Jean-Marie Mercadal, CIO beim französischen Asset Manager OFI, äußert sich zu Trumps Twitter-Effekt, dem Handelskonflikt und einem möglichen Währungskrieg:
„Wenn US-Präsident Donald Trump twittert, bewegt er die Finanzmärkte. Trumps Tweets haben zum Handelskonflikt zwischen den USA und China die Finanzmärkte in Bewegung gebracht.
Das hat zum einen natürlich mit seiner herausgehobenen Stellung als US-Präsident zu tun. Zum anderen ist es der veränderten Natur der Märkte geschuldet. In den letzten Jahren haben Anleger ungeahnte Kursanstiege, gefolgt von abrupten und steilen Kurskorrekturen, erlebt. Diese sind immer häufiger von Signalen automatisierter Handelssysteme und von Allokationsmodellen abhängig. Auch Anlageentscheidungen werden zunehmend binärer, da ein Großteil des Anleiheuniversums Renditen bietet, die nahe Null oder negativ sind.
Aus Sicht von Trump scheint der Zeitpunkt für seine Tweet-Offensive gut abgepasst. Die Wiederwahlkampagne hat für ihn begonnen. Er muss seine Wählerschaft mobilisieren; er will zeigen, wie unnachgiebig er sein kann: Die Wall Street ist beflügelt, seine Beliebtheitswerte sind gestiegen, die US-Arbeitslosenquote ist auf einem historischen Tiefstand, und das Wachstum für das erste Quartal von 3,2 Prozent übertraf die Erwartungen.
Das Timing für die Märkte ist allerdings schlecht. Investoren hatten von den USA und China erwartet, dass sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Einigung im Handelskonflikt erzielen würden – und zwar so sehr, dass ein negatives Szenario nicht in die Kurse eingepreist zu sein scheint.
Das Weltwirtschaftswachstum erholt sich zwar weiter. Bei einer Verschärfung der Handelsstreitigkeiten könnte Europa jedoch zu einem „Bauernopfer“ der Großmächte werden, indem etwa die USA ihre Zölle auf den europäischen Automobilsektor ausweiten. Die Märkte sind außerdem besorgt darüber, dass es nicht allein um Zölle geht, sondern um Grundsätzliches wie die Öffnung des chinesischen Marktes und die Einhaltung der Vorschriften für geistiges Eigentum und Technologietransfer.
Darüber hinaus gibt es Befürchtungen, dass sich der Handelskrieg zu einem Währungskrieg ausweiten könnte. Chinas Währung hat seit Anfang Mai knapp 3,5% verloren. Es besteht die Gefahr, dass dies andere Währungen der Schwellenländer schwächen und eine Kettenreaktion auslösen könnte.
Trotz allem scheint ein positiver Ausgang des Handelskonfliktes letztendlich möglich zu sein – abhängig vielleicht von Trumps‘ Haltung während der Verhandlungen mit China. Für den 28. und 29. Juni ist der nächste G20-Gipfel in Japan geplant, wo die beiden Präsidenten, Donald Trump und Xi Jinping, zusammentreffen. Bis dahin bleibt es spannend. Anleger sollten in dieser Zeit allerdings eher zurückhaltend agieren.“
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