Börsengehandelte Fonds (ETFs) weisen zwar bestimmte Eigenschaften auf, die denen von Aktien und Investmentfonds ähnlich sind, es bestehen jedoch auch erhebliche Unterschiede. Jason Xavier, Head of EMEA ETF Capital Markets bei Franklin Templeton, erklärt, warum Anleger ihre ETF-Allokationen seiner Meinung nach aus einem anderen Blickwinkel betrachten sollten.

 

In unserem letzten Artikel zu den ETF-Kapitalmärkten haben wir die Belastbarkeit der ETF-Märkte betrachtet und mit einigen der Mythen bezüglich der Rollen bestimmter Marktteilnehmer aufgeräumt. In diesem Beitrag möchte ich nun einige weitere Missverständnisse aufklären. Dieses Mal gilt unsere Aufmerksamkeit den Aspekten, die bei der Auswahl eines ETF zu berücksichtigen sind.

Vor allem ist unser Team der Ansicht, dass einige der beim Screening von Investmentfonds verwendeten Auswahlkriterien – insbesondere das Handelsvolumen und die Größe (das verwaltete Vermögen bzw. AUM) – im ETF-Universum weniger wichtig sind als andere Aspekte.

ETF-Handelsvolumen

Beginnen wir mit dem Handelsvolumen eines ETFs. Unserer Erfahrung nach setzen viele Anleger nach wie vor das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen eines ETFs als einzige Kennzahl für seine Liquidität an. Wir sehen die Lage anders und erkennen, dass ETFs zwei Liquiditätsquellen haben: den ETF selbst und die Liquidität der Basiswerte. Um dies deutlicher zu erklären, muss man sich noch einmal vor Augen führen, dass der Handel und die Marktstruktur von ETFs zwar ähnliche Eigenschaften wie Aktien aufweisen, die Art und Weise, in der ihre Anteile ausgegeben werden, jedoch grundverschieden ist. Die zugrunde liegende Liquidität einer einzelnen Aktie ist eine Funktion der endlichen Anzahl ausstehender Aktien. Somit gibt das Handelsvolumen der Aktie einen Hinweis auf die Liquidität. Ein ETF wiederum ist ein offener Fonds, der in Abhängigkeit von der Nachfrage mehr Anteile begeben und auf der Grundlage von Rücknahmen Anteile kündigen kann.

Wenn die Zahl der Anteilinhaber, die ihre Anteile verkaufen wollen, die Zahl der neuen Anleger, die Anteile kaufen möchten, übersteigt, übernehmen als befugte Teilnehmer und/oder Market Maker bezeichnete Marktteilnehmer die Rolle des Käufers. Der Preis, zu dem diese Marktteilnehmer den ETF kaufen würden, wird durch den Preis bestimmt, zu dem sie den jeweils zugrundeliegenden Wertpapierkorb verkaufen könnten, da sie Anteile aller Wahrscheinlichkeit nach zurückgeben müssen. Diese Dynamik verschärft sich nur im Fall eines extremem Verkaufsdrucks.

Man darf nicht vergessen: das Volumen der gehandelten ETF-Anteile ist kein präzises Maß für die zugrundeliegende Liquidität eines ETF. ETF Volumina besagen nur, welche Mengen gehandelt wurden, und nicht, was gehandelt werden konnte. Um zu sehen, was gehandelt werden könnte, muss ein Anleger die zugrunde liegenden Aktien betrachten. Daher wird die Liquidität eines ETFs – ganz gleich, ob es sich um ein neu begebenes oder ein bereits etabliertes Produkt handelt – immer durch die Liquidität der Basiswerte bestimmt. Viele Anleger legen erheblichen Wert darauf, die Liquidität eines Vermögenswerts, in den sie investieren, genau zu verstehen. Sie wollen ein angemessenes Maß an Sicherheit haben, dass sie Positionen selbst bei einer angespannten Marktlage erfolgreich liquidieren können.

Arbitrage: Wie Preise im Gleichgewicht bleiben

Der Käufer eines ETFs geht davon aus, dass sein Preis dem Wert des zugrundeliegenden Wertpapierkorbs entsprechen wird. Das Konzept der Arbitrage sorgt dafür, dass diese beiden Werte nah aneinander bleiben. Bei einer Arbitrage wird im Grunde genommen derselbe Vermögenswert zum gleichen Zeitpunkt zu unterschiedlichen Preisen ge- und verkauft. Das Ziel besteht hierbei darin, sich die Preisdifferenz zwischen diesen identischen (oder nahezu identischen) Produkten an unterschiedlichen Märkten oder auf verschiedenen Plattformen zunutze zu machen. Die Preisdifferenz zwischen den beiden ähnlichen Vermögenswerten wird als der „Spread“ bezeichnet. Der durch Market Maker und befugte Teilnehmer unterstützte Arbitragemechanismus des ETFs sorgt dafür, dass der Preis des ETFs demjenigen seines Korbs an Basiswerten entspricht.

Für ETFs, denen Körbe mit liquiden Wertpapieren (wie z.B. US-amerikanische Large Caps) zugrunde liegen, würden wir davon ausgehen, dass der Preis eines ETFs mit einem hohen durchschnittlichen täglichen Volumen auf einem ähnlichen Niveau gehandelt wird wie ein ETF mit einem niedrigen durchschnittlichen täglichen Volumen, da der zugrundeliegende Korb US-amerikanischer Large Cap-Werte eine hohe Liquidität aufweist. Für einige wenige liquide ETFs mit etwas weniger liquiden Basiswertkörben (beispielsweise US-amerikanische Small Caps oder hochverzinsliche Anleihen) können einige Marktteilnehmer potenziell davon profitieren, Transaktionen innerhalb des Spreads der Basiswerte durchzuführen.

Wenn jedoch zeitnah Liquidität benötigt wird (insbesondere, wenn Anleger verkaufen wollen), werden so gut wie alle ETFs – sowohl die mit hohem ALS AUCH die mit niedrigem durchschnittlichem täglichem Volumen – zu Preisniveaus gehandelt, die stärker dem Kurs entsprechen, zu dem Marktteilnehmer den Korb an Basiswerten verkaufen könnten. Dies liegt am oben erläuterten Arbitragemechanismus – wenn die Preise zwischen dem ETF und dem zugrundeliegenden Korb an Wertpapieren nicht synchronisiert sind, springen diese auf Arbitrage ausgerichteten Händler (Market Maker und befugte Teilnehmer) ein und sorgen dafür, dass sich die Preise wieder aneinander angleichen.

Jenseits der Höhe des verwalteten Vermögens

Das zweite Auswahlkriterium, das unserer Erfahrung nach häufig fälschlicherweise auf ETFs angewandt wird, ist die Größe. Auch dieses Missverständnis liegt unserer Ansicht nach daran, dass Anleger nicht selten Aspekte zur Beurteilung traditioneller Investmentfonds auf ETFs anwenden. Es ist wahr, dass ein Anleger, der 15 Mio. EUR in einen ETF mit einem verwalteten Vermögen von 5 Mio. EUR investiert, anschließend 75 % des Fonds hält. Aber sollte das Anlass zur Sorge geben?

Um dies zu beantworten, müssen wir uns noch einmal ansehen, wie ein ETF erschaffen wird. Vor dem ersten Handelstag gibt es in der Regel ein Unternehmen (den Seeding-Kontrahenten), das den zugrundeliegenden Wertpapierkorb im Austausch für die ersten ETF-Anteile an den ETF-Emittenten liefert. Dieser Seeding-Kontrahent macht häufig 100 % des Fonds aus. Wenn diese Seeding-Firmen kein Problem damit haben, ein solches Limit zu halten, dann besteht unserer Meinung nach für keinen Anleger ein Grund, sich aufgrund des verwalteten Vermögens Sorgen um die Tragfähigkeit eines ETFs zu machen.

Viel wichtiger ist es, zu bestimmen, wie der ETF im Hinblick auf die Vermögensallokation zum breiteren Portfolio eines Anlegers passt. Unseres Erachtens gibt es für Anleger sehr viel wichtigere zu berücksichtigende Aspekte als eine übermäßige Fokussierung auf den von ihnen gehaltenen Anteil am verwalteten Vermögen eines ETFs. Aus unserer Sicht sollten sich Anleger vor allem darauf konzentrieren, einen ETF zu wählen, der ihnen genau das gewünschte Engagement bietet. Im nächsten Schritt sollten sie eine angemessene Anlage tätigen, um ihre Anlageziele zu erreichen.

Welche Risiken bestehen?

Alle Anlagen sind mit Risiken verbunden, einschließlich des potenziellen Verlusts des Anlagekapitals. Der Wert von Anlagen kann fallen oder steigen, und Anleger erhalten möglicherweise nicht den vollen Anlagebetrag zurück. Maklerprovisionen und ETF Aufwendungen schmälern die Renditen. ETF Anteile können den Tag über zu ihrem Marktpreis an der Börse, an der sie notiert sind, gekauft oder verkauft werden. ETFs werden wie Aktien gehandelt. Ihr Marktwert schwankt, und sie können zu Kursen gehandelt werden, die über oder unter ihrem Nettoinventarwert liegen. Es kann jedoch nicht garantiert werden, dass ein aktiver Handelsmarkt für ETF Anteile entsteht oder gepflegt wird oder dass deren Notierung fortgeführt wird oder unverändert bleibt. ETF Anteile können zwar an Sekundärmärkten gehandelt werden, aber eventuell werden sie nicht unter allen Marktbedingungen ohne Weiteres gehandelt, und in Zeiten von Marktstörungen können sie erhebliche Abschläge aufweisen.

 

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