Beitrag von RA Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand, VOTUM e.V.
Während in Ihrem Ministerium die Neufassung der Finanzanlagenvermittlerverordnung abgestimmt wird, erfolgt parallel durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine erste Evaluierung der durch MiFID II und MiFIR eingeführten Neuregelungen. Die deutsche Kreditwirtschaft hat hierzu der Ruhr-Universität Bochum einen Studienauftrag erteilt. Die Auswirkungsstudie liegt nun in Form des Abschlussberichtes vor, den wir Ihnen gern zur Kenntnis bringen möchten (siehe Anlage).
Die Studie zeigt hier, dass die aktuelle Umsetzung der MiFID II zu einer informationellen Überforderung und Verunsicherung des Kunden führt und Flexibilität und Individualität in der Beratung durch das starre Regelungswerk immer stärker eingeschränkt werden. Die Kunden flüchten in eine passive Empfängerrolle und überlassen maßgebliche Entscheidungen immer stärker ihren Beratern, anstatt selbst am Anlageprozess aktiv teilzunehmen.
So kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Neuregelungen eher fragwürdig sind und dem Verbraucherinteresse in Summe zuwiderlaufen.
Ein besonderes Augenmerk möchten wir darauf richten, dass die Studie bereits jetzt ergeben hat, dass die Bankinstitute auf Grund der Kostensteigerung im Beratungsgeschäft zum einen verstärkt auf das sogenannte beratungsfreie Geschäft der Execution-Only setzen und zum anderen eine Neupriorisierung ihrer Zielkunden vornehmen, d. h. der Unternehmenskunde oder Private Banking-Kunde wird dem Normalkunden deutlich vorgezogen, demgegenüber das Angebot dagegen ausgedünnt wird. Wenn überhaupt erhält der sogenannte Retail Kunde inzwischen ein immer stärker standardisiertes Leistungsangebot, welches einen passgenauen Zuschnitt vermissen lässt.
Auch die neu geschaffene Verpflichtung zur Sprachaufzeichnung sämtlicher mit dem Kunden geführter telefonischer Beratungsgespräche hat erhebliche Auswirkungen. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass die Banken auf die Neuregelung dadurch reagiert haben, dass sie ihr Angebot an telefonischer Beratung einstellen oder deutlich eingeschränkt haben und somit dieser Beratungskanal, zum Nachteil derjenigen Bevölkerungsschichten, die weniger mobil sind, bereits jetzt stark abgenommen hat.
Gesprochen wir hier von einer „regulatorisch erzwungenen“ Abkehr von der Telefonberatung.
Gerade kleinere und mittlere Institute sind hier massiv betroffen und sehen sich auch in einem klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber den Großbanken. Auch auf Kundenseite wird das Taping nach den Erhebungen massiv abgelehnt. Die repräsentative Studie zeigt auf, dass über 50 % der Kunden die Vertraulichkeit ihrer Gespräche als gefährdet erachten. Über 60 % empfinden Taping als störend, wobei der Anteil jener, die es sogar als sehr störend empfinden, überwiegt. Nahezu dreiviertel aller Kunden würden gern auf das Taping verzichten.
Tatsächlich schafft die Neuregelung daher keinen Rechtsrahmen, der den Zugang zum Anlagemarkt für die Kunden erleichtert und mit größerer Rechtssicherheit ausstattet, vielmehr geben nahezu 50 % der Kunden an, angesichts der Neuregelung auf das telefonische Wertpapiergeschäft bzw. Beratungen hierzu gänzlich zu verzichten.
Es zeigt sich, dass das Taping hier tatsächlich gesetzlich am Kundennutzen vorbei geregelt wurde.
Vor dem Hintergrund dieser evidenten Studienergebnisse möchten wir nochmals darauf drängen, dass hinsichtlich der über 35.000, zumeist als Einzelkaufleute oder in selbstständigen Kleinstbetrieben tätigen gewerblichen Anlagenvermittler, auf eine telefonische Aufzeichnungspflicht, wie sie im ersten Referentenentwurf vorgesehen war, verzichtet wird. Es besteht kein Anlass zu einer solchen Aufzeichnungspflicht, da – wie bereits mehrfach dargestellt – ein unmittelbar wirksamer telefonischer Wertpapierauftrag gegenüber einem gewerblichen Anlagenvermittler nicht möglich ist. Hierzu bedarf es vielmehr immer einer schriftlichen Dokumentation, die sodann auch die notwendigen Informationen und Risikobelehrungen enthält, so dass vermeintlich abweichende telefonische Beratungsinhalte immer auffallen.
Wenn bereits kleine Bankinstitute erkennen, dass die Regelungen zur telefonischen Aufzeichnung im Wettbewerb zu ihren Lasten gehen und auch gegenüber den Kunden keinen Nutzen erbringen, so gilt das für die gewerblichen Anlagenvermittler umso mehr. Diese sind darüber hinaus ohnehin in ihrem Beratungssegment auf Fondsprodukte beschränkt. Einzelorder zu Wertpapieren wie Aktien oder Derivaten können von ihnen überhaupt nicht vermittelt werden.
Allein der Umstand, dass die Banken bereits die kundenunfreundliche Regelung umsetzen mussten, kann nicht als Argument dafür herhalten, dass nunmehr auch die gewerblichen Anlagenvermittler mit einer derartig überzogenen Regulierung in ihrem Leistungsangebot eingeschränkt werden. Eine wie auch immer geartete Gleichbehandlung zum Nachteil des Kunden sollte daher nicht erfolgen. Es ist hier zu befürchten, dass sich das Beratungsangebot gegenüber dem normalen Verbraucher durch die Verpflichtung zum Taping weiter dramatisch reduziert, obwohl es gerade in Zeiten der weiterhin andauernden Niedrigzinsphase von großer Bedeutung wäre, dass mehr Beratung gegenüber Kunden im Bereich Kapitalmarktanlage erfolgt.
Noch besteht hier die Möglichkeit, sich zum Nutzen der betroffenen Verbraucher im Rahmen des Verordnungsverfahrens erneut zu beraten und die Erkenntnisse aus der Praxis zu berücksichtigen. Gern stehen wir zu einem weiteren Dialog zur Verfügung.
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