Marktkommentar von BNY Mellon Investment Management
Der US-Reposatz fand selten so viel Aufmerksamkeit wie in letzter Zeit. Grund dafür war der kurzfristige Anstieg des Reposatzes am 17. September auf 10 Prozent. Solch einen Zuwachs gab es seit der Finanzkrise nicht mehr. Vincent Reinhart, Chefökonom von Mellon, einer Gesellschaft von BNY Mellon Investment Management (Foto anbei), glaubt jedoch nicht, dass das Finanzsystem vor einer Systemkrise steht:
„Repogeschäfte ermöglichen Banken schnellen Zugriff auf Liquidität. Dabei kauft eine Geschäftsbank von einer anderen Bank Wertpapiere mit der Vereinbarung, diese am nächsten Tag zurückkaufen. Der Anstieg des Reposatzes kann somit ein Zeichen sein, dass Banken einander keine Kredite mehr gewähren. Das wiederum heizt Spekulationen über ein mögliches systemisches Problem im Finanzsystem an – wie damals während der Finanzkrise. Befinden sich die Banken also in Schwierigkeiten?
Wir glauben das nicht. Vielmehr ist der Anstieg wohl auf eine Reihe zufälliger Ereignisse zurückzuführen. Nachdem die Fed dem Bankensystem ein Jahrzehnt lang reichlich Liquidität zugeführt hat, reduzierte sie ihr Portfolio in den letzten zwei Jahren schrittweise und damit ihre Reserven. Zudem flossen dem US-Finanzministerium Mitte September Steuereinnahmen in Milliardenhöhe zu, ebenso wie der Erlös aus einigen großen Bond-Auktionen. Dadurch schwoll die Bilanz der Zentralbank um 200 Milliarden US-Dollar an; im Umkehrschluss wurde den Geschäftsbanken im ungefähr gleichen Umfang Liquidität entzogen. Die Banken wiederum wollten größere Reserven halten als die Fed bereitstellte. Weil diese auf dem Geldmarkt nicht zu bekommen waren, stieg der Reposatz steil an.
Kürzlich hat der Fed-Präsident Jerome Powell konstatiert, dass es unklar sei, in welchem Umfang Liquidität von der Zentralbank zur Verfügung gestellt werden muss, um den Reposatz auf stabilem Niveau zu halten. Das ist allerdings keine Neuigkeit, denn die Suche nach der richtigen Balance zwischen Angebot und Nachfrage folgt für die Fed seit jeher zu einem gewissen Maß auch dem Prinzip von Versuch und Irrtum.
Die derzeitige Volatilität zeigt deutlich, dass die Zentralbank die Situation wohl falsch eingeschätzt hat, obwohl sie das Problem relativ schnell erkannte und dem Bankensystem vorübergehend 75 Milliarden Dollar zur Verfügung stellte. Dieser Betrag wurde inzwischen deutlich erhöht.
Die zehn Jahre seit der Finanzkrise sind indes einzigartig an den Finanzmärkten, weil die US-Notenbank das Bankensystem mit Liquidität flutete und dadurch die Schwankungsbreite des Reposatzes deutlich einengte. Vor der Finanzkrise war die Bilanzsumme der Fed deutlich kleiner und die Notenbank wesentlich zurückhaltender bezüglich der dauerhaften Bereitstellung von Liquidität. Sprunghafte Veränderungen des Reposatzes waren damals üblich, ebenso wie kurzfristige Maßnahmen zur Sicherstellung der Liquidität. Die Notenbank stellte dem Repomarkt pro Jahr über rund 200 Tage Liquidität zur Verfügung.
Historisch gesehen ist das Vorgehen der Zentralbank also nicht außergewöhnlich, und bis sich die Fed dazu entschließt, die Reserven dauerhaft zu erhöhen, wird sie dem Repomarkt auch weiterhin Liquidität zur Verfügung stellen.
Dass die Fed das richtige Maß auf Anhieb findet, ist allerdings nicht garantiert. Deshalb sollten sich Anleger darauf einstellen, dass die Volatilität am Repomarkt weiter zunimmt.“
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