Marktkommentar von Olivier de Berranger, Chief Investment Officer, La Financière de l‘Échiquier

 

Zum Jahresausklang wurde das Tempo auf politischer Ebene verschärft und dadurch konnten einige der seit Langem bestehende Konflikte schlagartig beendet werden. Diese politische Waffenruhe ist zwar vorläufig, sie verleiht den bisher durch die Ungewissheit belasteten Anlagewerten jedoch Auftrieb.

Im Vereinigten Königreich endeten die Parlamentswahlen am 12. Dezember mit einem Erdrutschsieg für „Brexit Johnson“, der sich in einem Anstieg des Pfund Sterling niederschlägt. In puncto Brexit scheint nun der langersehnte Schlussstrich unter die ewigen Reibereien zwischen dem Premierminister und seiner wackeligen Mehrheit im Parlament gezogen. Doch kaum ist die Hürde der Ratifizierung des Brexit-Abkommens genommen, stehen schon die nächsten Hindernisse bereit, die noch schwieriger zu überwinden sein könnten. Zum einen gibt es da den tatsächlichen Austritt aus der Europäischen Union (EU) frühestens Ende 2020. Mit allen offenen Fragen, die dieser für Unternehmen und Beschäftigte bereithält. Zum anderen die Verhandlungen über neue Handelsabkommen mit wirtschaftlichen Schwergewichten, gegenüber denen Großbritannien alleine wenig auf die Waage bringt: EU, USA, China usw. Das Land wird sich zudem mit den Sezessionsbestrebungen Schottlands befassen müssen, wo weite Teile der Bevölkerung in der EU bleiben möchten. Nach einem Moment der Ruhe verspricht die Politik im (nicht) Vereinigten Königreich somit auf Jahre hinaus ein Pulverfass zu bleiben. Zumal der aufbrausende Boris Johnson nicht gerade Besonnenheit verkörpert. Viel Glück, Boris, God Save the Queen (and the British Pound)!

Der Abschluss eines Friedensvertrags zeichnet sich auch am anderen Ende der Welt zwischen den USA und China ab. Donald Trump gab auf Twitter triumphierend ein unmittelbar bevorstehendes Handelsabkommen mit China und die Verschiebung der für den 15. Dezember angedrohten Einführung der Zölle bekannt. Die Märkte glaubten ihm: Schwellenländer-Aktien klettern, US-Anleihen schwächeln. Bricht wirklich ein neues Zeitalter an?

In Hongkong ist dagegen politisch nichts geregelt, und China hat keine andere Wahl, als seine weltweiten Ziele weiter zu verfolgen, da es von der Notwendigkeit getrieben wird, eine Lösung für sein nachlassendes Wachstum, seine alternde Bevölkerung und seinen rasant wachsenden Schuldenberg zu finden.

Auch das Verhältnis zwischen den Zentralbanken und den Märkten ist zunehmend freundlich. Auf ihren Sitzungen in der vergangenen Woche bestätigten die US-Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) jeweils den Status quo bei den Zinssätzen. Dies wurde von den Märkten, für die Vorhersehbarkeit an erster Stelle steht, gewürdigt.

In Europa herrscht überdies große Einigkeit darüber, dass die europäische Wirtschaft bis 2050 CO2-neutral sein soll. Ursula von der Leyen, die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, taufte das Vorhaben auf „Green New Deal“. Das Ziel ist sehr ehrgeizig: Wirtschaftswachstum und Emissionsminderung in Einklang bringen. Das Budget hat es in sich: 1.000 Milliarden Euro sollen hierfür in einem Jahrzehnt bereitgestellt werden. Der Plan stößt insbesondere in Osteuropa auf Widerstand. Auch die internationale Gemeinschaft reagiert zurückhaltend, wie die schwierigen Gespräche auf der UN-Klimakonferenz in Madrid belegen. Europa steht bei diesem Thema alleine da. Kann es seine Ziele dennoch erreichen und vor allem das Klima wirklich beeinflussen?

Die in den vergangenen Tagen geschlossenen beziehungsweise angekündigten Abkommen sind wertvoll und brüchig zugleich. Zumindest für den Augenblick freut man sich am Markt darüber und stimmt sich auf besinnliche Weihnachtsfeiertage ein.

 

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