Luxus vs. Erschwinglichkeit – der aktuelle Property Index liefert Daten und Analysen zu den wichtigsten Trends im europäischen Immobilienmarkt.
Wohnen ist in Deutschland derzeit offiziell Chefsache. Ende September lud Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Wohngipfel ins Kanzleramt. Bundesbauminister Horst Seehofer bezeichnete bezahlbares Wohnen gar als „soziale Frage unserer Zeit“. Das Thema ist hochrelevant und die Debatten werden entsprechend hitzig geführt. Mit dem Property Index wirft Deloitte nun bereits zum siebten Mal einen analytischen Blick auf den Wohnungsmarkt und zeigt den Status Quo in 14 europäischen Ländern genauso wie aktuelle Trends, die die Zukunft des Wohnens maßgeblich beeinflussen werden.
Gleich vorweg: „Das Gefühl vieler Verbraucher entspricht der Realität, die Wohnungspreise in Deutschland haben angezogen. Beim Kaufpreiswachstum war Deutschland 2017 mit 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr europäischer Spitzenreiter. Die hohen Preise sind allerdings nur die eine Seite der Medaille. Wir haben uns im aktuellen Property Index intensiv mit der Erschwinglichkeit von Wohnraum auseinandergesetzt. Dabei spielen auch die wirtschaftliche Lage und die Einkommen der Verbraucher eine entscheidende Rolle“, sagt Michael Müller, Industry Leader des Bereichs Real Estate bei Deloitte.
Eigentumswohnung in London 15 Mal teurer als in Debrecen
Der Vergleich mit unseren Nachbarn zeigt, dass Eigentumswohnungen in Deutschland 2017 noch immer verhältnismäßig erschwinglich waren. Im Durchschnitt kostete eine 70m² große Wohnung in Deutschland fünf Bruttojahreseinkommen. Unsere französischen Nachbarn brauchten dagegen acht Jahreseinkommen und in Großbritannien mussten sogar fast zehn für eine derartige Wohnung gespart werden. Grund sind hier die trotz der vergleichsweise hohen Einkommen im Vergleich dazu noch höheren Kaufpreise. Dazu kommt vor allem in Großbritannien, dass der Markt hier stark von den extremen Preisen in London beeinflusst wird. Zunehmend „unbezahlbar“ sind Wohnungen aber auch in Ländern wie Tschechien, Polen und Ungarn. Dort korrelieren die Wohnungsmärkte kaum noch mit den im europäischen Vergleich relativ niedrigen Durchschnittseinkommen. An der Spitze liegt hier Tschechien, wo Verbraucher mehr als elf Jahreseinkommen für eine Eigentumswohnung benötigen.
Wie groß die Unterschiede in Europa sind, zeigt sich besonders deutlich bei den Kaufpreisen. Hier reichte die Preisspanne von 1080 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung im ungarischen Debrecen bis zu 16.512 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung in London. Hinter London und Paris hat es zum ersten Mal auch eine deutsche Stadt in die Top Drei geschafft: In München mussten Käufer für den Quadratmeter im Durchschnitt 7500 Euro hinlegen. „Damit liegt die bayrische Landeshauptstadt rund 130 Prozent über dem Landesdurchschnitt und hat sich weitgehend vom deutschen Immobilienmarkt abgekoppelt. In Deutschland ist ein klarer Urbanisierungstrend zu beobachten. Auch Wohnungen in Hamburg, Frankfurt und Berlin liegen preislich mehr als 50 Prozent über dem Landesdurchschnitt“, erklärt Michael Müller.
Trend zur Urbanisierung
Doch nicht alle Europäer zieht es in die Städte. Obwohl sich in Großbritannien und Frankreich die Hauptstädte mit 276 Prozent (London) und 160 Prozent (Paris) auf einem extrem hohen Preisniveau befinden, liegen die Wohnungskaufpreise für andere Großstädte wie Marseille oder Birmingham unter dem jeweiligen Landesdurchschnitt.
Ein wichtiger Kaufkatalysator sind die niedrigen Zinsen, die es leichter machen, Kredite aufzunehmen. Zumindest auf kurze Sicht wird sich daran nichts ändern. Dennoch wird Wohneigentum vielerorts zum Luxusgut und immer mehr Menschen müssen auf Mietwohnungen ausweichen. Vor allem junge Verbraucher träumen weniger häufig vom Eigenheim als ihre Vorgänger. Ein Trend, der sich in allen untersuchten Ländern zeigte. Millennials wollen komfortable, flexible Wohnlösungen, die sich an ihren aktuellen Lebensumständen orientieren statt sich auf Jahre an einen Ort und vor allem an eine Hypothek zu binden.
Obwohl viele Mieter, gerade in den begehrten deutschen Metropolen, in den vergangenen Jahren teils drastische Mieterhöhungen hinnehmen mussten, wird im europäischen Vergleich deutlich, dass das Mietpreisniveau in Deutschland im Durchschnitt noch recht moderat ausfällt. Deutscher Spitzenreiter ist auch hier München, wo Mieter 2017 im Durchschnitt 16,5 Euro pro Quadratmeter zahlten. Frankfurt lag mit 11,7 Euro für den Quadratmeter im Mittelfeld, Hamburg und Berlin waren im Vergleich mit 10,4 und 9,3 Euro im europäischen Vergleich sogar eher günstig. In Paris und London kostet der Quadratmeter nochmal knapp 10 Euro mehr als in München.
507 Wohnungen für 1000 Einwohner in Deutschland
Um in Zukunft bezahlbaren Wohnraum garantieren zu können, ist der Wohnungsbau von zentraler Bedeutung. Hier lag Deutschland 2017 mit insgesamt 285.000 Wohneinheiten, also rund 3,4 Einheiten pro 1000 Einwohner, leicht über dem europäischen Durchschnitt von 3,2 Einheiten. Doch gerade an Top-Standorten reicht das nicht aus, um die Nachfrage zu decken. Frankreich ist es gelungen, mit rund 500.000 Einheiten nahezu die doppelte Anzahl an Wohnungen zu erstellen. Hinsichtlich des Wohnungsbestandes verfügen Deutschland mit rund 42 Millionen Einheiten und Frankreich mit etwa 39 Millionen mit Abstand über die größten Wohnungsbestände im Vergleich. Auf 1000 Einwohner kommen in Frankreich 518,2 und in Deutschland 507 Wohnungen.
Doch beim Bau neuer Wohnungen gibt es eine Reihe von Herausforderungen: In den begehrten Metropolregionen mangelt es schlicht an Grundstücken. Zudem treiben behördliche Bauvorschriften die Baukosten nach oben. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der es erschwert, genügend Facharbeiter für die Baustellen zu finden.
„Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen erschwinglichem Wohnen und Luxus-Wohnen“, bilanziert Michael Müller, „Beides wird derzeit stark nachgefragt. Auf der einen Seite haben wir eine Klientel mit großer Kaufkraft, die hohe Ansprüche an Komfort und Lage hat – und auch bereit ist entsprechende Preise dafür zu zahlen. Auf der anderen Seite gibt es einen wachsenden Bedarf an bezahlbarem, funktionalem und flexiblem Wohnraum. Serielles Bauen und kleinere, klug geplante Räumlichkeiten bieten hier Möglichkeiten. Gefragt sind gemeinsame Lösungen aus Politik, Gesellschaft und der Immobilienbranche.“
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