Versicherer reagieren nur langsam auf neue Risiken

 

Versicherungsnehmer sind zunehmend besorgt darüber, dass ihr Versicherungsschutz durch neu aufkommende Risiken unzureichend geworden ist; die Anbieter gehen nicht schnell genug auf diese Besorgnisse ein. Zu diesem Ergebnis kommt der von Capgemini und der Efma veröffentlichte World Insurance Report 2019.

Die Studie stellt fest, dass sich in neu entstehenden Risikobereichen – von der Cybersicherheit bis hin zu Umweltbedrohungen – erhebliche Versorgungslücken entwickelt haben. Die Versicherer sind dabei weniger stark auf Veränderungen eingestellt als ihre Kunden, von denen sich die meisten eine umfassendere und personalisiertere Abdeckung wünschen. Gleichzeitig haben die Versicherer die große Chance, Technologie und Partnerschaften zu nutzen, um Makrotrends vorwegzunehmen und proaktivere Partner ihrer Kunden zu werden.

Der Bericht identifiziert fünf Makrotrends, die für Versicherungskunden und ihre Unternehmen neue Risiken mit sich bringen: disruptive Umweltmuster, technologischer Fortschritt, sich entwickelnde soziale und demografische Trends, neue medizinische und gesundheitliche Bedenken und Veränderungen im Geschäftsumfeld. International sind weniger als 25 Prozent, in Deutschland unter 30 Prozent der Geschäftskunden der Meinung, dass sie über eine ausreichende Deckung verfügen, um gegen ein von diesen Makrotrends ausgehendes Risiko abgesichert zu sein. Unter den deutschen und internationalen Privatkunden verfügen weniger als 15 Prozent über eine ausreichende Absicherung.

Die meisten Versicherer haben bislang nur zögerlich auf diese Trends reagiert und ihre Kunden dafür gewappnet. Von den Lebens- und Krankenversicherern gaben weniger als 40 Prozent – in Deutschland sogar unter 30 Prozent – an, eine Pipeline mit neuen Produkten aufgebaut zu haben, um aufkommende Risiken umfassend abzudecken.

“Die Versicherer haben sich lange Zeit auf die Transformation ihrer Kernsysteme konzentriert. Jetzt erwarten ihre Kunden Antworten auf neue Entwicklungen: Ihre Absicherungsbedürfnisse sind durch jüngst gewachsene Risiken gestiegen und sie wünschen sich individuellere Angebote. Dem können die Versicherer nur mit neuen Technologien nachkommen”, fasst Dr. Joachim Rawolle, Head of Business Technology Solutions für Versicherungen bei Capgemini, die Situation zusammen. “Wer sich jetzt allerdings zügig technologisch weiterentwickelt und als Partner seiner Kunden auch präventiv handelt, wird von einer umso größeren Offenheit und Nachfrage profitieren.”

Erhebliche Versorgungslücken in neuen Risikobereichen

Die langsame Reaktion auf neue Bedrohungen hat zu erheblichen Deckungslücken für Kunden geführt, die diesen Risiken ausgesetzt sind: Der Bericht schätzt die Gefahr von Cyberangriffen international für 83 Prozent der privaten Versicherungskunden als mittel bis hoch ein – aber nur 3 Prozent sind umfassend dagegen abgesichert. In Deutschland sieht es geringfügig besser aus: Hier sind 72 Prozent der Privatkunden mittel- bis hochgradig gefährdet und 4 Prozent gegen Cyberangriffe abgesichert.

Von den Geschäftskunden sind international 87 Prozent, in Deutschland 83 Prozent mittel- bis hochgradig durch Cyberangriffe gefährdet, doch weniger als 18 bzw. 24 Prozent umfassend versichert. 81 Prozent der Geschäftskunden international sind mittel bis stark steigenden Gesundheitskosten für die Mitarbeiter ausgesetzt, aber nur 17 Prozent dahingehend abgesichert. Die deutschen Geschäftskunden sind auch hier mit 76 und 21 Prozent etwas besser aufgestellt. Von zunehmenden Naturkatastrophen sind international fast 75 Prozent bedroht, aber nur 22 Prozent effektiv dagegen abgesichert – gegenüber 65 Prozent Gefährdeten und 27 Prozent Versicherten in Deutschland.

Verbraucher sind bereit für Veränderungen

Die Versicherungslandschaft wandelt sich – und die Kunden zeigen eine größere Bereitschaft zur Veränderung als ihre Versicherer: Mehr als die Hälfte (58 Prozent international, 53 Prozent in Deutschland) der Kunden gaben an, dass sie bereit sind, neue Versicherungsmodelle auszuprobieren. Allerdings investiert international erst jeder Vierte (26 Prozent) Versicherer in weitere Modelle, in Deutschland mehr als jeder Dritte (39 Prozent). Im Gegenzug für bessere Services zur Risikokontrolle und -prävention würden international 37 Prozent der Kunden – in Deutschland nur 27 Prozent – mit großer Bereitschaft zusätzliche Daten austauschen. Allerdings haben nur 27 Prozent der Versicherer international, in Deutschland immerhin 35 Prozent die Möglichkeit, Echtzeitdaten für die Risikomodellierung zu nutzen.

“Diese Studie zeigt, dass die Zukunft der Versicherung in Partnerschaften liegt”, sagt Vincent Bastid, Generalsekretär der Efma. “Versicherungsanbieter müssen mit Partnern kooperieren, die über ein hohes Maß an technologischem Fachwissen verfügen – von KI bis hin zur fortgeschrittenen Analytik. Parallel sollten sie enger mit ihren Kunden zusammenarbeiten, um den reaktionsschnellen, bedarfsgerechten Service zu bieten, den viele suchen.”

Versicherer müssen innovativ sein und Partner sowie Präventor werden

Die Versicherer müssen auf neue Bedrohungen und sich ändernde Kundenerwartungen reagieren, indem sie neue Technologien nutzen und Kooperationen eingehen. Die Risikobewertung kann durch den Einsatz maschinellen Lernens, künstlicher Intelligenz und fortgeschrittener Analytik sowie einer effektiven Zusammenarbeit mit InsurTechs erheblich verbessert werden. Die Fortschritte in diesen Bereichen sind durchmischt: Eine Mehrheit der Versicherer (57 Prozent international und in Deutschland) nutzt KI, maschinelles Lernen und fortgeschrittene Analytik, aber nur 29 Prozent international – in Deutschland immerhin 45 Prozent – haben bereits eine automatisierte Risikobewertung implementiert und nur 20 Prozent (in Deutschland wie international) eine Insight-Generierung aus IoT-Geräten in Echtzeit.

Der Studie zufolge muss der technologische Fortschritt durch einen Einstellungswandel ergänzt werden: Wo sich die Versicherer traditionell als Kostenträger verstehen, müssen sie zusätzlich die Rolle eines Präventors annehmen und als Partner enger mit ihren Kunden zusammenarbeiten, um Risiken zu minimieren und On-Demand-Services anzubieten.

Methodik der Studie

Der World Insurance Report (WIR) 2019 deckt alle drei großen Versicherungssegmente ab: Lebens-, Sach- und Krankenversicherung. Die diesjährige Studie stützt sich auf Forschungsergebnisse aus zwei Hauptquellen: dem 2019 Global Insurance Voice of the Customer Survey und den 2019 Global Insurance Executive Interviews. Zusammen decken diese Quellen Erkenntnisse aus 28 Märkten ab: Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, China, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Hongkong, Indien, Italien, Japan, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Philippinen, Polen, Portugal, Singapur, Südafrika, Spanien, Schweden, Schweiz, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate, Großbritannien und die Vereinigten Staaten. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Berichts unter www.worldinsurancereport.com.

 

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