Von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel
Kurzfristig wackelig, …

Das bekannteste deutsche Aktienbarometer, der Standardwerteindex DAX beendete
das Jahr 2017 mit einer Enttäuschung. So lag der Schlusskurs mit 12.918 Indexpunkten
doch noch unter der viel beachteten Marke von 13.000 Punkten. Auf Jahressicht ist dies
angesichts einer überraschend positiven Wertentwicklung von knapp 13% aber nur ein
kleiner Wehrmutstropfen.
Da am letzten Handelstag die markttechnisch wichtige Unterstützung bei 12.951 Punkten unterschritten wurde und die Verluste sich im neuen Jahr zunächst fortsetzten, sind die Aussichten kurzfristig nach unten gerichtet. Dabei könnte im Januar die 200­Tageslinie bei rund 12.600 Punkten in den Fokus rücken.

… auf mittlere Sicht aber positiv, …

Grundsätzlich spricht in 2018 jedoch vieles für weiter steigende Aktienkurse. Vor allem die konjunkturelle Dynamik und die daraus resultierenden steigenden Unternehmensgewinne unterstützen die Notierungen. Der IWF hat seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum in 2018 auf 3,6% angehoben. Bemerkenswert ist besonders die außergewöhnliche Breite des Aufschwungs, der fast alle Regionen der Welt mit sich zieht. Entsprechend befinden sich sowohl Unternehmens­ als auch Konsumentenstimmungsindizes weltweit größtenteils auf expansiven, teilweise sogar auf Rekord­Niveaus. Davon profitieren insbesondere stark exportorientierte und somit viele deutsche und europäische Unternehmen.

Von dieser Entwicklung und parallel anziehenden Rohstoffpreisen mitgezogen werden auch die Schwellenländer. China dürfte sich zudem nach dem Parteikongress, auf dem der Umbau der Volkswirtschaft von der reinen Exportorientierung vorangetrieben wurde, weiter stabil zeigen.

Trotz dieser guten Entwicklung steigen die Inflationsraten bisher noch nicht deutlich an und liegen nach wie vor deutlich unter der Marke von 2%. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihren geldpolitischen Kurs daher bis mindestens September 2018 expansiv belassen. Eine Zinserhöhung stünde damit frühestens in 2019 auf der Agenda. Zinsen unterhalb der Inflationsrate erzeugen somit auch in 2018 über negative Realzinsen einen deutlichen Investitionsimpuls – ebenfalls ein Argument für steigende Aktiennotierungen.

In den USA unterstützt die kurz vor Jahresschluss endgültig beschlossene Reform der Unternehmensbesteuerung die Börsenentwicklung zusätzlich. Einige Firmen haben bereits angekündigt, Teile der eingesparten Steuerzahlungen für größere Investitionen zu nutzen oder sogar als Sonderbonifikationen an ihre Mitarbeiter auszuzahlen.

Voraussichtlich werden andere Nationen auf die US­Steueroffensive ebenfalls mit Erleichterungen für Unternehmen reagieren, um die Abwanderung von Kapital zu vermeiden. So kündigte beispielsweise China an, im Land angefallene Gewinne von ausländischen Unternehmen, die im Land reinvestiert werden, unter bestimmten Bedingungen von Steuerzahlungen zu befreien. Die EU­Finanzminister äußerten sich Mitte Dezember hingegen kritisch gegenüber den US­Steuerplänen, weil sie Verstöße gegen internationale Handelsregeln befürchten. Eine konkrete Reaktion steht indes noch aus.

Die Gesamtkonstellation spricht in den kommenden Monaten für leicht steigende, im historischen Kontext aber weiterhin niedrige Zinsen. Verzinsliche Anlagen werden somit auch in 2018 nicht zu einer attraktiven Alternative im Vergleich zu Aktien. Allein die Dividendenrendite der DAX­Unternehmen liegt derzeit noch bei 2,8%, im EURO STOXX 50 sogar bei 3,3%. Zusammen mit der positiven Konjunktur ist damit die Voraussetzung für weiter steigende Aktienkurse gegeben.

Die deutlich höheren US­Zinsen begrenzen zunächst das weitere Aufwertungspotenzial des Euro. Auf der anderen Seite sprechen ökonomische Aspekte gegen eine stärkere Aufwertung des US­Dollar. Vor allem ist der Konjunkturzyklus in den USA bereits deutlich älter als in Europa. Die US­Ökonomie wächst seit 2010 durchgehend. Die US­Notenbank Fed hebt bereits seit 2015 sukzessive die Leitzinsen an. Beides erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das US­Wachstum ab 2019 nachlassen könnte. Für 2018 ist daher eine Seitwärtsbewegung des Euro im Vergleich zum US­Dollar innerhalb einer relativ engen Bandbreite anzunehmen.

… wenige Fragezeichen, …

In Europa fokussieren sich die Marktteilnehmer Anfang 2018 auf die noch ausstehende Regierungsbildung in Deutschland. Unsere Basisannahme ist, dass eine Neuwahl vermieden werden kann, also eine (Minderheits­) Regierung in den ersten Wochen des Jahres zustande kommt. Da sich im Vorwege nahezu alle Parteien darin einig waren, Steuern zu senken und Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung vorzunehmen, dürfte dies die deutsche Wirtschaft weiter anfeuern.

„Die Welt wartet nicht aus uns.“ sagte Angela Merkel ihrer Neujahrsansprache. Richtig, die zeitnahe Bildung einer neuen deutschen Regierung ist zweifellos wünschenswert, um in der laufenden Diskussion über den Umbau der Eurozone ein gewichtiges Wort mitzureden. Bisher haben sich vor allem Frankreichs Staatspräsident Macron und die Europäische Kommission mit konkreten Plänen dazu geäußert. Es ist davon auszugehen, dass es in 2018 zu weiteren Schritten, wie z.B. der Konkretisierung einer zukünftigen Europäischen Verteidigungsunion kommen wird. Insgesamt sollten diese Entwicklungen die Stabilisierung der Eurozone weiter vorantreiben.

Anfang März steht dann jedoch mit der Parlamentswahl in Italien möglicherweise eine neue Herausforderung für die Eurozone bevor. Derzeit liegt ein Bündnis aus Forza Italia und Lega Nord in den Umfragen vorn. Auf dem zweiten Platz folgt die 5­Sterne­Partei Beppe Grillos. Allen gemein ist eine Euro­ bzw. europakritische Einstellung. Zwar ist ein tatsächlicher Austritt Italiens aus der Eurozone unwahrscheinlich, Turbulenzen an den Börsen könnten aber trotzdem entstehen.

Zudem können geopolitische Aspekte jederzeit für einen zwischenzeitlichen erheblichen Verlust sorgen. Potenzial dafür haben beispielsweise der Nordkorea­ und der Nahost­Konflikt. Auch die derzeitigen Unruhen im Iran könnten über eine Destabilisierung des Landes, möglichen Auswirkungen auf die Golfregion und daraus resultierenden Ölpreissteigerungen für Belastungen an den internationalen Börsen sorgen.

Das aus heutiger Sicht größte Risikopotenzial liegt jedoch bei einer Unterschätzung der zu erwartenden Preissteigerungsraten. Die Inflation könnte bis Ende 2019 das Zünglein an der Waage sein. Sollte sie wie erwartet getrieben durch steigende Löhne und Rohstoffpreise sowie steigende Kapazitätsauslastungen nur langsam weiter anziehen, wären keine negativen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte zu erwarten. Angesichts der überaus positiven konjunkturellen Entwicklung ist jedoch auch ein – evtl. sogar deutliches – Überschießen über die von EZB und Fed avisierte 2%­Marke nicht auszuschließen. Das würde über stärker steigende Zinsen, teurere Refinanzierungen und höhere Bewertungen nachhaltige negative Auswirkungen auf Aktien, Immobilien und alle anderen im Zuge der Nullzinsphase im Kurs stark angestiegenen Anlageklassen haben.

… im Jahresverlauf möglicherweise heiß!

Aus heutiger Sicht wiegen die Vorteile der Aktienmärkte gegenüber anderen Anlageklassen jedoch noch sehr schwer. Für einen länger anhaltenden negativen Trend fehlen bisher die Argumente. Eines könnte sich im Laufe von 2018 ergeben, sofern es zu einer allgemeinen Euphorie unter den Marktteilnehmern kommt. Die Grundvoraussetzung dafür wäre allerdings zunächst ein sehr heftiger Kursanstieg in kurzer Zeit. Noch nicht ausreichend investierte bzw. bisher skeptische Anleger würden den Eindruck gewinnen, von den stetig steigenden Notierungen nicht ausreichend zu profitieren. Dann wird panisch alles gekauft, was der Markt hergibt. Die positiven Nachrichten überwiegen die Berichterstattung. Die Börse könnte heiß laufen und eine heftigere Korrektur das Ergebnis sein. In 2017 haben die Kryptowährungen Bitcoin & Co. einen vergleichbaren Verlauf gezeigt. Die gute Nachricht: bis dahin gäbe es noch einige Kursgewinne zu erzielen.

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