GAM Marktkommentar

Anleger sind zunehmend verunsichert: Die globalen Aktienmärkte zeigten sich vor Ostern von ihrer zittrigen Seite und schlossen das erste Quartal des Jahres weitgehend im roten Bereich ab. Nebst den Turbulenzen im Technologiesektor haben auch Bedenken über den zunehmenden Protektionismus der Trump­Administration Ängste geschürt. Die Investmentexperten von GAM geben ihre Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit und die möglichen Auswirkungen eines potenziellen Handelskrieges ab.

Jian Shi Cortesi, Portfoliomanagerin für asiatische Aktienstrategien

Chinas Antwort auf Präsident Trumps Genehmigung von Zöllen auf chinesische Einfuhren kam prompt: Das Reich der Mitte reagierte auf die von den USA erhobenen Zölle in Höhe von 50 bis 60 Milliarden US­Dollar mit einer Gegenmaßnahme in Höhe von 3 Milliarden US­Dollar auf US­Produkte. Die Unsicherheit über einen möglichen Handelskrieg hat die Stimmung bei Investoren gedämpft. Die meisten börsennotierten chinesischen und asiatischen Unternehmen weisen ohnehin nur einen sehr geringen Anteil an US­Exporten aus. Die Zölle und das Risiko des Handelskrieges könnten sich jedoch auf bestimmte Industrien wie Kommunikationssysteme und Elektronik auswirken. In unserer Anlagestrategie bevorzugen wir asiatische Unternehmen, die von der steigenden Binnennachfrage sowie der regionalen Nachfrage in Asien angetrieben werden. Dazu zählen das Gesundheitswesen, Finanzdienstleistungen, Technologie und der breite Konsumsektor. Diese sind nicht direkt von Zöllen und Handelskriegen betroffen. Auf der anderen Seite bestehen Risiken für US­Unternehmen mit hohem Umsatzanteil in China, falls das Land als Vergeltungsmaßnahme US­Geschäftsinteressen angreifen würde.

Hans Ulrich Jost, Portfoliomanager für europäische Value­Aktien

Obwohl die Spannungen zwischen den USA und China vor Ostern etwas nachzulassen schienen, sollten Anleger weitere Maßnahmen und Gegenmaßnahmen in den kommenden Wochen und Monaten nicht ausschließen. Es bleibt schwer vorstellbar, wie die USA von Einfuhrzöllen und deren Folgen profitieren können, da die Trump­Administration keines der möglichen Asse in der Hand hält. In den vergangenen 40 Jahren haben die Verantwortlichen es versäumt, in eine vernünftige oder nachhaltige Infrastruktur zu investieren. Die US­Stahlproduktionsanlagen sind ineffizient, veraltet und nicht in der Lage, mit erstklassigen Stahlherstellern aus Übersee zu konkurrieren – trotz eines Einfuhrzolls von 25 Prozent. Unter dieser Prämisse müssen die großen US­Unternehmen der Luft­ und Raumfahrtindustrie, des Automobilbaus und der Schwerindustrie deutlich höhere Beschaffungskosten in Kauf nehmen, nur um eine relative geringe Zahl an Arbeitsplätzen in den USA schaffen. Dies wiederum würde den europäischen Stahlunternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten bieten. Der führende niederländische Hersteller konzentriert sich beispielsweise in erster Linie auf Hochleistungsstahl, den die US­Konkurrenz nicht herstellen kann. Außerdem gilt es zu bedenken, dass jegliche Vergeltungsmaßnahmen seitens Chinas wahrscheinlich die Erhebung weitaus höherer Prämien für in China hergestellte elektronische Bauteile, von denen die USA in hohem Maße abhängig sind, zur Folge haben werden. Ein Handelskrieg ist ein Kampf, der Chancen schaffen könnte – aber nicht so, wie es die Trump­Administration beabsichtigt.

Ernst Glanzmann und Reiko Mito, Portfoliomanager für japanische Aktien

Wir haben uns bereits mit einer Reihe von Unternehmen, in die wir investiert sind, zu diesem Thema ausgetauscht. Da jedoch sehr viel von den Feinheiten der einzelnen Lieferketten abhängt, konnten wir keinen Konsens finden. Es liegt auf der Hand, dass einige Unternehmen ein tieferes Verständnis für ihre Lieferketten haben als andere. Dies wird sich wahrscheinlich als wesentlicher Wettbewerbsvorteil erweisen, falls neue Einfuhrzölle eingeführt werden sollten. Generell halten wir es jedoch für unmöglich, die Marktdimension der gesamten spezifischen Dynamik im Voraus genau abzuschätzen. Darüber hinaus ist es zwar einfach zu sagen, dass die Auswirkungen eines Handelskrieges zwangsläufig negativ sein würden, aber es ist auch wichtig zu verstehen, dass die Widrigkeiten eines Unternehmens typischerweise Chancen für ein anderes schaffen. Folglich brauchen wir mehr Zeit, um diese Entwicklung zu beobachten, aber wir sind fest davon überzeugt, dass ein Handelskrieg letztendlich den Mehrwert eines geschickten und aktiven Ansatzes beim Investieren in japanische Aktien hervorheben wird.

Michael Lai, Investment Director für chinesische Aktien

Entgegen der Überzeugung des US­Präsidenten kann es keinen „Gewinner“ in einem Handelskrieg geben. Dies kann als Beginn einer Verhandlungstaktik angesehen werden, um einen Kompromiss zu erzielen, aber die Aktienmärkte werden unter dieser Unsicherheit leiden. Unsere Hoffnung ist, dass sich die Gemüter abkühlen und China in dieser Sache eine vernünftigere Haltung einnimmt. Aus unserer Sicht stellt dies eine weitere Kaufgelegenheit dar, bei der die volkswirtschaftliche Realität Chinas und die Verfassung des lokalen Aktienmarkts nicht so sehr von Bedeutung ist, wie viele glauben. So hat sich zum Beispiel Chinas Wirtschaftsmodell im Laufe der letzten Jahre so weit gewandelt, dass die Inlandsnachfrage mittlerweile rund 55 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht.

Oliver Maslowski, Portfoliomanager für deutsche Aktien

Die USA versuchen, mit einem Handelskrieg ihr Aussenhandelsdefizit zu reduzieren. Eine exportorientierte Wirtschaft wie Deutschland würde unweigerlich einige negative Auswirkungen zu spüren bekommen. Premium­Autohersteller dürften zu den Unternehmen gehören, die am meisten darunter leiden. Die Tatsache, dass deutsche Automobilhersteller auch in den USA produzieren, sollte die potenziellen negativen Folgen jedoch bis zu einem gewissen Grad abmildern können. Andere in den USA stark vertretene Branchen aus Deutschland sind Konsumgüter, Maschinen, Chemikalien und Pharmazeutika. Wir sind der Meinung, dass eine Eskalation der Handelszölle und Gegenmaßnahmen letztlich etwas ist, vor dem sich alle Beteiligten hüten sollten und werden. Es liegt auf der Hand, dass die Orchestrierung einer US­Dollar­ Schwäche für Präsident Trump einen weiteren möglichen Weg zum Abbau des Handelsdefizits bieten würde. Obwohl der deutsche Aktienmarkt negativ mit einem stärkeren Euro korreliert ist, dürften sich Devisenmanipulationen als weniger schädlich erweisen als US­Importzölle.

Christian Gerlach, Portfoliomanager für Rohstoffe

Die protektionistische Politik von Präsident Trump wird sich unweigerlich negativ auf die Globalisierung auswirken. Für die amerikanischen Rohstoffmärkte jedoch dürfte sie zweifellos positiv sein. Die merkantilistische Ideologie von „America First“ wird die Preise innerhalb der USA in die Höhe treiben. Gleichzeitig wird die Bewertung des US­Dollars an den Devisenmärkten aber nach unten korrigiert. Da Rohstoffe die beste Absicherung gegen Inflation sind, werden sie von dieser Dynamik stark profitieren. So werden in diesem neuen „Kriegszustand“ Rohstoffengpässe nicht mehr „natürlich“ auftreten: ein Abbau der Rohstoffbestände wird effektiv durch eine Kombination von Zollmauern und Währungsabwertungen herbeigeführt, was letztlich zu einer deutlichen Verschiebung der Angebots­/Nachfragedynamik führen würde.

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