Skepsis bei PAYL-Tarifen
Mehr als jeder dritte Versicherer (35 Prozent) will seine Produktlandschaft bis 2022 gravierend verändern. Die Branche reagiert damit unter anderem auf den geplanten Provisionsdeckel für bestimmte Lebensversicherungsprodukte und den harten Preiskampf in der Sachversicherungssparte. Vier von zehn Versicherern wollen das Geschäft mit Total-Care-Paketversicherungen und Anti-Hacking-Policen ankurbeln. Produkte mit verhaltensabhängigen Beiträgen finden in der Branche dagegen weniger Anklang. Das ergibt die Studie “Branchenkompass Insurance 2019” von Sopra Steria Consulting.
Die Produktlandschaft der Assekuranz in Deutschland wird sich in den kommenden Jahren wandeln. Mit neuen Services, Angeboten, Apps und Multi-Kanal-Management wollen die Versicherer und Vermittler neue Kunden gewinnen und bestehende Beziehungen vertiefen. Vor allem neue Themenangebote wie Produktbündelungen und Cyber-Security-Policen werden in den kommenden fünf Jahren an Relevanz gewinnen.
So wollen 39 Prozent der befragten Versicherer durch Kombiprodukten wachsen. Die Themenpakete enthalten neben der Versicherungsleistung weitere Dienstleistungen, beispielsweise Bausteine anderer Versicherer sowie passende Produkte branchenfremder Unternehmen. Die Assekuranz reagiert damit auf neue Kundenerwartungen: Zwei von drei Entscheidern stimmen der Aussage zu, dass Kunden zukünftig Versicherer bevorzugen werden, die ihnen Komplettlösungen über digitale Ökosysteme und Themenplattformen anbieten können.
Der Versicherer Gothaer arbeitet beispielsweise mit verschiedenen Partnern an einer Smart-Home-Plattform. 40 Prozent der befragten Versicherer planen ähnliche Kooperationen. Die Versicherungskammer Bayern bietet seit Anfang 2019 ein Care-Paket namens Holiday Care an, das auf der eigenen digitalen Plattform Uptodate basiert. Kunden, die eine längere Zeit nicht zuhause sind, können situative Versicherungen und versicherungsnahe Leistungen wie eine Schlüsselverwaltung oder einen Sicherheitsdienst buchen. Im Zusammenspiel mit Assistance-Leistungen wird das Angebot deutlich wachsen. Insgesamt werden lebensbegleitende Services an Relevanz gewinnen, prognostizieren 37 Prozent der Versicherungsentscheider. Gleiches gilt für Produkte, die von der Beratung über den Abschluss bis zum Schadenmanagement komplett digital angeboten werden.
Cyber-Security-Versicherungen als Wachstumstreiber
Über Themenpakete denken die Versicherer auch bei der Absicherung gegen Cyber-Risiken nach. 41 Prozent der Entscheider gehen davon aus, dass Policen gegen Schäden durch Hackerangriffe in den kommenden fünf Jahren an Relevanz gewinnen werden. Versicherer wollen Kunden bei ihren IT-Sicherheitsanforderungen unterstützen und entwickeln dafür spezielle Deckungskonzepte. Für Unternehmen entstehen beispielsweise Zusatzleistungen wie eine IT-Sicherheitsberatung. Die Branche reagiert damit auf eine wachsende Bedrohung durch Cyber-Attacken und die damit verbundene steigende Nachfrage nach Cyber-Sicherheit. Im Zeitraum von 2010 bis 2017 sind die Fälle von Cyber-Crime um 44 Prozent gestiegen, so der Lagebericht des Bundeskriminalamtes. Zudem werden Bedrohungen nicht nur häufiger, sondern auch raffinierter. Vorreiter bei der Produktentwicklung sind die Konzerne. Nur 27 Prozent der kleineren Versicherungsunternehmen setzen auf Wachstum durch Cyber-Security-Policen. Das ist auf die generell kleinere Produktauswahl zurückzuführen.
Vor allem PAYL-Tarife haben es weiterhin schwer
Im Gegensatz zu Produktbündelungen und Cyber-Versicherungen betrachten viele Versicherer die Zukunft verhaltensabhängiger Tarife immer noch mit Skepsis. Lediglich 31 Prozent der befragten Entscheider bewerten die Tarife als Wachstumsprodukt. Produkte wie Pay-as-you-live-(PAYL-)Policen gewinnen hierzulande nur langsam an Relevanz. Anders sieht es in den USA aus. Hier gehen erste Versicherer dazu über, nur noch Lebensversicherungen anzubieten, die auf Gesundheitsdaten der Kunden beruhen. “In Deutschland finden verhaltensbasierte Produkte nur schwer Eingang in Tarifkonzepte. Das liegt einerseits daran, dass der Fokus noch auf bewährten Geschäftsmodellen liegt. Einige sehen darin auch das Kollektivprinzip gefährdet. Die größere Herausforderung liegt jedoch immer noch in der Bereitstellung der erforderlichen digitalen Infrastruktur. Ist diese Hürde einmal genommen, lassen sich dynamische Versicherungsprodukte mit situativen Risikobewertungen abbilden und vermarkten”, sagt Dominic Testrut, Leiter Insurance Consulting bei Sopra Steria Consulting.
Im Gegensatz zu PAYL-Produkten haben es Pay-as-you-drive-(PAYD-)Modelle einfacher. Telematik wird eingesetzt, um Risiken in der Kfz-Sparte exakter zu kalkulieren. Das ermöglicht individuelle Tarife. Defensives Fahren wird beispielsweise durch Rabatte belohnt. Versicherer wie die Allianz, HUK-Coburg und Cosmos Direkt haben PAYD-Angebote im Portfolio. In Großbritannien sind PAYD-Modelle seit Jahren beliebt, Italien oder Österreich nutzen sie ebenfalls.
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