Höhere Förderquoten von Saudi Arabien, OPEC und Russland könnten nicht ausreichend sein

Der Rohölpreis ist mit einer Preissteigerung von 20 Prozent seit Jahresbeginn und über 60 Prozent im Vergleich zum Juni 2017 einer der großen Gewinner bei den Rohstoffen. Es entbehrte deshalb nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Russland und Saudi­Arabien das Eröffnungsspiel der Fußball WM bestritten haben. Beide Länder gehören auf dem Feld der Ölförderung mit den USA zu den drei größten Produzenten der Welt, die fast 40 Prozent des weltweiten Bedarfs fördern. Doch nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, werden Russland und Saudi­Arabien in den kommenden Wochen vor allem eine entscheidende Rolle in der Frage spielen, wie es auf dem Ölmarkt nach dem jüngsten kräftigen Preisanstieg weitergehen wird: „Nachdem sich die beiden Länder mit der OPEC eine um 1 Million Barrel pro Tag erhöhte Förderquoten verständigt haben, wird entscheidend sein, ob den Ankündigungen auch Taten folgen werden. Scheitert die Kooperation, kann den Weltmärkten ein böses Erwachen drohen, zumal es abzuwarten bleibt, ob die Erhöhung ausreicht.“

Rohölförderung in Millionen Barrel pro Tag

Nach Jahren der Überschussproduktion, die den Preis für das Fass Öl bis auf 25 US­Dollar fallen ließ, haben die weltweit steigende Nachfrage nach Öl und die Drosselung der Ölförderung der OPEC dazu beigetragen, die überquellenden Öllager zu leeren. Inzwischen steigt sogar die Gefahr, dass in den kommenden Jahren die Nachfrage das Angebot übersteigen könnte, da durch die Kündigung des Iran­Abkommens und das politische Chaos in Venezuela aus diesen Ländern weniger Produktion zu erwarten ist. Tilmann Galler warnt sogar: „Es droht ein Szenario, dass der Ölpreis Kurs auf die Marke von 100 US­Dollar nehmen könnte.“

Bei fünf Rezessionen in den USA stieg zuvor der Preis des schwarzen Goldes

Für den Weltmarkt wäre die Preissteigerung ein schlechtes Omen: „Seit den 70er Jahren, als der hohe Ölpreis Rezessionen und Stagflation in der Weltwirtschaft ausgelöst hat, stehen steigende Ölnotierungen im Verdacht, ein Konjunkturschreck zu sein“, betont Galler. In der Tat gab es bei fünf der letzten sechs Rezessionen in den USA im Vorfeld einen kräftigen Anstieg beim schwarzen Gold. Was sind die Ursachen für die konjunkturschädigende Wirkung? Der Kapitalmarkt­Experte: „Neben dem Effekt steigender Konsumentenpreise, die das Einkommen der Privathaushalte schmälern und damit die Konsumneigung beeinträchtigen, ist es die Zinsreaktion der Notenbank auf die steigende Inflation, die letztendlich das Wachstum verlangsamt und eine Rezession auslöst.“

Doch wie groß ist die Gefahr für die Konjunktur? Experte Galler: „In der Eurozone liegt trotz der jüngsten Ölpreisrally die Inflation immer noch unter dem Inflationsziel. Selbst bei einem Anstieg über die 2­Prozent­Marke wird die EZB vorerst davon ausgehen, dass der ölinduzierte Preisanstieg nur temporär ist, und keine überraschende Zinserhöhung ankündigen.“ In den USA ist die Inflation mit 2,8 Prozent jedoch höher als in Europa und die Geldpolitik befindet sich mitten in einem Zinserhöhungszyklus. Trotzdem dürfte auch die Federal Reserve vorerst abwarten, ob es sich nicht um ein temporäres Phänomen handelt. „Das Risiko, dass ein anhaltend steigender Ölpreis zumindest im Jahr 2019 zu einer zusätzlichen Verschärfung der Geldpolitik in den USA führt, ist aufgrund der boomenden Wirtschaft und des höheren Inflationslevels signifikant höher als in Europa. So kann man zumindest für 2018 Entwarnung geben, dass zu restriktive Notenbanken den laufenden Aufschwung abwürgen“, sagt Galler.

Die globale Wirtschaft ist 30 Prozent weniger energieabhängig als vor 15 Jahren

Für die Inflationswächter bei den Notenbanken hat der Ölpreis generell etwas an Schrecken verloren. Denn die Energieintensität der Weltwirtschaft hat sich in den vergangenen 28 Jahren um über 30 Prozent verringert. Das bedeutet, für jeden Euro Bruttoinlandsprodukt braucht die Welt heute ein Drittel weniger Energie als noch im Jahr 1990. Da aus diesem Grund der Anteil des Öls an der Wertschöpfung immer geringer wird, ist ein Preisanstieg nicht mehr so preistreibend wie früher. Tilmann Galler warnt: „Dennoch sollten sich die Anleger das weitere Vorgehen von Russland und Saudi­Arabien mit Blick auf die zukünftigen Förderquoten genau anschauen, denn folgen auf die Ankündigungen, die Quoten zu erhöhen keine Taten, kann sich der Ölpreis doch noch als Partyschreck für das Wachstum der Weltwirtschaft und den Bullenmarkt an den Kapitalmärkten entpuppen.“

Tilmann Galler, Executive Director, CEFA/CFA, arbeitet als globaler Kapitalmarktstratege für die deutschsprachigen Länder bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. Als Teil des globalen „Market Insights“­Teams, erstellt und analysiert er auf Basis von umfangreichem Research Informationen rund um die globalen Finanzmärkte und leitet Implikationen für Investmentstrategien ab. Er verfügt über 17 Jahre Berufserfahrung in der Finanzbranche und war zuvor unter anderem auch als Portfolio Manager tätig.

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