Marktkommentar von Michel Salden, Senior Portfolio Manager, Vontobel Asset Management:
Die Verbreitung des COVID19-Virus hat die Wirtschaftstätigkeit und damit die Ölnachfrage erstickt. Daher sah sich die OPEC bei ihrem Treffen in der vergangenen Woche mit einem Überangebot auf den Märkten konfrontiert und versuchte, die Förderkürzungen bis Ende 2020 zu verlängern und zu vertiefen, um die Rohölpreise zu stützen. Da Russland jedoch ein Abkommen blockiert hat, werden die derzeitigen Quoten zum Monatsende auslaufen und Russland wird seine Produktion in den kommenden Wochen erhöhen. Als Reaktion darauf beschloss Saudi-Arabien, die Produktion anzukurbeln und das Rohöl, das in andere Länder exportiert wird, zu diskontieren, was einen Absturz der Rohölpreise auslöste.
Da die Saudis ihre Produktion auf bis zu 11-12 mbpd (1000 Barrel /Tag) erhöhen können, wenn sie sich für eine maximale Kapazität entscheiden, wird das zusätzliche Angebot eine erzwungene Auflösung von Positionen auslösen, was den derzeitigen Ausverkauf in den kommenden Tagen beschleunigen dürfte.
Der Preisdruck wird am stärksten in den Schieferöl produzierenden Gebieten zu spüren sein, wo das Wachstum in diesem Jahr voraussichtlich deutlich zurückgehen wird. Darüber hinaus könnten die ölproduzierenden Regionen mit sozialen Unruhen konfrontiert werden.
Die langfristigen Aussichten für Öl haben sich jedoch verbessert, da die längerfristigen Ölpreise aufgrund der gestiegenen langfristigen Produktionskosten schließlich eine Untergrenze erreichen werden. Die Schieferölproduzenten werden ihren Zugang zu billigen Finanzierungen blockiert sehen und werden nicht mehr als marginale Swing-Produzenten bei 50 USD pro Barrel auftreten. Unabhängig von den derzeitigen Marktbewegungen werden die Ölmärkte bis 2023-2025 in eine strukturelle Unterversorgung umschwenken, da die großen Ölproduzenten nicht in neue Infrastrukturprojekte investiert haben und die Schieferproduzenten Dividendenzahlungen gegenüber Investitionsausgaben zur Unterstützung neuer Produktionsanlagen bevorzugen. Abgesehen von den Unterinvestitionen profitiert das Öl längerfristig von einer steigenden Nachfrage, die im Laufe dieses Jahres wieder anziehen wird.
Ein niedrigerer Ölpreis wird die grüne Revolution in der Welt zum Stillstand bringen. Volkswirtschaften wie China, die EU, Japan und andere Schwellenländer werden nicht zögern, eine Zeit billigen Öls und billigen Gases auszunutzen und wahrscheinlich auf billigen Brennstoffverbrauch setzen statt auf erneuerbare Energien umzustellen. Und schließlich könnten Saudi-Arabien und Russland ihr Machtspiel beenden, sobald sie einen strukturellen Einbruch der Schieferölproduktion sehen, der möglicherweise mit einer Wiederbelebung der wirtschaftlichen Aktivität im Laufe dieses Jahres einhergehen wird.
Eine defensive Kurvenpositionierung bei Rohöl-Terminkontrakten in Verbindung mit einem verstärkten Engagement in Edelmetallen dürfte Rohstoffinvestoren helfen, den Sturm zu überstehen. Bereits in der vergangenen Woche haben wir eine defensivere Position eingenommen, indem wir Untergewichtungen in Ölkontrakten mit kurzfristigem Verfallsdatum vorgenommen und diese mit Ölkontrakten mit längerer Laufzeit abgesichert haben. In den kommenden Tagen werden wir weitere defensivere Positionen in Ölkontrakten hinzufügen, welche Futures-Kurven ausnutzen, die sich tiefer in Contango bewegen. In Erwartung von Zinssenkungen der Zentralbanken in Verbindung mit einer Flucht in sichere Häfen haben wir unser Engagement in Edelmetallen mit einer gleichmäßigen Verteilung auf Gold, Silber, Platin und Palladium erhöht. Sollte es zu einem ausgewachsenen Preiskampf bei Öl kommen, werden die Zentralbanken noch mehr Gründe haben, die Zinssätze zu senken, um deflationären Kräften entgegenzuwirken. Darüber hinaus hat der US-Dollar begonnen, gegenüber dem Euro, dem Yen, dem Schweizer Franken und anderen G10-Währungen zu schwächeln. Dieses Umfeld ist positiv für Gold und Silber.
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