.V.m. § 347 HGB die Folge sein[11].

Seit 2008 statuiert das Versicherungsvertragsgesetz in § 6 VVG auch für Versicherer einige Beratungspflichten, wobei als gesetzgeberisches Vorbild die für Versicherungsvermittler bestehenden Beratungspflichten gedient haben[12].

  1. Möglichkeit des vorvertraglichen Ausschlusses von Beratungspflichten

Zumindest gegenüber dem Versicherer können Versicherungsnehmer im vorvertraglichen sowie im nachvertraglichen Bereich auf die anlassbezogene Beratung gem. § 6 Abs. 3 VVG verzichten, wenn es sich um einen Vertrag im Fernabsatz handelt[13].

Es stellt sich nun die Frage, ob dies auch auf Versicherungsmakler übertragbar ist, diese also auch die vorvertragliche Beratungspflicht ausschließen können.

6 Abs. 6 VVG bestimmt, dass § 6 Abs. 1 bis 5 weder auf Versicherungsverträge über Großrisiken i.S.v. § 210 Abs. 2 VVG noch bei Vertragsvermittlung durch oder einen Versicherungsmakler anwendbar sind.

Dies resultiert auch daraus, dass Versicherungsmakler durch die §§ 60ff. VVG zur umfangreichen Beratung ihrer Kunden verpflichtet sind[14]. Insbesondere im vorvertraglichen Bereich ist es aus den zuvor beschriebenen Gründen essentiell, dass durch die Versicherungsvermittler eine umfassende und inhaltlich zutreffende Beratung erfolgt. Andernfalls würde zwischen einer Person, die selbst Versicherungsangebote recherchiert und ansieht, und einer Person, die von einem Versicherungsvermittler Angebote vorgelegt bekommt, kein wesentlicher Unterschied bestehen. Versicherungsvermittler wären in dieser Konstellation „überflüssig“.  Die Figur des Abschlussmaklers ist daher zumindest im vorvertraglichen Bereich ausgeschlossen. Die gesetzlich vorgesehene vorvertragliche Beratungspflicht kann nicht abbedungen werden.

  1. Möglichkeit des nachvertraglichen Ausschlusses von Beratungspflichten: Laufende Beratung

Gem. § 6 Abs. 4 VVG schuldet zumindest ein Versicherer im Direktvertrieb auch nach dem Vertragsschluss im Falle eines ihm erkennbaren Anlasses Beratung.

Diese Pflicht ist nur ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer selbst von einer Versicherungsmaklerin oder einem Versicherungsmakler betreut wird.

Eine Ausnahme hierzu besteht wiederum, wenn der Versicherer die Versicherungsmakler entweder zur Erfüllung seiner eigenen Aufgaben einsetzt oder sich aus der objektiven Bewertung der Situation ergibt, dass diese tatsächlich so im Lager der Versicherers steht, dass es sich in Realität um einen Versicherungsvertreter handelt[15].

Ebenso lebt die Beratungspflicht des Versicherers aus § 6 Abs. 4 VVG trotz § 6 Abs. 6 VVG wieder auf, wenn der Versicherungsmakler die Versicherungsnehmer nicht mehr betreut und dies dem Versicherer bekannt ist oder er dies zumindest direkt erkennen kann[16]. In dieser Situation wird § 6 Abs. 6 VVG teleologisch reduziert[17].

Auch hieran wird weiter deutlich, dass Versicherungsmakler nach Vertragsschluss grundsätzlich weiterhin zur Beratung verpflichtet sind.

Im Umkehrschluss folgt daraus jedoch ebenso, dass es zumindest möglich sein muss, dass ein Versicherungsnehmer trotz Beratung bei Vertragsabschluss ab einem gewissen Zeitpunkt nach Vertragsabschluss nicht mehr weiterberaten wird.

Dies gilt insbesondere auch, da der Versicherungsmaklervertrag auch beendet werden kann. Daher fragt sich, ob es einen Unterschied machen kann, wenn bereits bei Abschluss des Versicherungsvermittlungsvertrages feststeht, dass nach Abschluss eines geeigneten Versicherungsvertrag der Versicherungsvermittlungsvertrag gekündigt wird.

Es könnte sogar vorzugswürdig sein, es Versicherungsnehmern vertraglich zu ermöglichen, auf die durchgängige Beratung zu verzichten und sich anstelle dessen selbstständig zu melden, wenn sie Beratungsbedarf haben. So wird dem Wunsch der Versicherungsnehmenden Rechnung getragen, nicht in regelmäßigen Abständen von Versicherungsvermittlern kontaktiert zu werden, während sie gleichzeitig noch die Möglichkeit behalten, sich anlassbezogen von „ihren“ Versicherungsvermittlern beraten zu lassen, wenn sie dies wünschen.

Allerdings besteht diese Möglichkeit aufgrund von § 6 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 VVG nicht. Ein kompletter Verzicht auf die nachvertragliche Beratung wie er gegenüber Versicherungsunternehmen möglich ist, wird von § 6 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 VVG unmöglich gemacht. Die Norm bestimmt, dass die Möglichkeit eines nachvertraglichen Beratungsverzichts nicht besteht, wenn der Versicherungsvertrag von Versicherungsmaklern an Versicherungsnehmende vermittelt wird.

Es ist für Versicherungsnehmer lediglich möglich, durch gesonderte schriftliche Erklärung gem. § 60 Abs. 3 VVG auf die Mitteilung über die Beratungsgrundlage und gem. § 61 Abs. 2 VVG auf die Beratungsdokumentation zu verzichten. Auch können Versicherungsmakler von den weiteren Verpflichtungen aus §§ 60ff. VVG nach § 67 VVG nicht zum Nachteil der Versicherungsnehmenden abweichen. Unwirksam sind daher Bestimmungen, die die durch Gesetz normierten Pflichten zur Beratung, Information und Dokumentation herabsetzen[18].

Fazit

Eine Tätigkeit des Maklers als „Abschlussvermittler“ ist aufgrund der gesetzlich bestehenden Regelungen weder im vorvertraglichen Bereich noch nach Vertragsabschluss möglich.

Das Problem, das Unsicherheit besteht, ob Versicherungsnehmer eine Kontaktaufnahme von Versicherungsvermittlern wünschen, sollte dadurch gelöst werden, dass bei (oder auch nach) Vertragsschluss die Unterzeichnung einer diesbezüglichen gesonderten Einverständniserklärung verlangt wird. So befinden sich Versicherungsvermittler auf der „sicheren Seite“ und können gleichzeitig die bestmögliche, bzw. gewünschte Beratung ihrer Kunden sicherstellen.

Die „Nichtberatung“ sollte nicht über einen Beratungsverzicht geregelt werden. Hingegen sollte mit einer gesonderten Erklärung des Kunden die nachvertraglichen  Beratungswünsche mit dem Kunden klar und deutlich vereinbart werden. Wie eine solche Vertragsvereinbarung aussehen könnte, finden Sie nach diesem Beitrag als Anlage. Dieses und weitere Dokumente für den Versicherungsmakler finden Sie selbstverständlich auch auf dem großen Beratungsportal für Versicherungsmakler mit dem Namen www.app-riori.de!

 

[1] Kotzian Marggraf/Kneller in BeckOK BGB, § 652, Rn. 25.

[2] Kotzian Marggraf/Kneller in BeckOK BGB, § 652, Rn. 25.

[3] Vgl. Schmidt in JuS 2005, 461, (463), Unternehmensrecht – Voraussetzungen der Maklerprovision nach § 652 BGB beim Unternehmenskauf.

[4] Kotzian Marggraf in Oetker, HGB, 6. Auflage 2019, § 98, Rn. 6.

[5] Vgl. Werber in VersR 2007, 1153, Information und Beratung des Versicherungsnehmers vor und nach Abschluss des Versicherungsvertrags.

[6] Kotzian Marggraf in Oetker, HGB, 6. Auflage 2019, § 98, Rn. 6.

[7] Vgl. Dröner in Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage 2018, § 59, Rn. 74.

[8] Werber in VersR 2007, 1153, Information und Beratung des Versicherungsnehmers vor und nach Abschluss des Versicherungsvertrags.

[9] Vgl. BGH NJW-RR 2005, 1423, (1424).

[10] Münkel in HK-VVG, 4. Auflage 2020, § 62, Rn. 1.

[11] Werber in VersR 2007, 1153, Information und Beratung des Versicherungsnehmers vor und nach Abschluss des Versicherungsvertrags.

[12] Armbrüster in r+s 2017, 57 (58), Der Abschluss von Versicherungsverträgen über das Internet.

[13] Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Auflage 2019, § 6 Rn. 28f.

[14] Rudy in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, 30. Auflage 2018, § 6, Rn. 70.

[15] Rudy in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, 30. Auflage 2018, § 6, Rn. 70.

[16] Rudy in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, 30. Auflage 2018, § 6, Rn. 70.

[17] Rudy in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, 30. Auflage 2018, § 6, Rn. 70.

[18] Dörner in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, 30. Auflage 2018, § 67, Rn. 3.

 

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