Autor: Dr. Jan Freitag, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

 

Erinnerung an ein vom Verfasser dieses Artikels erwirktes Urteil des Bundesarbeitsgerichtes Berichterstattung über ein vom Verfasser dieses Artikels erwirktes Urteil des Arbeitsgerichtes Köln

Im Vertrieb von Finanzleistungsprodukten spielt, wie im Vertrieb jeder Branche, das Thema variable Vergütung eine große Rolle. Vertriebsmitarbeiter sollen motiviert werden, möglichst erfolgreich die Produkte, z.B. die Finanzdienstleistungsprodukte des Arbeitgebers zu verkaufen oder diese für ihn zu vermitteln.

Eine übliche Vorgehensweise von Arbeitgebern ist dabei die Gewährung von variabler Vergütung. Neben einem arbeitsrechtlich notwendigen Grundgehalt (Untergrenze: Mindestlohngesetz) soll und darf ein Mitarbeiter darüber motiviert werden, von erfolgreichen Vertriebsleistungen finanziell zu profitieren. Arbeitsrechtliche Instrumente sind die Vereinbarungen von Provisionen bzw. Provisionsvorschüssen, generell oder für einen bestimmten Zeitraum.

In der Ausgestaltung gibt es Modelle, die z.B. bei Stornierungen Rückforderungsmöglichkeiten der Provisionen zulasten des Arbeitnehmers vorsehen.

Eine andere Variante der variablen Vergütung ist die arbeitsvertragliche Einigung auf eine Zielvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Dieser Artikel ist sowohl für Arbeitgeber, die solche Regelungen in Arbeitsverträgen gestalten möchten, als auch für Arbeitnehmer, die prüfen möchten, ob ihre Regelungen im bestehenden Arbeitsvertrag tatsächlich wirksam sind, interessant. Es gab in den letzten Jahren und gibt auch aktuell Entwicklungen in der Arbeitsrechtsrechtsprechung:

  1. Provisionen

Der Unterzeichner hat im Jahre 2015 unter dem Aktenzeichen BAG 10 AZR 84/14 ein höchstrichterliches Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) in Erfurt erwirkt, welches im Kern in zwei wichtigen Punkten Vorgaben für die arbeitsvertragliche Gestaltung von Klauseln im Bereich von Provisionsvereinbarungen festlegt.

Das BAG hat die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitgeber bei einer Rückforderung von Vergütung vom Arbeitnehmer auch darlegen und beweisen müsse, wie er konkret die Provisions- und Stornohaftungsbedingungen dem Arbeitnehmer nähergebracht habe. Die Vorlage und Kenntnisnahme (inklusive Einverständnis) der Provision- und Stornohaftungsbedingungen durch den Arbeitnehmer seien danach für das BAG Teil der geforderten Transparenz, wenn der Arbeitgeber Provisionsvergütung in Form von an den Arbeitnehmer ausgezahlten Provisionsvorschüssen vom Arbeitnehmer zurückerlangen möchte. Es sind die §§ 305 ff. BGB („AGB-Recht“) mit dem das BAG rechtlich argumentiert.

Das BAG hat außerdem sehr hohe Schlüssigkeitsanforderungen für Arbeitgeber, die Provisionen vom Arbeitnehmer zurückfordern, aufgestellt. Diese werden als deutliche Erhöhung der Bearbeitungs- und Dokumentationslast für Arbeitgeber bei Stornierungen von vom Arbeitnehmer vermittelten Produkten interpretiert.

Der Arbeitgeber darf sich zwar grundsätzlich über Stornoreservekonten absichern. Er darf aber nicht mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass er über die Provision erst dann verfügen dürfe, wenn sich kein Vertrag mit einem Kunden mehr in der Stornohaftungszeit befinde und auch sonst keine Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer bestünden. Spätestens nach Ablauf der jeweils vereinbarten Stornohaftungszeit eines vom Arbeitnehmer vermittelten Vertrages ist die vom Arbeitgeber einbehaltene Stornoreserve für diesen Vertrag an den Arbeitnehmer auszukehren. Anderslautende Klauseln in Arbeitsverträgen machten die Vereinbarung einer Stornoreserve unwirksam.

Möchte der Arbeitgeber nach Stornierungen von vom Arbeitnehmer vermittelten Verträgen oder (Finanz-)Produkten die an den Arbeitnehmer (vorschüssig) ausgezahlte Provision (Arbeitsvergütung) zurückerhalten, muss er dies im Arbeitsvertrag präzise regeln.

Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass er spätestens im Streitfall kritisch schauen sollen, ob seine Regelungen im Arbeitsvertrag zu den Provisionen bzw. zu Rückforderungen von Provisionen überhaupt wirksam sind. Dabei geht es häufig um einen erheblichen Teil des Gehaltes.

In der Praxis wird in der Arbeitsvertragsgestaltung in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, Provisionen in Arbeitsverträgen nicht mehr generell, sondern nur mit kurzen Laufzeiten (z.B. Jahr für Jahr) zu vereinbaren. Dies ist jedenfalls für den Arbeitgeber flexibler.

In der Praxis beliebt sind in der Arbeitsvertragsgestaltung auch sogenannte Verfallklauseln, bei denen man allerdings eine Gesetzänderung aus dem Jahre 2016 in der Vertragsformulierung zu beachten hat. Verfallklauseln sollen Rechtsstreitigkeiten vermeiden, in dem sie Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schon frühestens nach 3 Monaten arbeitsvertraglich verfallen lassen.

  1. Zielvereinbarungen

Eine andere übliche Variante, Vertriebsmitarbeiter zu motivieren, ist, Zielvereinbarungen zu formulieren. Viele Arbeitsverträge sehen die jährliche Einigung auf Zielvereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor, nennen häufig sogar Vergütungshöhen, die mit den Zielvereinbarungen (mindestens) zu erreichen seien.

Hinter dem Begriff Zielvereinbarung steckt allerdings die Problematik, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in jedem Jahr einigen müssen, damit eine Regelung zustande kommt.

Es ist dabei erst einmal der Arbeitgeber, der im Rahmen seiner Vertriebsziele, Zielvereinbarungen vorschlagen darf. Wenn es arbeitsvertraglich vereinbart ist, muss er dies aber auch. In der Ausgestaltung ist der Arbeitgeber im Grundsatz frei. Es dürfen aber keine willkürlichen, den Arbeitnehmer etwa erheblich benachteiligenden Zielvereinbarungen vom Arbeitgeber vorgeschlagen werden. Es muss für den Arbeitnehmer möglich sein, die üblichen variablen Vergütungsbestandteile über die (arbeitsvertraglich vereinbarte) Zielvereinbarung zu erreichen.

Was ist aber, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einigen können ?

Was muss der Arbeitgeber, was muss der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich leisten, damit eine Zielvereinbarung zustande kommt ?

Kann der Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen, wenn eine Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist ?

Das Arbeitsgericht Köln hat sich in einem aktuellen, vom Unterzeichner erwirkten Urteil vom 03.05.2018 unter dem Altenzeichen 5 Ca 8594/17 mit dieser Frage beschäftigt. Das Arbeitsgericht hat in der mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung einen hilfreichen Überblick über die BAG-Rechtsprechung in diesem Themenfeld vorgelegt.

Es hat dabei Schadensersatz bei nicht geschlossenen Zielvereinbarungen nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Absatz 1 und Absatz 3 BGB in Verbindung mit den §§ 283 Satz 1, 252 BGB für grundsätzlich möglich gehalten (z.B. BAG vom 12.12.2007 und vom 10.12.2008, 10 AZR 97/07, 10 AZR 889/07).

Der Arbeitgeber habe, wenn im Arbeitsvertrag Zielvereinbarungen vorgesehen sind, die Pflicht, ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung anzuberaumen und ein Angebot vorzulegen „Verhandlungspflicht des Arbeitsgebers“ (BAG vom 12.05.2010, 10 AZR 390/09).

Die Pflicht des Arbeitnehmers ist es wiederum, auf diese Angebote zu reagieren. Wenn der Arbeitnehmer nicht reagiert, also z.B. keine eigenen Angebote vorgelegt hat oder nicht offenbart, weshalb er die Angebote des Arbeitgebers nicht für annahmefähig hält, kann er den Arbeitgeber nicht in Verzug setzen. Ein solches Verhalten sei widersprüchlich und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Denn der Arbeitgeber muss lediglich alles aus seiner Sicht Notwendige in die Wege geleitet haben, um eine Zielvereinbarung zu erreichen (BAG, ArbG Köln, aaO).

In diesem Spannungsfeld bewegen sich die wechselseitigen Verpflichtungen bei Zielvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Wenn Zielvereinbarungen in einem Arbeitsvertrag vorgesehen sind, muss mithin sowohl der Arbeitgeber, als auch der Arbeitnehmer sehr gründlich die rechtlichen Schritte abwägen.

Durch die Vermeidung einer arbeitsvertraglichen Pflicht zur Verhandlung einer Zielvereinbarung kann jedoch insbesondere der Arbeitgeber in diesem Punkt flexibler werden. Auch bei Zielvereinbarungen könnte der Arbeitgeber es arbeitsvertraglich so gestalten, dass er Jahr für Jahr „nur“ freiwillig dem Arbeitnehmer Angebote für Zielvereinbarungen vorlegt.

Und auch bei Zielvereinbarungen spielt das Thema Verfallklausel (siehe oben) eine große Rolle.

III. Fazit

Variable Vergütung ist ein sehr wichtiges arbeitsvertragliches Instrument im Vertrieb, auch und besonders im Finanz-Vertrieb. Es kann sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer um erhebliche Beträge gehen.

Eine gründliche, möglichst arbeitsrechtlich geprüfte arbeitsvertragliche Vereinbarung über variable Vergütung („Provisionen, Umgang mit Stornierungen, Zielvereinbarungen etc.“) sollte daher für jedes Unternehmen und für jeden Arbeitnehmer eine Selbstverständlichkeit sein.

 

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