Was die Unternehmen retten soll, kommt zu spät, was funktionieren kann, wird verschwiegen

 

Prof. Dr. Volker Römermann, Fachanwalt für Insolvenzrecht und seit über zwei Jahrzehnten Vorstandsvorsitzender des Instituts für Insolvenzrecht e.V., stellt der Politik ein schlechtes Zeugnis aus. Deren Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Folgen in der Wirtschaft griffen entweder zu kurz oder kämen zu spät, um Unternehmen wirklich zu retten. Stattdessen bürdeten Sie den Unternehmen auf Jahre hinaus hohe Belastungen auf, an denen viele, die jetzt überlebten, später zugrunde gehen würden.

Derzeit veranlasst das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zahlreiche Unternehmen dazu, abzuwarten und sich auf Darlehen zu verlassen. Das führt zur Verschiebung und Vertiefung der Probleme. Tatsächlich wäre zumeist ein sofortiger Insolvenzantrag geboten, um während der drei Monate des Insolvenzgeldzeitraums notwendige Anpassungen unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens vorzunehmen und die Unternehmen zukunftssicher aufzustellen.

Ob Kredit und Bürgschaft oder Kurzarbeit: Für eine Bearbeitung fehlen die personellen Kapazitäten. Die Kredite laufen über die Hausbanken. Sie müssen die Voraussetzungen prüfen: Bilanzen, Betriebswirtschaftliche Auswertungen, Ertragsaussichten, Kapitaldienstfähigkeit. Die Prozesse bis zur Zahlung werden Monate dauern. Die Liquidität wird den Unternehmen daher schneller ausgehen, als diese Maßnahmen greifen könnten. Da kein Geld vorhanden ist, werden Mitarbeiter monatelang keinen Lohn bekommen. Wenn die dringend benötigten Gelder endlich fließen, ist dauerhafte Überschuldung die Folge.

Das bewährte, eingespielte und schnell arbeitende Verfahren des “Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit” mit anschließendem vorläufigen Insolvenzverfahren wird hingegen systematisch verschwiegen. Die Unternehmen wären über drei Monate von allen Löhnen und Gehältern befreit, die Mitarbeiter erhielten die vollen Bezüge durch die Agentur für Arbeit und ständen dem Arbeitgeber in Vollzeit zur Rettung zur Verfügung.

Auch dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wird bis zum 30.09.2020, könnte sich als Bumerang erweisen. Ob diese Bedingungen dafür (u.a. Sanierungsfähigkeit) im Einzelfall erfüllt werden, ist oft fraglich. Hinzu treten strafrechtliche Risiken, die von der Verschiebung der Fristen nicht betroffen sind, insbesondere: Eingehungsbetrug (ist bei Bestellung gewährleistet, dass gezahlt werden kann?) und Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen. Die Risiken der Geschäftsleitung vergrößern sich jeden Tag.

Volker Römermann meint: “Ich habe den Video-Hilferuf des Bäckers Gerhard Bosselmann hier in Hannover im Internet gesehen und war sehr berührt. Was er gesagt hat und seine Tränen haben mich bewegt, den Schritt in die Öffentlichkeit zu tun und vor den Maßnahmen der Bundesregierung zu warnen. Sie werden manche retten, aber viele noch tiefer in den Strudel reißen.”

Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Römermann ist Fachanwalt für Insolvenzrecht, für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht. Seit über zwei Jahrzehnten Vorstandsvorsitzender des Instituts für Insolvenzrecht e.V., Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG mit Standorten in Hamburg, Hannover, Berlin, Frankfurt, Erfurt und Mannheim (www.roemermann.com), Geschäftsführer der Römermann Insolvenzverwalter Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und der Römermann Consulting GmbH. Er fungiert als Präsident der German Speakers Association (GSA) e.V., ist Honorarprofessor der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor des dortigen Forschungsinstituts für Anwaltsrecht. Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen insbesondere zum Insolvenz- und Sanierungsrecht. Als Insolvenzverwalter bundesweit auch in großen Verfahren mit über 100.000 Beteiligten bestellt.

 

Verantwortlich für den Inhalt:

Römermann Rechtsanwälte Aktiengesellschaft , Ballindamm 38, 20095 Hamburg, Tel: (040) 30 06 19 34-0, www.roemermann.com/de/