US-Unternehmen schütten ihre Rekordgewinne lieber aus als zu reinvestieren

 

Die Experten von J.P. Morgan Asset Management sehen in den wirtschaftspolitischen Rezepten der aktuellen US-Regierung eine Blaupause der 80er Jahre: „Es gibt auffällige Parallelen beim Vergleich der Wirtschaftspolitik unter Ronald Reagan mit dem Vorgehen der Trump-Administration. Während ‚Reaganomics‘ jedoch nicht die erwünschten Effekte erzielte, boomt die US-Wirtschaft in Folge der Maßnahmen der Regierung. Doch es stellt sich die Frage, ob ‚Trumponomics‘ ähnlich enden könnte wie ‚Reaganomics‘ – und was das für Anleger bedeutet“, sagt Tilmann Galler, globaler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

Rückblick: Schuldenanstieg durch „Reaganomics“

Ronald Reagan wollte die stagnierende US-Wirtschaft mit Deregulierung und drastischen Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende zurück auf Wachstumskurs bringen: Weniger staatliche Gängelung und mehr Kapital in den Händen von Unternehmen und Wohlhabenden sollten zu mehr Investitionen, mehr Arbeitsplätzen und am Ende des Tages zu mehr Wohlstand und Konsum für alle führen. Die Annahme war, dass die anfänglich hohen Steuerausfälle und die steigende Staatsverschuldung zukünftig durch stärkeres Wirtschaftswachstum und höhere Steuereinnahmen ausgeglichen werden würde. „Obwohl das durchschnittliche Wachstum der acht Reagan-Jahre mit 3,5 Prozent pro Jahr deutlich höher war als die 2,6 Prozent der vorangegangenen acht Jahre, erwiesen sich die Finanzierungsannahmen der Steuersenkungen als illusorisch“, so Galler. Die US-Staatsverschuldung stieg in den Jahren 1980 bis 1990 von 25 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf 41 Prozent. Reagans Nachfolger, George H.W. Bush, der im Wahlkampf die Reaganomics-Maßnahmen noch als „Voodoo-Wirtschaft“ kritisiert hatte, reagierte notgedrungen mit einer Steuererhöhung, die ihn später die Wiederwahl kosten sollte.

Trotz Wirtschaftsboom bevorzugen Unternehmen die Ausschüttung der Gewinne

Aktuell lassen der fiskalische Stimulus über Steuersenkungen und die Anhebung der Schuldengrenze im Februar dieses Jahres die US-Wirtschaft boomen. Das Wachstum des BIP im 2. Quartal mit annualisierten 4,1 Prozent liegt fast doppelt so hoch wie das durchschnittliche Wachstum des aktuellen Expansionszyklus und für das Kalenderjahr 2018 prognostiziert der Kongress ein Wachstum von 3,1 Prozent. „Diese Dynamik spiegelt sich auch in den Ergebnissen der amerikanischen Unternehmen wider“, stellt Tilmann Galler fest. Im 2. Quartal 2018 konnten demnach US-Unternehmen den Gewinn je Aktie um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Neben den Umsätzen mit 10 Prozentpunkten waren es die niedrigeren Steuersätze mit 7 Prozentpunkten, die den größten Beitrag für das Gewinnwachstum lieferten. „Nach der Logik von ‚Reaganomics‘ müssten jetzt die Investitionen in der US-Wirtschaft kräftig steigen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Steuerreform die Repatriierung von im Ausland geparkten Geldern begünstigt“, erklärt Galler.

Doch die Daten der ersten sieben Monate über die Gewinnverwendung der US-Unternehmen lassen nach Ansicht von Tilmann Galler Zweifel aufkommen, dass dem Profit-Boom ein Investment-Boom folgen werde. Denn sowohl bei Aktienrückkäufen als auch beim Transaktionsvolumen der Unternehmensübernahmen kündigt sich ein neues Rekordjahr an. „Möglicherweise trägt die Eskalation in der Handelspolitik dazu bei, dass die Unternehmen Gewinne lieber ausschütten, als in neue Kapazitäten zu reinvestieren. Kurzfristig lässt das den US-Aktienmarkt für Investoren weiterhin attraktiv erscheinen, insbesondere im Vergleich zu den anderen Regionen“, sagt Galler.

Die Gefahren der Schuldenfinazierung

Nach Ansicht von Tilmann Galler sind die längerfristigen Aussichten für die US-Wirtschaft jedoch deutlich bescheidener: „Ohne höhere Investitionen ist eine Produktivitätssteigerung in der Wirtschaft nur schwer zu erreichen. Zumal diese angesichts der aktuellen demografischen Situation der USA die einzige Möglichkeit wären, das Trendwachstum der US-Wirtschaft nachhaltig zu steigern.“ Zusätzlich werde der aktuelle Boom teuer erkauft: Das Budget-Office des Kongresses erwartet einen Anstieg der Staatsverschuldung von 77 Prozent des BIP auf 96 Prozent in den kommenden zehn Jahren. Nur am Ende des 2. Weltkriegs war die Verschuldung höher.

Im Gegensatz zu den 80er Jahren wird die neue „Voodoo-Wirtschaftspolitik“ nicht kurz nach einer Rezession bei einer Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent, sondern nach 9 Jahren Expansion bei einer Quote von 4 Prozent implementiert. „Es dürften sich aufgrund von Kapazitätsengpässen in der US-Wirtschaft einige der aktuell wachstumsfördernden Maßnahmen in den kommenden Jahren tatsächlich als fauler Zauber entpuppen und letztendlich nur zu mehr Inflation und höheren Zinsen führen“, erklärt Galler. Anleger sollten deshalb trotz momentan positiver Nachrichtenlage und aktueller Attraktivität von US-Investments andere Regionen wie beispielsweise die Schwellenländer nicht aus den Augen verlieren, die zwar zyklischer und schwankungsanfälliger, aber deutlich günstiger bewertet seien.

 

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