Fehlende Beratungsleistung widerspricht EU-Vorgaben

 

Versicherungen setzen immer stärker auf den Online-Vertrieb ihrer Serviceleistungen. 90 Prozent der Versicherer bieten inzwischen Online-Produkte an. Die Hälfte dieser Services können auch online gebucht werden. Jedoch: 20 Prozent der Versicherungsunternehmen, die im Internet abschließbare Versicherungen vertreiben, bieten keine Online-Beratung zu ihren Produkten an. 14 Prozent verlangen einen expliziten Beratungsverzicht von ihren Kunden.

Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Managementberatung 67rockwell, die gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Beenken, Professor für Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund und Dr. Maximilian Teichler, Rechtsanwalt in einer Kanzlei für Versicherungsmanagement, durchgeführt wurde.

“Verbraucher werden im Fernabsatzgeschäft von Versicherungen noch nicht ausreichend geschützt”, so Tim Braasch, Leiter der Studie und Geschäftsführender Gesellschafter von 67rockwell. “Die EU hat hierfür die Insurance Distribution Directive (IDD) aufgesetzt, in der Versicherungen dazu angehalten werden, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Diese Richtlinien erfüllen bislang nur wenige deutsche Versicherer”.

Auch Vergleichsportale unterliegen den Richtlinien der IDD. Etwa zwei Drittel dieser Portale, so zeigt die Studie, bieten neben dem Vergleich von Versicherungen auch die direkte Online-Buchung an. Ein Beratungsverzicht wird in keinem der untersuchten Portale verlangt. Umso schwerwiegender: In vier von zehn Fällen erfolgt dennoch keinerlei Beratung der Kunden.

“Dabei lassen sich die Standards für den Vertrieb ohne Beratung laut IDD mit einem durchaus vertretbaren Aufwand umsetzen. Kunden treffen dann bewusstere Entscheidungen und sind enger an das Unternehmen gebunden”, erklärt Braasch.

Die Studie zeigt außerdem: Viele Versicherer verzichten bewusst auf den Online-Abschluss ihrer Produkte. So zeigt sich beispielsweise, dass 80 Prozent der Risikolebensversicherungen nicht online buchbar sind. Alle Risikolebensversicherer, die einen Online-Abschluss anbieten, verlangen einen vorherigen Beratungsverzicht.

“Es ist ausgesprochen bedenklich, dass es trotz erheblicher Investitionen in die Digitalisierung nur wenige deutsche Versicherer schaffen, ihren Kunden online eine vollständige und rechtskonforme Antragsstrecke bis zum Produktabschluss anzubieten”, fasst Tim Braasch die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Die Folgen können schwerwiegend sein. “Versicherer und Vermittler sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie sich unter Umständen serienmäßige Probleme ins Haus holen”.

Zentrale Ergebnisse der Studie auf einen Blick:

Versicherungen gesamt (n=135):

– 90 Prozent der Versicherer bieten Online-Produkte an

– bei 50 Prozent dieser Produkte ist ein Online-Abschluss möglich

– von den Versicherern, die einen Online-Abschluss anbieten,  vertreiben 20 Prozent die Services ohne Beratung, 14 Prozent verlangen einen Beratungsverzicht

Risikolebensversicherungen (n=36):

– 83 Prozent bieten keinen Online-Vertragsabschluss an

– 17 Prozent bieten einen Online-Abschluss an; der Abschluss erfolgt ausschließlich mit vorherigem Beratungsverzicht

Zahnzusatzversicherungen (n=29):

– 55 Prozent bieten einen Online-Abschluss an

– von diesen Versicherern vertreiben 30 Prozent das Produkt ohne Beratung

– ein Online-Abschluss mit Beratung und ohne Beratungsverzicht wird lediglich von 10 Prozent der Versicherer angeboten

– weitere 20 Prozent verlangen zusätzlich zur Beratung einen Beratungsverzicht

Vergleichsportale (n=15):

– 67 Prozent der untersuchten Produktgruppen auf den erhobenen Vergleichsportalen bieten einen Online-Abschluss an

– in keinem Fall wird ein Beratungsverzicht verlangt

– in 40 Prozent der online abschlussfähigen Antragsstrecken erfolgt keine Beratung

Kompositversicherungen (n=72):

– 60 Prozent bieten einen Online-Abschluss an

– Hausratsversicherung (n=29):

o 60 Prozent bieten einen Online-Abschluss an

o 30 Prozent der Versicherer, die einen Online-Abschluss anbieten, vertreiben ihr Produkt ohne Beratung, 20 Prozent verlangen einen Beratungsverzicht

– Kraftfahrtversicherungen (n=28):

o 54 Prozent bieten einen Online-Abschluss an

o 30 Prozent der Versicherer, die einen Online-Abschluss anbieten, vertreiben ihr Produkt ohne Beratung, 20 Prozent verlangen einen Beratungsverzicht

– Reiseversicherung inkl. Reisegepäck und Reiserücktritt (n=15):

o nur 10 Prozent bieten einen Online-Abschluss an

o 20 Prozent der Versicherer, die einen Online-Abschluss anbieten,  vertreiben ihr Produkt ohne Beratung und verlangen einen Beratungsverzicht

 

Über die Autoren der Studie:

Tim Braasch, Leiter der Studie, ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der 67rockwell Consulting GmbH, einer auf die Versicherungswirtschaft fokussierten Managementberatung. Innerhalb von 67rockwell verantwortet er die Bereiche Unternehmensstrategie, Marketing und Vertrieb. Aktuell berät er seine nationalen und internationalen Kunden insbesondere in Fragen des profitablen Wachstums und der operativen Exzellenz.

Prof. Dr. Matthias Beenken lehrt Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund. Seine Schwerpunkte in Lehre, Forschung und Publikationen sind der Wandel des Versicherungsvertriebs und des Versicherungsmarketings durch Regulierung und veränderte Marktverhältnisse.

Dr. Maximilian Teichler ist Inhaber der Kanzlei für Versicherungsmanagement in Hamburg, Lehrbeauftragter für Versicherungsrecht an der Hamburg School of Business Administration (HSBA) und ehemaliges Mitglied der Reformkommission des Versicherungsvertragsrechts (VVG).

 

Verantwortlich für den Inhalt:

67rockwell Consulting GmbH, Große Elbstraße 45, 22767 Hamburg, Tel. +49 40 80 900 37 00, www.67rockwell.de