Die Europäische Zentralbank stoppt zum Jahresende ihre Anleihekäufe und versetzt damit viele Investoren in Angst
Auf ihrer letzten Sitzung bestätigte die Europäische Zentralbank (EZB), dass sie ihre Anleihekäufe bis zum Jahresende beenden will. Viele Investoren fürchten deshalb Risiken für die Euro-Anleihemärkte, weil die Risikoprämien noch immer niedrig sind, insbesondere aufgrund des Erfolgs des Quantitative-Easing-Programms. Aber wird dessen Ende die Märkte wirklich aus dem Gleichgewicht bringen?
Knappheit
Im Euroraum begann das Quantitative Easing (Quantitative Lockerung) im Jahr 2015. Die EZB kaufte Staatsanleihen, Schuldverschreibungen und Unternehmensanleihen und bot den Banken günstige Liquidität durch ihr TLTRO-Programm, die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte. Alle Segmente des Euro-Anleihemarkts stehen dadurch unter dem Einfluss des Quantitative Easing. Die EZB hält 22 Prozent der Staats- und neun Prozent der Unternehmensanleihen, und die Banken haben wegen des TLTRO-Programms deutlich weniger erstrangige Anleihen emittiert. Die Credit Spreads sind deshalb noch immer so niedrig wie selten, sodass Staatsanleihen mit AAA-Rating knapp geworden sind. Diese Knappheit rechtfertigt das Ende der Anleihekäufe. Hinzu kommt, dass das Bilanzvolumen der Notenbank ihrer eigenen Analyse zufolge deutlich wichtiger ist als sein Wachstum oder Wachstumstempo. Mit Beginn der Anleihekäufe wurden die Zinsen 2015 sofort negativ, doch das Wirtschaftswachstum im Euroraum legte erst 2016 zu, als die EZB-Bilanzsumme zwei Billionen Euro überschritt. Die Finanzierungsbedingungen mussten erst lange Zeit günstig sein, bevor die Unternehmen wieder Vertrauen schöpften und investierten.
Stabilität
Auch nach dem Ende des Quantitative Easing wird das Bilanzvolumen hoch sein. Hinzu kommt, dass ein Ende der Anleihekäufe keineswegs eine generelle Straffung der Geldpolitik bedeutet. Die EZB hat erneut betont, dass die Zinsen zumindest bis Ende des nächsten Sommers negativ bleiben werden. Preise und Löhne steigen zwar, doch ist die Notenbank noch ein gutes Stück von ihrem zwei Prozent-Inflationsziel entfernt. Die Inflation ist auch deshalb so niedrig, weil Quantitative Easing und Negativzinsen den Euro nicht so stark geschwächt haben wie erwartet. Die Auswirkungen waren vorübergehend, und 2018 war der Wechselkurs wieder auf seinen Durchschnittswert gestiegen. Währungsstabilität und niedriges Inflationsrisiko haben den Vorteil, dass sie der EZB vermutlich eine Atempause verschaffen. Sie kann ihre große Bilanzsumme und die Negativzinsen beibehalten, damit die Anleiherenditen niedrig und die Spreads eng bleiben.
Dies ist wichtig, damit sich der Euroraum weiter erholt. In Südeuropa beginnen die Banken erst jetzt wieder, in nennenswertem Umfang Kredite zu vergeben, und auch das Geschäftsklima kleiner und mittlerer Unternehmen stabilisiert sich gerade erst. Das könnte helfen, systemische Risiken und Dominoeffekte zu verhindern. Bemerkenswert ist, dass die politischen Spannungen in Italien in diesem Jahr keine Auswirkungen auf die Wertpapiermärkte anderer Länder hatten. Unternehmensanleihen-Emissionen vor dem Ende der EZB-Käufe könnten Anfang Oktober die Credit Spreads weiter werden lassen. Die zusätzlichen Basispunkte und die anhaltend lockere Geldpolitik könnten Investoren auf der Suche nach höheren Renditen dann aber zu Neuanlagen bewegen. Auch die Wiederanlage der Rückflüsse fälliger Anleihen aus EZB-Beständen dürfte die Anpassung der Marktpreise erleichtern. Wir glauben, dass die deutsche Zehnjahresrendite zum Jahresende auf 0,75 Prozent steigen kann und 2019 vielleicht ein Prozent erreicht, je nach Inflationsentwicklung.
Relative Bewertung
Die Markteinschätzung gegenüber Europa halten wir im relativen Vergleich für zu pessimistisch. Gegenüber dem nicht nachhaltigen Niveau des Jahres 2017 mag das Wirtschaftswachstum enttäuschen, aber es liegt noch immer über dem Trend. Der Euro ist gegenüber dem US-Dollar günstig bewertet, die Finanzbedingungen sind noch immer locker, und die EZB neigt zu einer expansiven Geldpolitik. Ein Handelskrieg könnte den Euroraum-Exporten schaden, aber sie sind gut nach Ländern diversifiziert. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass die Probleme im Welthandel die europäischen Unternehmensinvestitionen wieder bremsen.
Hingegen sind die Risikoprämien von US-Titeln äußerst niedrig – trotz Unsicherheit durch den starken US-Dollar, die unklare Zinsentwicklung und die wohl fälligen Kürzungen der Staatsausgaben, wenn die Auswirkungen der Steuersenkungen auslaufen.
Im Euroraum halten wir eine kurze Duration in den Kern- und Semi- Kernländern für sinnvoll, umgesetzt durch einen geringen Anteil von Langläufern. Vor dem Auslaufen des Quantitative Easing bleiben wir auch bei Credits vorsichtig. Dennoch halten wir taktische Positionen in italienischen Anleihen jetzt für interessant: Auf mittlere Sicht scheint uns die Angst vor einem starken Renditeanstieg und einer deutlichen Spread-Ausweitung aufgrund eines Rückzugs der EZB aus Italien für reichlich übertrieben.
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