Vorherige Sorglosigkeit mancher Investoren führt zu Überreaktionen

 

Ein Kommentar von Christian Wieschnewski, Portfoliomanager beim Bankhaus Bauer, zu den Auswirkungen des Coronavirus auf die Kapitalmärkte:

„Wenn Kapitalmärkte eines nicht leiden können, ist es Unsicherheit, gespeist vor allem aus dem Fehlen verlässlicher Informationen. Genau dieser Zustand liegt aber jetzt beim Coronavirus vor: Wohl kaum jemand kann das Ausmaß und die Dimensionen des Virus tatsächlich abschätzen. Das Gleiche gilt auch für die Auswirkungen auf Wirtschaft und Aktienmärkte. Dieses Gefühl der Unsicherheit wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass der eine oder andere Marktteilnehmer die Bedeutung des Themas bisher offenbar unterschätzt hat und sich jetzt einem Zustand des „bösen Erwachens“ befindet.

Investoren unterscheiden kaum zwischen unmittelbar und weniger betroffenen Unternehmen

Für eine daraus erwachsende gewisse Panik sprechen tatsächlich die Verkäufe in der Breite. Es fällt auf, dass die Investoren derzeit nur begrenzt zwischen stärker betroffenen und weniger betroffenen Unternehmen unterscheiden. Das wirkt sich naturgemäß auf die Aktienkurse aus. Wir haben daher bereits Mitte Februar sowie in der vergangenen Woche zweimal die Aktienquote über Absicherungsinstrumente reduziert.

Der Worst Case aus unserer aktuellen Sicht wäre eine weitere Kurskorrektur von etwa zehn Prozent in den europäischen und US-amerikanischen Leitindizes. Entscheidend für die weitere Entwicklung wird das Ausmaß der Verbreitung außerhalb Chinas sein, insbesondere in Südkorea, Italien und weiteren Ländern Europas. Und natürlich ist es von zentraler Bedeutung, wie stark sich das Virus in den USA ausbreitet. Bislang scheint sich dies noch in Grenzen zu halten, und entsprechend überschaubar sind derzeit die Auswirkungen dieser Ausbreitung in den USA auf die weltweiten Aktienmärkte. Die weitere Entwicklung muss aber auch hier genau beobachtet werden.

Zinssenkungen in den USA sind wahrscheinlich, aber in ihrer Wirkung überschaubar

Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsen senken wird, um die Folgen des Coronavirus abzufedern. In konjunktureller Hinsicht wird diese Maßnahme vermutlich aber wenig bringen. Aktuell geht es ja nicht darum, dass den Unternehmen der Wille zum Handeln fehlt. Das Problem ist vielmehr: Ihnen sind durch das Coronavirus schlicht die Hände gebunden. Eine Zinssenkung in den USA führt beispielsweise nicht dazu, dass Produkte aus China schneller kommen. Davon abgesehen können sich Zinssenkungen aber durchaus kursstützend auswirken. Und diese Wirkung wird vermutlich langfristiger anhalten als das Coronavirus selbst. Denn voraussichtlich werden solche Zinssenkungen nicht so schnell wieder korrigiert werden. Dann ist das Virus auf den Aktienmärkten irgendwann „abgehakt“, aber die Notenbanken agieren mit ihrer Geldpolitik noch expansiver als vorher.

Insgesamt sollte man nach aktuellem Stand in Bezug auf die langfristigen Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft und die Kapitalmärkte die Kirche im Dorf lassen: Megatrends wie die Digitalisierung oder der sozio-demografische Wandel sind intakt und werden auch durch das Coronavirus nicht aufgehalten. Insofern bietet das aktuelle Niveau mittelfristig wieder gute Chancen. Bei einer Entspannung der Lage und einem damit einhergehenden Rückgang der Neuinfektionen streben wir daher eine erneute Erhöhung der Aktienquote an.“

 

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