Die Versorgungsverpflichtungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund, Ländern und Gemeinden sind erheblich höher, als sie gemeinhin den Bürgern dargestellt werden.

 

Gerade in der jetzt begonnenen Dekade muss zu Lasten investiver Projekte mit hohen Ausgabensteigerungen gerechnet werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Recherche der bundesweit tätigen Unternehmensberatung diz Deutsches Institut für Zeitwertkonten und Pensionslösungen AG.

Untersucht wurden der Haushalt des Bundes sowie im Ländervergleich vor allem Hessen und Berlin. “Zudem fehlen auch im privaten Unternehmenssektor Rückstellungen für Pensionszusagen in der Größenordnung von mehreren hundert Milliarden Euro”, betont diz-Vorstand Thorsten Kircheis. Vor dem Hintergrund ihrer Untersuchung ist die diz AG skeptisch, ob der aktuell im Bundesfinanzministerium zur Veröffentlichung vorbereitete “Tragfähigkeitsbericht” die Versorgungslasten in vollem Umfang transparent macht.

Anspruch der diz-Untersuchung war es, tatsächlich alle Verpflichtungen zu erfassen, die den öffentlichen Haushalten aus der Altersversorgung ihrer Beschäftigten entstehen. So werden bislang in Übersichten häufig die zusätzlich zu den Beamtenpensionen auch im Rentenalter noch gezahlten Beihilfen zur Krankenversicherung unterschlagen. Oft fehlen Angaben zur Hinterbliebenenversorgung oder zu gesonderten pensionsberechtigten Personengruppen. Bei den Angestellten betrifft die Informationslücke die tarifliche Zusatzversorgung, die über die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung hinausgeht. Dieses in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtete Versorgungssystem dient dazu, den Angestellten des öffentlichen Dienstes einen nahezu gleichen Rentenanspruch wie den Beamten zu sichern. Es entspricht deshalb nicht den Tatsachen, dass es für die öffentlichen Hände günstiger sei, Angestellte statt Beamte zu beschäftigen. Unterstützung erhielt die diz AG bei ihrer Recherche durch den Wirtschaftsrat der CDU mit seinen Landesverbänden Hessen und Berlin-Brandenburg.

Bundeshaushalt: Trotz weniger Pensionären deutlich höhere Pensionsausgaben

Die Bundesregierung unterrichtet Parlament und Öffentlichkeit im regulären Abstand von rund zwei Jahren mit einem umfassenden “Versorgungsbericht” aus dem Innenministerium über ihre Pensionsverpflichtungen. Der letzte “Sechste Versorgungsbericht” stammt allerdings aus dem Jahr 2016. Darin wird erläutert, dass der Bund neben höheren Pensionslasten auch mit steigenden Einnahmen rechnet. Daher werde sich die Versorgungsquote (das heißt der Anteil des Versorgungsaufwands an den Haushaltseinnahmen) langfristig wie heute schon bei mäßigen 2 bis 2,2 Prozent bewegen und somit kein ernsthaftes Problem darstellen. Anstelle hoher vorsorglicher Rückstellungen hofft man auf ausreichende Steuerzuflüsse in laufender Rechnung.

Ein wesentlicher Einflussfaktor für die Ausgabenhöhe ist die Anzahl der Versorgungsempfänger. Bekanntlich kommt die Babyboomer-Generation in die Rentenjahre. Deshalb gibt es seit Langem die Sorge, dass die öffentlichen Haushalte mit vielen neuen Rentenzugängen überfordert sein könnten. Was den Bund betrifft, gibt es stattdessen aber sogar eine gewisse “Entspannung”. Dort sinkt die Zahl der versorgungsberechtigten Beamten, Richter, Soldaten und Hinterbliebenen bis 2050 deutlich um rund 42 Prozent von heute rund 650.000 auf etwa 380.000 im Jahre 2050.

Die Ursache dafür ist, dass der Bund auch für die ehemaligen Beamten bei der Bundespost und der Bundesbahn mitverantwortlich ist. Außerdem gibt es pensionsberechtigte Personen, die vor dem Ende des zweiten Weltkriegs Beamte waren, und es gibt Sonderversorgungen für Staatsbeschäftigte der ehemaligen DDR. Alle diese Personengruppen werden mit der Zeit immer weniger, Gevatter TOD ist hier der natürliche Problemlöser.

Ein gegenläufiger Trend ist, dass seit dem Ende der Finanzkrise wieder viele neue Beamte eingestellt wurden, und dass jede Tarifrunde mit einer Erhöhung der Beamtenbezüge später auch zu höheren Pensionen führt.

Auch wenn die Gesamtzahl der Versorgungsempfänger beim Bund künftig deutlich abnimmt, steigen die Pensionslasten daher trotzdem: Der Höchststand wird dem Sechsten Versorgungsbericht zufolge in den Jahren um 2040 mit fast 25 Mrd. Euro erreicht werden: rund 10 Milliarden Euro mehr als 2015.

“Zehn Milliarden Euro: Das ist immerhin etwa der Betrag, für den eine Volkswirtschaft schon eine völlig neue Basistechnologie entwickeln könnte”, bemerkt diz-Volkswirt Leander Hollweg dazu. Zudem sind die genannten Ausgaben unvollständig: Man muss nämlich die Beihilfen zur Krankenversicherung hinzurechnen, die Beamte – die ehemaligen Bahn- und Postbeamten eingeschlossen – auch im Rentenalter bekommen. Diese Beihilfen entsprechen etwa einer 15 prozentigen Kostenerhöhung. Zudem hat der Bund begonnen, neben den liquiditätswirksamen Ausgaben auch noch thesaurierte Rückstellungen im Rahmen von Sondervermögen zu bilden. Das ist sinnvoll – aber rechnet man diesen Aufwand mit ein, so betragen die Pensionslasten des Bundes tatsächlich heute schon jährlich rund 25 Milliarden Euro. Dies ist in einer anderen Publikation aus dem Bundesfinanzministerium (BMF)nachzulesen, dem “Finanzbericht 2020”.

Weil sich dort keine ausreichende Begründung für die erhebliche Abweichung vom Versorgungsbericht findet, hat die diz AG beim BMF nachgefragt. Das BMF hat daraufhin den Sachverhalt bestätigt: die tatsächliche Hausbelastung geht heute also schon weit über die angeblich moderaten 2 Prozent hinaus.

Versorgungslasten treffen vor allem die Bundesländer

Die Mehrzahl der Beamten arbeitet allerdings in den Ländern. Von rund 1.275.000 pensionierten Beamten und Richtern bei Bund, Ländern und Gemeinden waren 738.000, also 58 Prozent, Landesbeamte.Die Besoldung und die finanzielle Vorsorge für Pensionsansprüche werden seit 2005 ausschließlich von den Ländern selbst geregelt.

Entsprechend unterschiedlich drücken die Pensionslasten auf die laufenden Landeshaushalte. Leider sind die verfügbaren Übersichten, die alle Bundesländer miteinander vergleichen, schon zehn Jahre alt. Die Vergleichsberechnungen stammen aus einer Studie des Bundes der Steuerzahler Deutschland. Weil es sich aber um langfristige Trends handelt, haben die Zahlen durchaus eine Aussagekraft: Zwischen den einzelnen Bundesländern zeigen sich darin erhebliche Unterschiede beim Anteil der Pensionsausgaben – ohne Beihilfen –  an den Gesamtausgaben der jeweiligen Bundesländer. Spitzenreiter war demnach das Saarland, in dem über 10 Prozent der Ausgaben auf reine Beamtenpensionen entfallen. Die neuen Bundesländer, die als Teil der früheren DDR keine entsprechende Beamtenversorgung kannten, wachsen hingegen nur langsam in die Problematik hinein. Für die einst in West- und Ostberlin geteilte Hauptstadt errechnete sich vor zehn Jahren mit einer Versorgungsquote von 5,6 Prozent eine mittlere Position.

Hessen: Transparenz, aber keine Entwarnung

Hessen belegt mit knapp 9 Prozent einen Platz im oberen Mittelfeld, ist aber etwa gleichauf mit den Flächenländern Baden-Württemberg und Niedersachsen. Eine Besonderheit in Hessen ist der große Anteil der Beamten im höheren Dienst. Kein anderes Bundesland hat so viele Spitzenbeamte wie Hessen! Andererseits: Die Anzahl der Beamten pro Einwohner ist in Hessen niedrig, verglichen mit den anderen westlichen Bundesländern. Und die Höhe der Beamtengehälter ist vergleichsweise moderat. Kostentreiber bei den Versorgungslasten sind die jährlichen Neuzugänge in die Rente, durchschnittlich rund 1.200 jährlich. Der stärkste Anstieg mit 2.400 neuen Pensionären fand allerdings schon 2016 statt.

Daraus ergibt sich nach einer Projektion des hessischen Finanzministeriums aus dem Jahr 2017, dass die jährlichen Versorgungsausgaben von 2,555 Mrd. EUR in 2015 auf 4.316 Mrd. EUR in 2032 wachsen. Auch in dieser Projektion sind die Beihilfen nicht enthalten. Tatsächlich dürften den hessischen Staatspensionäre also nicht wie vom Ministerium veröffentlicht, aktuell rund 3 Mrd. EUR zufließen, sondern knapp 3,5 Mrd. EUR. Im Jahr 2032 wird der Zufluss fast 5 Mrd. EUR betragen. Ohne die Beihilfen ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Ausgabenerhöhung bis 2032 von 3,14% gegenüber dem Vorjahr. Das könnte durch jährliche Steuermehreinnahmen, die erfahrungsgemäß auch in dieser Größenordnung eintreten, noch aufgefangen werden. Unter Einbeziehung der Beihilfen aber dürfte die Steigerung der Pensionslast höher sein, als an Steuerzuwachs erwartet werden kann.

In Hessen erkennt man mit Beginn der 2030er Jahre eine wieder zunehmende Ausgabendynamik. Dafür spart das Land Hessen heute schon in zwei Vorsorgefonds, die bis 2030 auf 10 Milliarden Euro angewachsen sein sollen. Das ist im Ländervergleich vorbildlich, doch es werden eben auch noch einmal weitere 140 Millionen Euro jährlich dafür gebunden  – was dennoch nicht ausreichen wird, um die steigenden Lasten ab der dritten Dekade haushaltsneutral abzufedern. Vorbildlich ist auch, dass Hessen seine Finanz-und Ertragslage mit einem jährlichen Geschäftsbericht für die Bürger transparent macht. So sind die Ausgaben für die Beihilfen zumindest angeführt, sie werden nur leider nicht unmittelbar in die Übersicht zu den Beamtenpensionen aufgenommen.

Berlin: dauerhaft 10% des Haushalts für Pensionäre

Anders in Berlin: Dort verweigert die Finanzverwaltung für Finanzen sogar dem Abgeordnetenhaus aktuelle Angaben und Prognosen zu den Beihilfen. Michael Weidenhammer, Leiter “Grundsatzangelegenheiten der Personalpolitik” begründet dies damit, “dass die Gewerkschaften daraus Rückschlüsse ziehen könnten, welche Lohnsteigerungen wir für kommende Tarifverhandlungen schon gedanklich vorweggenommen haben.” Eine ähnliche Größenordnung von knapp 15 % wie in Hessen räumt er jedoch ein und meint nur: “Wir kennen die absoluten Zahlen. Prozentuale Aufschläge haben wir noch nie berechnet, doch nach meinem Dafürhalten sind es etwas weniger als 15%.”

Der Versorgungsbericht, den die Senatsverwaltung dem Abgeordnetenhaus laut Gesetz alle zwei Jahre vorlegen muss, wird nicht nur durch diese Leerstelle zu einem weitgehend unbrauchbaren Zahlenwerk. In gleicher Weise gilt dies für ein umfängliches Gutachten zu den künftigen Pensionslasten, das der Senat im März 2019 von der Unternehmensberatung Deloitte Consulting GmbH erstellen ließ. Dort werden für das laufende Jahr 2020 Versorgungsausgaben von 2,057 Mrd.

EUR erwartet. Die diz AG schätzt sie hingegen auf 2,687 Mrd. EUR, also 630 Millionen EUR höher! Und für 2030 beträgt die Schätzdifferenz bereits fast eine Milliarde EUR – statt 2,740 Mrd. EUR bei Deloitte stehen in der Rechnung der diz AG 3,703 Mrd. EUR.

Die diz AG berücksichtigt nämlich unter anderem erstmals auch Ausgaben, die aus dem AAÜG Altersansprüche-Übernahmegesetz noch für ehemalige Beamte aus Ostberlin zu begleichen sind sowie die Dynamik des Vorsorgefonds, in den voraussichtlich bis 2030 pro Jahr 80,4 Millionen Euro einzuzahlen sind.

Milliardenversorgung auch für die Angestellte

Neben diesen in herkömmlichen Prognosen fehlenden Angaben muss nach Auffassung der diz AG noch ein weiterer wichtiger Sachverhalt einbezogen werden, den nach Wahrnehmung der diz AG keine Regierung transparent macht: die Zusatzversorgung für die Angestellten im öffentlichen Dienst. Im Mittelpunkt dieses Systems steht die VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Rund 2,5 Millionen Angestellte erhalten darüber – zusätzlich zur gesetzlichen Rente –

eine Art Betriebsrente. Die Beschäftigten leisten dazu nur einen recht geringen Eigenanteil. Auch die Mitarbeiter in kommunalen Eigenbetrieben profitieren davon. Neben der VBL gibt es zudem noch weitere Kassen. Das Beitragssystem besteht aus Elementen des Umlageverfahrens, der Kapitaldeckung und aus Sanierungsgeldern; für die alten und neuen Länder gelten unterschiedliche Varianten.

Jedenfalls haben die öffentlichen Arbeitgeber dafür laufend hohe Einzahlungen in die VBL zu tätigen. Eine Statistik zu diesen Einzahlungen und welche laufenden Beträge davon auf den Bund sowie die einzelnen Länder entfallen, ist nicht erhältlich. Bekannt sind jedoch zumindest die jährlichen Gesamtausgaben der VBL und deren grobe Verteilung zwischen dem Bund einerseits und insgesamt den Ländern auf der anderen Seite.

In 2020 dürften 5,9 Milliarden EUR über die VBL zur Auszahlung kommen, in zehn Jahren sollen es schon 7,5 Mrd. EUR sein. Nur und 5 Prozent dieser Ausgaben fließt an ehemalige Bundesangestellte. Die Hauptlast tragen also wiederum die Länder.

In Berlin hat die Senatsverwaltung auf Anfrage der diz AG jetzt erstmals eine Angabe zu den eigenen Einzahlungen in die VBL gemacht:

in 2020 werden es rund 200 Millionen EUR (196,1, Mio EUR) und damit fast 8 Prozent mehr als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre sein. Da die Zahl der Berliner Staatsdiener wieder kräftig steigt, ist es nach Meinung der diz AG gerechtfertigt, diese Steigerungsrate auch für die nächsten zehn Jahre fortzuschreiben, so dass sich die jährlichen Zusatzausgaben für angestellte Beschäftigte bis 2030 mehr als verdoppeln könnten (418 Mio EUR).

Trotz jener Ausgabenposten, die in den herkömmlichen Übersichten nicht aufgeführt werden, wird der Berliner Landeshaushalt aber wohl nicht komplett aus dem Ruder laufen: Die gesamten Versorgungslasten dürften nach diz-Schätzung mit jährlich rund 3 Prozent etwa ebenso schnell steigen wie die zu erwartenden Steuereinnahmen. Mit rund 10 Prozent Anteil an den Einnahmen des Landes Berlin ist und bleibt die Versorgungsquote aber doppelt so hoch, wie sie noch vor zehn Jahren im Ländervergleich geschätzt worden war. Weder für Steuersenkungen noch für mehr Investitionen wird Spielraum sein. Schon für 2020 und 2021 reduzierte der Berliner Senat seine ursprünglich hochfliegenden Investitionspläne um 161 bzw. 182 Mio. EUR, und, so erklärte Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz im November 2019:”mit Sicht auf 2023 verbleibt eine Haushaltsdelle von ca. 200 Mio. EUR”.

Angesichts der unzureichenden Vorsorge für die Altersbezüge der ehemaligen Staatsdiener warnt diz-Vorstand Thorsten Kircheis, “dass es keine Einbeziehung der Beamten in eine sogenannte Bürgerversicherung für alle Beschäftigten geben darf, solange die staatlichen Schuldner dafür nicht ausreichende Rücklagen einzahlen. Anderenfalls wäre dies ein Riesen-Betrug an den aktiven Beitragszahlern der Privatwirtschaft.”

 

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