Gesetzgeber ist Innovationstreiber

 

Auch wenn sich die Unternehmen der deutschen Immobilienwirtschaft meist regelmäßig mit Produkt- und Prozessneuerungen beschäftigen, handelt es sich dabei in etwa vier von fünf Fällen um Verbesserungen, nicht aber um echte Neuheiten im Sinne einer radikalen Veränderung. Die objektiven Gründe für diese relativ geringe Innovationsstärke der Branche sind zum Teil überraschend: So wirkt sich beispielsweise eine hohe Anzahl an qualifizierten Mitarbeitern negativ auf deren innovatives Verhalten aus. Ein enger gesetzlicher und regulatorischer Rahmen ist hingegen kein Hemmnis, sondern vielmehr ein Motor für die Einführung von Produkt- und Prozessneuerungen.

Das sind einige der zentralen Forschungsergebnisse einer der ersten wissenschaftlichen, empirischen Untersuchungen zum Status Quo von Innovation in der deutschen Immobilienwirtschaft, die auf der Expo Real erstmals vorgestellt und in einer Diskussionsrunde aus Forschern und Praktikern besprochen wurden. Im Rahmen ihrer Dissertation zum Innovationsverhalten immobilienwirtschaftlicher Unternehmen wertete Dr. Susanne Hügel von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht validierte Daten von insgesamt 403 Akteuren aus 197 Unternehmen der deutschen Immobilienwirtschaft aus.

„Die Forschungsarbeit beruht auf einer sehr umfangreichen Datenerhebung und quantitativen Methodik, die viele der Ergebnisse des „Innovationsbarometers der deutschen Immobilienwirtschaft“, die auf qualitativen Expertenbefragungen basieren, nun auch statistisch belegen. So sind der Gesetzgeber und Regulierungen wie Basel III wichtige Innovationstreiber, wegweisende Veränderungen bleiben in der Branche bisher aber die große Ausnahme“, erklärt Jochen Schenk, Vorstandsvorsitzender der Real I.S. AG, die die EBS als Wissenschaftspartner insbesondere im Bereich der Innovationsforschung seit vielen Jahren unterstützt.

Zwar gaben 51,3 Prozent der befragten Unternehmen an, in den vergangenen drei Jahren regelmäßig neue Produkte (d.h. Waren oder Dienstleistungen) eingeführt zu haben, sogar rund 62 Prozent der Unternehmen haben in diesem Zeitraum nach eigenen Angaben regelmäßig Prozessinnovationen initiiert. Jedoch sind die Innovationen in der Immobilienwirtschaft mit Blick auf die Neuartigkeit eher inkrementeller Natur: Bei den Produktinnovationen der letzten drei Jahre handelt es sich in Summe bei rund 80 Prozent der Fälle um (leichte oder starke) Verbesserungen der bisherigen Produkte; bei den Prozessinnovationen macht der Anteil der Verbesserungen in Summe sogar mehr als 85 Prozent aus. Im Vergleich dazu waren nur rund 18 Prozent der Produkte (bzw. 12 Prozent der Prozesse) in diesem Zeitraum echte Neuheiten am Markt. Ganze 1,3 Prozent der Produkt- und 2,6 Prozent der Prozessinnovationen wurden als „Weltneuheit“ bezeichnet.

Fokus auf Produktinnovationen

Die Ergebnisse zeigen, dass der Fokus der Unternehmen auf Produktinnovationen liegt. Ein hoher Grad an Innovationsfähigkeit begünstigt Produktinnovationen in Form neuer materieller Waren oder immaterieller Dienstleistungen, die sich nachweislich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken. Prozessinnovationen spielen hingegen aktuell keine signifikante Rolle, obwohl dadurch intern Effizienzen gehoben werden könnten. „Diese Entwicklung könnte jedoch durch die voranschreitende Digitalisierung neue Impulse bekommen. Mit fortschreitender Digitalisierung werden die Unternehmen zukünftig stärker gefordert sein, sich innovativen Lösungen auf der Prozessebene zu öffnen, um den dynamischen Entwicklungen am Immobilienmarkt folgen zu können“, erläutert Dr. Thomas Herr, EMEA Head of Digital Innovation bei CBRE, der die Diskussionsrunde zu den Forschungsergebnissen auf der Expo Real moderierte.

Wettbewerbsstärke des Umfelds wirkt sich negativ auf Produktinnovation aus

Ein wettbewerbsintensives Umfeld wirkt sich laut Studie negativ auf die Entwicklung und Einführung neuer Produkte aus. Die Implementierung neuer Prozesse bleibt davon allerdings unberührt. Dem Verlust von Marktanteilen wird mit fallenden Preisen entgegengewirkt, was zu rückläufigen Margen führt, die wiederum die Ressourcen für kostenintensivere Ausgaben, wie beispielsweise Innovationstätigkeiten, schmälern. Auf lange Sicht sind Innovationen jedoch sinnvoll, um diesen Kreis zu durchbrechen: Durch Prozessinnovation können Unternehmen ihre Effizienz erhöhen und dadurch Kosten senken; mit Produktinnovationen können sich die Unternehmen sogar ein temporäres Monopol aufbauen, welches wiederum den Wettbewerbsdruck verringert.

Die Dynamik des Marktes, also seine Unvorhersehbarkeit und Volatilität, scheint keinen Einfluss auf die Einführung tatsächlicher Innovationen der Immobilienunternehmen gehabt zu haben. Vielmehr fehlte offenbar der Druck, aufgrund dynamischer Veränderungen Anpassungen vornehmen und Innovationen umsetzen zu müssen.

Innovatives Verhalten kann gefördert werden

Für Arbeitgeber und Unternehmen zeigt die Studie klare Perspektiven auf, wie innovatives Verhalten gesteigert werden kann. Dabei ist die Verfügbarkeit verschiedener Ressourcen wie Zeit oder auch materieller Ressourcen ein wichtiger Faktor bei der Förderung von innovativem Verhalten. Diese können, abgestimmt auf die jeweilige Gruppierung im Unternehmen, ein ganz gezieltes Mittel sein, den Raum für innovatives Verhalten von Mitarbeitern oder Top-Managern zu schaffen. Mit einer geschickten und bewussten Verteilung der jeweilig relevanten Ressourcen können sich Unternehmen zukunftsfähiger aufstellen.

Hohe Anzahl an qualifizierten Mitarbeitern Nachteil für innovatives Verhalten

Das Vorhandensein von (zu) vielen qualifizierten Mitarbeitern wirkt sich dabei aber negativ auf das innovative Verhalten eines Mitarbeiters aus: „Je mehr dieser Mitarbeiter, desto eher kann es zu Reibungen zwischen dem Innovator und den anderen Mitarbeitern kommen, die ihre Routine beibehalten und ihre Komfortzone nicht verlassen wollen. Sich weniger innovativ zu verhalten, dient dabei der Konfliktvermeidung unter den Kollegen. Zudem spielt hier auch das Phänomen der Trägheit eine Rolle, da durch die Vielzahl an qualifizierten Mitarbeitern der Eindruck entsteht, dass sich schon jemand von den anderen darum kümmern wird“, erklärt Dr. Hügel.

Für das innovative Verhalten des Top-Managements wirkt sich das reichliche Vorhandensein von qualifizierten Mitarbeitern hingegen positiv aus. „Eine Erklärung hierfür ist, dass die Verfügbarkeit von qualifiziertem Humankapital dem Top-Management das Gefühl gibt, gut aufgestellt zu sein. Diese positive Stimmung führt zu Zuversicht und wenig Bedenken, dass die Organisation versagen könnte, was in vielen Fällen zu einer Lockerung von Kontrollen und einem experimentierfreudigeren, innovativeren Verhalten führt“, sagt Dr. Hügel.

Ein Blick in die Zukunft

Die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen hängt in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung in zunehmendem Maße von deren Innovationsfähigkeit ab. Allerdings ist in der stark fragmentierten und atomisierten Struktur der Immobilienwirtschaft laut Daten bisher vor allem der Gesetzgeber in der Lage, industrieweite Impulse für Veränderungen auf Produkt- als auch Prozessebene zu setzen. „Die Forcierung von Transparenz und neuer Standards durch den Gesetzgeber führt zu einer höheren Vergleichbarkeit der Dienstleistungen und Unternehmen. Die Einführung von Innovationen hilft dabei herauszustechen sowie bei der Erfüllung der neuen gesetzlichen Anforderungen. Es bleibt spannend, ob sich in Zukunft aus der Branche heraus Allianzen und Initiativen bilden, um selbst Standards zu setzen und so einer Überregulierung vorzubeugen“, resümiert Schenk. „Vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse zeigt sich, wie wichtig die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis ist. Um wissenschaftliche Forschung zu betreiben, bedarf es einer Partnerschaft mit der Branche, die wiederum von den zurückgespielten, gewonnenen Erkenntnissen profitiert“, erklärt Prof. Dr. Kerstin Hennig, Leiterin des Real Estate Management Institute an der EBS Universität.

Eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse können Sie in der Studie „Innovation in der Immobilienwirtschaft“ über den folgenden Link herunterladen: http://innovation-in-der-immobilienwirtschaft.de

 

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