Was kommt nach der Krise? V – Erholung, WW – Volatilität oder L – Stagnation?

 

Jean-Marie Mercadal, CIO von OFI Asset Management erläutert, welches Szenario der Markt in die Anleihekurse aktuell einpreist:

“Der günstigste Wirtschaftsverlauf wäre ein V-förmiger Aufschwung. Dabei geht man davon aus, dass die Krise mit einem eventuellen Höhepunkt der Epedemie in den USA noch einige Monate dauern wird, dass die Dienstleistungs- und Industrielandschaft aber strukturell intakt bleibt. Das heißt, die Zahl der Unternehmenskonkurse wird begrenzt sein. In diesem Fall kann sich die Wirtschaft schnell erholen, weil es ein Nachholeffekt gibt und zuvor stornierte oder aufgeschobene Aufträge schnell abgearbeitet werden können. Zu berücksichtigen dabei ist jedoch, dass Dienstleistungsbranchen wie Tourismus ,Restaurants, Friseure etc. die entgangenen Umsätze nicht aufholen können. Bedingung für das V-Szenario ist, dass die Preise für Öl und die Leitzinsen niedrig bleiben.

Im ungünstigsten Fall wird sich unsere Wirtschaft in L-Form entwickeln. Das wäre dann der Fall, wenn sich das Coronavirus in einem größeren Maß in Ländern wie Brasilien oder Indien ausbreitet oder noch einmal in Asien gehäuft auftritt. Dann würde das Wachstum über einen langen Zeitraum lahmliegen. Denkbar wäre auch, dass durch die Verbreitung des Virus im Westen China weniger Aufträge aus Europa und den USA bekäme und dadurch in seiner eigenen Wirtschaftserholung ausgebremst würde.

Diese Krise ist anders als alle, die wir bisher erlebt haben, und das macht es schwierig, eine klare Antwort für die Zeit danach zu geben. Zwischen den zwei beschriebenen Extremen kann es viele unterschiedliche Szenarien geben. Gewiss scheint im Moment nur, dass die Krise irgendwann ein Ende nehmen wird.

Was bedeutet das für die Anleihemärkte?

Wir gehen weder in den USA noch in der Eurozone von weiteren Zinssenkungen aus. Die Fed hat klar ausgedrückt, dass sie die Zinsen nicht in den negativen Bereich drücken möchte. Unter diesen Bedingungen dürfte sich die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen über einen längeren Zeitraum bei etwa 0,50% stabilisieren. Die Europäische Zentralbank scheint auch nicht zu beabsichtigen, das Niveau der Leitzinsen zu ändern. Die Renditen für 10-jährige Bundesanleihen sollte daher nicht viel weiter als auf -0,50% fallen.

Gleichzeitig haben sich die Spreads aufgrund der Aussichten auf eine Rezession und vor allem aufgrund fehlender Liquidität in der Eurozone dramatisch ausgeweitet: um 150 Basispunkte bei Investment-Grade-Anleihen und um fast 700 Basispunkte bei Hochzinsanleihen (Quelle: Index BOFA ML für Investment-Grade und BOA ML für High Yield). Dies bedeutet, dass die Rendite von Investment-Grade-Anleihen in der Eurozone nahe 2% für die lange Laufzeit und bei 1,6% für Anleihen mit einer Laufzeit von 1-3 Jahren liegt.

Die Renditen von Euro Hochzinsanleihen liegt bei fast 9%, was eine implizite Ausfallrate von 50% in den nächsten fünf Jahr bedeutet. Das gab es noch nie. Historisch gesehen lag die Ausfallrate zwischen 20% und 30%, wenn der Spread 800 Basispunkte überschritten hat. Die einzige Ausnahme waren die Jahre nach dem Platzen der Technologieblase 2000. Aber damals gab es viele neue Unternehmen, die zudem in ihrem Sektor überrepräsentiert waren. Bei ausreichender Liquidität raten wir ab sofort zum Investment in diese Anlageklasse – Voraussetzung ist, dass man die Titel halten kann und nicht später zum Verkauf gezwungen wird.

Genauso sanken Schwellenländeranleihen deutlich, insbesondere die in lokaler Währung. Sie wurden durch den Preisrückgang der Hauptwährungen um 15-25% beeinträchtigt. Einige davon waren auch besonders vom Verfall des Ölpreises betroffen. Auch in diesem Segment beginnen die Kurse wieder attraktiv zu werden, wobei ein großer Teil der schlechten Nachrichten bereits eingepreist ist. Der Markt für Schwellenländer-Staatsanleihen scheint im Vergleich zu denen der westlichen Welt recht liquide zu sein und bietet derzeit Renditen von 6-7% bei 4-5-jährigen Laufzeiten. Die impliziten Ausfallraten für Staatsanleihen von Schwellenländern sind etwas gestiegen, bleiben aber immer noch niedrig, wenn wir uns die CDS der Staaten ansehen. Die impliziten Ausfallraten haben sich in einigen Frontiermärkten, die sich in USD verschuldet haben, jedoch stark erhöht.“

Das Unternehmen: Die französische Gesellschaft OFI Asset Management verwaltet derzeit 73 Milliarden Euro für institutionelle und private Anleger und ist seit 20 Jahren im Bereich SRI (Socially Responsible Investments) aktiv. Drei Viertel des verwalteten Vermögens werden SRI-Analysen und -Berichten unterzogen. Damit zählt OFI zu den größten unabhängigen Asset Managern für sozial verantwortliche Investments in Frankreich, das als erstes Land weltweit die Rahmenbedingungen für ein so genanntes ESG-Reporting, das soziale, ökologische Kriterien sowie eine gute Unternehmensführung umfasst, für institutionelle Investoren und Asset Manager gesetzlich festgeschrieben hat. OFI wurde 1971 gegründet und ist seit 2017 über seinen strategischen Vertriebspartner Oldenburgische Landesbank (OLB) auch in Deutschland und Österreich präsent.

 

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