Marktkommentar von Joseph V. Amato, Vorsitzender und Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman:
Letzte Woche ging das erste Quartal 2019 zu Ende – mit einem Marktereignis, das typisch für die Verwirrung der letzten drei Monate war. Berichten zufolge war schon einige Zeit darüber spekuliert worden. Vergangene Woche ließ Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), dann durchblicken, dass die EZB möglicherweise einen mehrstufigen Einlagenzins einführen werde. Eine Maßnahme, die von anderen Zentralbanken angewandt wird, um die Folgen der negativen Einlagezinsen für Banken und somit ihre Auswirkungen auf den Bankensektor abzumildern. Der EuroStoxx-Bankenindex legte daraufhin fast zwei Prozent zu. Was gut für die Banken ist, ist auch gut für Kreditvergabe und Kapitalfluss. Und was gut für den Kapitalfluss ist, ist meist gut für Unternehmen und die Wirtschaft.
Aber sagen Sie das mal den Anleihemärkten. Das kurze Ende der Euribor-Zinstrukturkurve verflachte für Anleihen mit Laufzeiten bis zu zwei Jahren zuletzt extrem. Und die deutsche Zehnjahresrendite brach erneut ein, auf minus 0,08 Prozent. Damit liegt sie deutlich unter null und lag vorübergehend sogar unter der japanischen Zehnjahresrendite, die ihrerseits so niedrig ist wie seit Herbst 2016 nicht mehr.
Freier Fall
In der Woche davor gab es eine ähnliche Entwicklung bei der US-Notenbank. Sie bestätigte, dass in diesem Jahr nicht mit einer weiteren Zinserhöhung zu rechnen sei und die Bilanzsummenverringerung früher als erwartet beendet würde. Zugleich senkte die Fed ihre Wachstums- und Inflationserwartungen.
Die Finanzbedingungen bleiben also noch längere Zeit locker. Doch die US-Zehnjahresrendite fiel auf ein Niveau, das seit Anfang 2018 nicht mehr zu beobachten war. Vor wenigen Tagen war die Zinsstrukturkurve zwischen drei Monaten und zehn Jahren erstmals seit 2007 invers – was für Propheten der beliebteste Rezessionsindikator ist. Die Federal Funds Futures, die regelmäßig die Erwartungen im Bezug auf das Leitzinsniveau in den USA abbilden, gingen jüngst von einer Zinssenkung um einen Viertel Prozentpunkt in diesem Jahr, sowie einen weiteren Viertel Prozentpunkt im Sommer 2020 aus. Einmal mehr stellt sich die Frage, welche Befürchtungen die Notenbanken haben, von denen die Anleihemärkte noch nichts wissen.
Und wie reagierten die Aktienmärkte auf all dies?
Wenn Anleihemärkte in den letzten Jahren stark zulegten, kam es bei Aktien meist zu einem Ausverkauf. Die einzige bemerkenswerte Ausnahme waren europäische Bankaktien. Hier lohnt sich ein genauerer Blick auf diese Vorgänge.
Wie bereits erwähnt, haben die Bewegungen am Rentenmarkt zu Extremen geführt, wie wir sie seit 12 Monaten, 24 Monaten, ja sogar 12 Jahren nicht mehr erlebt haben. Dagegen sind die Aktienmärkte weit von den Tiefständen entfernt, die sie erst im Dezember 2018 erreicht haben. Der S&P 500 ist im letzten Quartal um fast 14 Prozent gestiegen. Der EuroStoxx 600 legte elf Prozent zu, der MSCI Emerging Markets zehn Prozent und der TOPIX acht Prozent.
Ist der Anleihemarkt also nur vorsichtig oder doch verwirrt? Oder ist der Aktienmarkt zuversichtlich oder selbstgefällig? Wer schätzt die voraussichtliche Entwicklung der Wirtschaft in den nächsten 12 bis 24 Monaten richtig ein?
Überreaktion
Die Experten von Neuberger Berman, sowohl auf der Aktien- als auch auf der Rentenseite des Unternehmens, sind sich einig: Am Anleihemarkt herrscht ein Durcheinander; der Aktienmarkt spiegelt unseren Markt- und Konjunkturausblick besser wider.
Wir glauben nicht, dass die Geldpolitik expansiv bleibt, weil die Notenbanken mit etwas Schlimmem rechnen. Viel mehr gehen wir davon aus, dass sie das tun, damit der Wirtschaft eine weiche Landung gelingt. Der Konjunkturzyklus könnte sich dadurch verlängern, wovon sowohl Aktien als auch höher verzinsliche, langlaufende Anleihen profitieren dürften. Anleger sollten sich stets vor Augen halten, dass das Zinsniveau die Wirtschaft antreibt, während die Bewertung der Aktienmärkte die Wirtschaft widerspiegelt.
Zweifellos wurden unsere Anleihekollegen zuletzt mit einigen nicht zu unterschätzenden technischen Faktoren konfrontiert. Zwei wichtige Faktoren waren das sogenannte Short Covering, das Ausgleichen von Short-Positionen, sowie Absicherungsaktivitäten. Dies zeigte sich darin, dass die Swap Spreads deutlich stärker fielen als die Staatsanleiherenditen. Außerdem floss sehr viel ausländisches Kapital in dollardenominierte Titel, da die Absicherungskosten gegenüber den jüngsten Höchstständen gesunken sind. Dennoch scheint die Kursentwicklung bei Anleihen noch immer verwirrend.
Pessimisten können in den aktuellen Konjunkturdaten sicher noch immer Gründe zur Besorgnis finden, insbesondere in den Zahlen aus der europäischen und chinesischen Industrie. Diese müssen besser werden, um das Vertrauen der Aktienmärkte in eine weiche Landung zu rechtfertigen, von der auch wir ausgehen. Sollte sich diese Einschätzung ändern, dann aufgrund schwächerer Fundamentaldaten, nicht wegen der Signale am Anleihemarkt. Dieser reagiert zu heftig auf die verwirrenden Nachrichten, die die Notenbanken zurzeit aussenden.
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